Liebe Leserin, lieber Leser,
in der vergangenen Woche
habe ich über jene spezielle Form von Fahrradunfall berichtet, die zustande kommt, wenn Autofahrer oder ihre
Mitfahrenden die Fahrzeugtür öffnen, ohne sich umzuschauen, und Radfahrerinnen
oder Radfahrer dagegen prallen. Zuletzt hatten sich zwei schwere Unfälle dieses
Typs in Hamburg ereignet.
Am nächsten Tag habe ich
eine Strichliste angelegt. Binnen weniger Stunden haben 26 27 28
Leserinnen und Leser dieses Newsletters mich darauf aufmerksam gemacht, dass
Fahrschülerinnen und Fahrschüler in den Niederlanden die Technik des
„Holländischen Griffs“ erlernten. Sie bestehe darin, die Fahrzeugtür mit der
rechten (also: der Tür abgewandten) Hand zu öffnen und so den eigenen Körper zu
einer Rückwärtsdrehung zwingen, die automatisch von hinten kommende Radfahrende
ins Blickfeld rückt. Stimmt das? Verhindert der „Holländische Griff“ in den
Niederlanden Dooring-Unfälle?
Zunächst eine Stichprobe:
Mein Bruder lebt seit mehr als 40 Jahren in den Niederlanden, der Holländische
Griff ist ihm unbekannt. Eine Umfrage im Kreis seiner Kolleginnen und Kollegen,
unter ihnen eine, die vor drei Jahren ihren Führerschein gemacht hat.
Holländischer Griff? Nie gehört. Mehrere Internetseiten bieten Rechtsberatung
für Verkehrsunfallopfer an, unter anderem zum Thema „Ongeval door openslaande
autodeur“, was genau das bedeutet, was Klang und Wortbild vermuten lassen. Auf
einer dieser Seiten heißt es: „Jeder, der schon einmal mit dem Fahrrad durch
die Innenstadt gefahren ist, kennt die Angst: die sich öffnende Tür eines
geparkten Autos.“ Der „Holländische Griff“ scheint in den Niederlanden nicht
allgemein bekannt zu sein – die Gefahr, der er begegnen soll, dagegen schon.
Es gibt Hinweise in eine
andere Richtung: Dem Bericht meiner Kollegin Juliane Frisse zufolge ist die
erwähnte Methode in den Niederlanden vielleicht nicht gängig, aber immerhin
doch häufig Gegenstand des Fahrunterrichts.
Damit ist diese Recherche
allerdings nicht am Ende. Die Bezeichnung „Holländischer Griff“ scheint auf
eine Erwähnung in der niederländischen Zeitung De Telegraaf anno 1961
zurückzugehen. Und im Jahr 2022 gab das niederländische Verkehrsministerium
eine überraschende Antwort auf ein Medienanfrage, warum diese Art, Autotüren zu
öffnen, nicht Prüfungsstoff im Fahrunterricht sei: Die Technik sei gefährlich –
sie lenke die Aufmerksamkeit von den Fahrradfahrern ab und richte sie
stattdessen auf den Türgriff, der mit dieser Methode vor allem für körperlich
eingeschränkte Menschen nur mühsam zu erreichen sei.
© ZON
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Offenbar sehen
ausgerechnet niederländische Experten den „Holländischen Griff“ skeptisch. Wie
viele Unfälle er tatsächlich verhindert, habe ich nicht klären können. Ein
Patentrezept ist er wohl leider nicht.
Ich wünsche Ihnen einen
schönen Tag!
Ihr Frank Drieschner
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WAS HEUTE WICHTIG IST
Nach der Rücktrittsankündigung von Hamburgs
erstem Antisemitismusbeauftragten, Stefan Hensel, fordert die CDU in der
Bürgerschaft eine deutliche Aufwertung des Amts. Antisemitismus sei in
Hamburg bittere Realität, sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering der Deutschen
Presse-Agentur. Und wenn selbst der Antisemitismusbeauftragte zur Zielscheibe
werde, müsse der Senat endlich handeln. „Wir brauchen einen hauptamtlichen
Antisemitismusbeauftragten mit klaren Befugnissen und dauerhafter Ausstattung.“
Hensel hatte angekündigt, sein Amt spätestens zum 31. Dezember aufzugeben. Der
zeitliche Aufwand und die anhaltende Konfrontation mit Hass und persönlichen
Übergriffen seien im Rahmen eines Ehrenamts für ihn nicht mehr vereinbar.
© Niklas Treppner/dpa
Ein Feuer hat einen Teil des
historischen Schröderstifts in Rotherbaum zerstört. Nach Angaben der Feuerwehr brach der Brand am frühen
Freitagmorgen in einer Wohnung im zweiten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses
aus. Zwei Bewohner retteten sich ins Freie, einer von ihnen kam ins
Krankenhaus. Nach Angaben der Polizei ist das betroffene Gebäude nicht mehr zu
bewohnen.
Nach dem tragischen Tod eines sechsjährigen
Jungen auf den S-Bahn-Gleisen zwischen Wilhelmsburg und Harburg am Samstag
dauern die Ermittlungen zur Unfallursache an. Wie das Abendblatt berichtet, habe die Polizei noch immer keine Hinweise
auf den genauen Unfallhergang. Unklar bleibt auch, wie der Junge Zugang zu den
Gleisen bekommen konnte. Als möglicher Weg gilt eine Notausgangstür in der
Lärmschutzwand der Brücke. Ein Sturz von der Eisenbahnbrücke an der Brackstraße
könne aber ausgeschlossen werden.
