Der Kleinbus ist übersät von Einschusslöchern, unter diesen auch eines im Seitenfenster der Fahrerkabine. Henrik Schepler öffnet die Tür und zeigt strahlend die Innenseite der acht Zentimeter dicken Glasscheibe: Sie ist unbeschadet, „nicht ein Splitter ist herausgebrochen“, sagt der Ko-Geschäftsführer der Carl Friederichs GmbH.

Das Unternehmen rüstet in Frankfurt-Fechenheim Serienfahrzeuge um für besondere Einsatzzwecke. Die Palette reicht von gepanzerten Autos für Sondereinheiten der Polizei, Rettungswagen und Gefangenentransporter bis zu mobilen Bankfilialen, die in Lastwagen untergebracht sind. Diese Bandbreite unterscheide das Unternehmen, das in diesem Jahr 185 Jahre alt wird, von den meisten Konkurrenten, sagt Schepler. „Viele Unternehmen bauen nur Krankenwagen oder nur Polizeifahrzeuge und Werttransporter, aber eben nicht alles.“

Bei dem malträtierten Kleinbus wurden nicht nur die Fensterscheiben verstärkt. Das Fahrzeug wurde zu Testzwecken von allen Seiten beschossen, die Schiebetür sogar mit einer Bombe angesprengt. Die Dummys im Fahrzeug hätten auch das unbeschadet überstanden, sagt Schepler. Dafür haben seine Mitarbeiter die Karosserie des Kleinbusses von innen mit so viel Stahl verstärkt, dass die Sonderausführung rund 9,75 Tonnen wiegt – normalerweise liegt das zulässige Gesamtgewicht für diesen Fahrzeugtyp bei sieben Tonnen.

Transporter für Verletzte der ukrainischen Armee

Militärisch werden die Produkte aus Fechenheim bislang nicht genutzt. Doch auch bei Friederichs macht sich die viel zitierte Zeitenwende bemerkbar: Derzeit überarbeitet das Unternehmen für die ukra­inische Armee 38 gepanzerte SUVs, die bislang von der niederländischen Polizei verwendet wurden. Die Ukraine wolle die Fahrzeuge für die Bergung von Verletzten nutzen, sagt Schepler.

Auch Limousinen für Politiker hat Friederichs schon mit Schutzschichten aus Stahl und schusssicheren Fensterscheiben versehen. Der teuerste Wagen, den das Unternehmen je verkauft habe, sei für 900.000 Euro an den früheren Staatschef von Simbabwe gegangen, Robert Mugabe, erinnert sich der Geschäftsführer. Wobei überrascht, dass die für eine Bank in Tansania bestimmten Lastwagen, an denen bei Friederichs aktuell gearbeitet wird, weniger kosten. Die rollenden Filialen sind mit Schaltern, einem Geldautomaten, einer Sitzgruppe für Beratungsgespräche und einem Safe ausgestattet.

Etwa die Hälfte der Umsätze der Frankfurter entfallen aufs Ausland. Schepler ist viel unterwegs, auch in Afrika und im Nahen Osten. Schon seit 26 Jahren führt er die Karosseriebau-Sparte von Friederichs. Sein Ko-Geschäftsführer Stephan Berger kümmert sich um die Reparaturwerkstatt, dort werden auch ganz normale Autos gewartet, instand gesetzt und neu lackiert.

Lange Entwicklungszeiten

Mit den Reparaturen erwirtschafte Friederichs einen Umsatz in der Größenordnung von zehn Millionen Euro pro Jahr, beim Karosseriebau für die Sonderfahrzeuge bewegten sich die Umsätze zwischen zehn und 25 Millionen Euro, sagt Schepler. Das liege an Schwankungen bei der Auftragsvergabe, aber auch an langen Entwicklungszeiten für neue Fahrzeugtypen. Schließlich kämen immer wieder Kunden mit ganz neuen Wünschen. Bis zu einer Million Euro müsse das Unternehmen in Neuentwicklungen stecken, die einschließlich TÜV-Abnahme bis zu eineinhalb Jahre in Anspruch nehmen könnten. „Das lohnt sich ab zehn, 20 Fahrzeugen, je nach Typ.“