In aller Kürze
• In mehreren Stadtteilen heulten am späten
Sonntagabend minutenlang Alarmsirenen. Wie die Polizei meldet,
handelte es sich dabei um eine technische Störung: Die Sirenen seien wegen
Hochwassers ausgelöst worden, sollten aber nur in Overwerder zu hören sein •
Der Hamburger SV gewann im Volksparkstadion mit 4:0 gegen den FSV Mainz
05 • Bei einem Streit vor einem Döner-Imbiss in Billstedt sind am
Freitagmorgen mehrere Schüsse gefallen. Verletzt wurde offenbar niemand,
im Anschluss räumten die Beteiligten gemeinsam auf • Der FC St. Pauli
verlor mit 0:1 gegen Werder Bremen
THEMA DES TAGES
© Marcus Brandt/dpa
Ein unverhoffter Aufschwung
Die
Wirtschaft in Deutschland stagniert, doch der Containerumschlag im Hamburger
Hafen wächst. Sogar schneller als bei den Konkurrenzhäfen in Rotterdam und
Antwerpen. ZEIT:Hamburg-Autorin Kristina Läsker hat diese Entwicklung
eingeordnet; lesen Sie hier einen Auszug aus ihrem Artikel.
Die Freude ist verhalten,
als könnten sie ihr Glück kaum glauben. Am Vormittag des 1. Oktober sitzen
Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) und Jens Meier, Chef der
Hamburg Port Authority, in einem runden Saal mit Holzkuppel vor Journalisten
und informieren über die Lage im Hafen. Draußen an den Landungsbrücken glitzert
die Elbe in der Sonne, drinnen glitzern die Zahlen: Gut 4,2 Millionen Container
wurden im ersten Halbjahr 2025 im größten deutschen Hafen umgeschlagen. Das ist
ein Plus von 9,3 Prozent – und eine Überraschung: Denn Wettbewerber wie
Rotterdam oder Antwerpen haben nur ein Plus von 5,7 Prozent geschafft.
Hamburg hat trotz der
angespannten Wirtschaft im Land also stark zugelegt, das hat es lange nicht
gegeben. Seit 2014 dümpelte und schrumpfte der Umschlag an der Elbe, und nun
das: ein Aufschwung. Doch ist es auch eine Trendwende? „Wir sind auf einer
Aufholjagd“, sagt Senatorin Leonhard vorsichtig. Mit mehr Zuversicht tut sie
sich schwer.
Es ist ein neues Format,
zu dem Senatorin und Hafenbehördenchef die Medien eingeladen haben. Bisher gab
es alle paar Monate eine nüchterne Vorstellung der Hafenzahlen. Nun gibt es
eine größere Konferenz mit mehr Hintergrund: Zum Auftakt darf Tim Power, Chef
der Beratung Drewry Shipping aus London, in einer Präsentation den unerwarteten
Aufschwung erklären. Insgesamt hätten sich die Anläufe im Hafen verschoben,
zeigt der Experte: Es kamen mehr Waren aus Asien, vor allem aus China und
Indien, und aus dem Ostseeraum. Der Handel mit den USA dagegen war wegen der
wankelmütigen Zollpolitik eingebrochen. Solche Verschiebungen sind üblich. Dann
zeigt Power eine Folie, die selbst Hafenliebhaber staunen lässt: Seit Anfang
2025 fertigt der Hafen fünf Liniendienste mehr ab als Anfang 2024.
Wie es zu diesem Zugewinn kam, lesen Sie weiter in der ungekürzten Fassung auf zeit.de.
DER SATZ
© Julia Sang Nguyen/DIE ZEIT
„Um
18 Uhr beginnt die Premiere von Frank Castorfs Hamlet-Inszenierung am
Schauspielhaus, wenn man nach drei, vier gefühlten, das heißt, wirklich tief
empfundenen Stunden nach der Uhr schaut, stehen die Zeiger auf 19.04 Uhr“
Jens Jessen, ZEIT-Autor
und einst Feuilletonchef, schreibt über die Premiere von „Hamlet“ im Deutschen Schauspielhaus.
DAS KÖNNTE SIE INTERESSIEREN
Eine Sammlung der
wichtigsten Texte von Peggy Parnass mit persönlichen Fotos ist gerade im
Dölling und Gallitz Verlag erschienen. Die Buchpräsentation von Unsere Chance. Peggy Parnass schreibt
findet als Matinee am 19. Oktober im Schauspielhaus statt. Die Texte werden von
Schauspielern des Ensembles gelesen, Michael Weber moderiert die Veranstaltung.
„Rest in Power! Unsere Chance. Peggy Parnass schreibt“, 19.10., 11 Uhr; Schauspielhaus, Kirchenallee 39,
Tickets gibt es zum Preis von 10 Euro
MEINE STADT
Schöne Worte am Oberhafenkanal © Imke Schwarz
HAMBURGER SCHNACK
Vater in Ottensen zu seiner circa fünfjährigen
Tochter: „Morgen muss ich nicht arbeiten, da ist Tag der Deutschen Einheit.“
Tochter: „Tag der deutschen Einhörner?“
Vater: (lacht) „Das wäre auch nett.“
Gehört von Katharina Menne
Das war die Elbvertiefung, der tägliche
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