Friederichs-Geschäftsführer Henrik Schepler neben den Schalterfenstern einer mobilen Bankfiliale, die sein Unternehmen baut.Friederichs-Geschäftsführer Henrik Schepler neben den Schalterfenstern einer mobilen Bankfiliale, die sein Unternehmen baut.Lando Hass

Selbst auf sehr spezielle Kundenwünsche einzugehen, ist Unternehmenstradition: Der Betrieb begann 1840 mit dem Bau herrschaftlicher Kutschen. Gründer Heinrich Ludwig Friederichs hatte seine Lehr- und Wanderjahre in Großbritannien und am Zarenhof in Sankt Petersburg verbracht und gewann mit dem dort erworbenen Wissen auch in Frankfurt exklusive Kunden, wie es in einer Firmenbroschüre heißt.

1876 übernahm Heinrichs Sohn Carl, der Namensgeber des Unternehmens, den Betrieb. Er meisterte den Übergang vom Pferdekutschenbau zur Konstruktion von Karosserien für Automobile und entwarf exklusive Modelle für Marken wie Maybach und Benz.

Das Unternehmen gehört einer Stiftung

Mit Beginn der Serienproduktion in den Autofabriken vor rund 100 Jahren lief auch dieses Geschäft aus – deshalb richtete sich die Friederichs GmbH in der Nische Sonderfahrzeuge ein. Mit Erfolg: In den Fünfzigerjahren wurde die ursprüngliche Werkstatt an der Gutleutstraße zu eng, das Unternehmen zog um in die nahe gelegene Hardenbergstraße und eröffnete 1964 eine zweite Betriebsstätte in Fechenheim, wo jetzt die Sonderfahrzeuge gebaut werden.

An den beiden Standorten arbeiten heute insgesamt 120 Beschäftigte, darunter 21 Auszubildende. 2024 habe erstmals in der Unternehmensgeschichte eine junge Frau eine Lehre bei Friederichs begonnen, dieses Jahr sei eine weitere hinzugekommen, sagt Schepler, der selbst vor 45 Jahren als Lehrling bei einem anderen Frankfurter Sonderfahrzeugbauer angefangen hat: Berger Karosseriebau im Gallusviertel.

Friederichs holte externe Geschäftsführer an Bord, als das letzte Familienmitglied an der Spitze des Unternehmens schwer erkrankte. Heinz Friederichs gründete kurz vor seinem Tod 1991 gemeinsam mit seiner Frau eine Stiftung, der das Unternehmen seitdem gehört. Die Stiftung von Heinz und Gisela Friederichs fördert außerdem die Hochschule für Gestaltung in Offenbach, den Frankfurter Verein Leben mit Demenz und die Landesfachschule des Kraftfahrzeuggewerbes in Frankfurt.

Im vergangenen Jahr konnte das Unternehmen keine Gewinne an die Stiftung überweisen. Der Anstieg der Energiepreise bescherte der Friederichs GmbH ausweislich des im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschlusses einen Verlust von rund 70.000 Euro. Ausgerechnet 2022, nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, hatte das Unternehmen seine Gaslieferverträge erneuern müssen – 2023 wurden die Folgen noch durch die staatliche Energiepreisbremse gedämpft, 2024 aber nicht mehr.

Dank neuer Lieferverträge seien die Energiekosten dieses Jahr wieder deutlich niedriger, sagt Schepler. Ein anhaltendes Ärgernis dagegen sei die ausufernde Bürokratie bei der Ausschreibung von Aufträgen für neue Fahrzeuge durch Behörden. Der Geschäftsführer hat eine kleine Liste mit Beispielen für die Unterlagen vorbereitet, die bei der Bewerbung um solche Aufträge eingefordert werden – unter anderem die Meister- und Gesellenbriefe aller am jeweiligen Projekt beteiligten Mitarbeiter und eine eidesstattliche Versicherung, dass das Unternehmen weder Kinder für sich arbeiten lässt noch Terroristen finanziert. Ein paar Dinge waren vor 185 Jahren eben doch einfacher.

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