Fragen & Antworten
Standdatum: 6. Oktober 2025.
Autorinnen und Autoren:
Michael Brandt
Bild: Radio Bremen
Es passiert immer wieder: Wo Gebäude verschwinden, an die wir uns gewöhnt haben, regt sich Protest. Nun steht ein Fachwerkhaus am Lesumer Marplatz im Fokus des Streits.
Was ist am Lesumer Marktplatz geplant?
Bauherr Bekim Dervishaj und Architekt Philipp Romeiser planen einen viergeschossigen Neubau, wenige Schritte entfernt von der Lesumer Kirche. Im Erdgeschoss möchte Dervishaj eine Gastronomie betrieben. Er sagt: möglicherweise tagsüber als Eiscafé, abends als Weinbar. Darüber sollen Wohnungen entstehen.
So könnte das neue Gebäude aussehen.
Bild: Radio Bremen
Das Gebäude hat ein Flachdach, das nach Aussage von Philipp Romeiser nicht über das Nachbargebäude herausragen wird. Die Frage, welche Farbe der Klinker erhalten soll, wird später geklärt. Dervishaj plant, den Neubau im Jahr 2026 umzusetzen. Zu Dervishajs Unternehmungen in Bremen gehören das „Rotkäppchen“ im Viertel sowie die beiden „Renoir“-Standorte in Walle und in Lesum.
Warum muss das alte Gebäude abgerissen werden?
Das alte Fachwerkhaus an dieser Stelle steht seit mehr als zehn Jahren leer und ist nicht zu erhalten. Es ist wohl – wenigstens in Teilen – über 250 Jahre alt. Der Lesumer Heimatverein spricht vom einem der vermutlich ältesten Gebäude im Stadtteil. Hier war zunächst ein Krämerladen ansässig, später unter anderem eine Gastwirtschaft und zuletzt bis 2014 ein Weinhandel. Der Nordbremer Investor Olaf Mosel kaufte das Gebäude, legte auch erste Entwürfe für einen Neubau vor, setzte seine Pläne für eine Gastronomie aber nicht um.
Welche Probleme hat der Lesumer Marktplatz?
Der zentrale Platz an der Hindenburgstraße leidet seit einigen Jahren immer wieder unter Leerständen. Läden, die langjährige hier beheimatet waren, mussten schließen, beispielsweise eine Fleischerei und ein Café. Andere hielten sich teilweise nur kurze Zeit an diesem Standort. Auch heute stehen hier Geschäfte leer.
Was stört die Bürger am neuen Entwurf?
Annelie Adam sammelt Unterschriften, um den Entwurf zu verhindern.
Bild: Radio Bremen
Die Bürger stören sich beim jetzigen Entwurf in erster Linie an der Gestaltung und an der Größe. Claus Jäger, Lesumer und ehemaliger Bremer Wirtschaftssenator, bezeichnet den geplanten Bau als Fremdkörper. Er sagt: „Ich kann es nicht begreifen, warum man jetzt diesen Kasten – viergeschossig, Flachdach – genehmigt.“
Auch die Anwohnerin Annelie Adam, die eine Petition gegen den Entwurf eingereicht hat, erklärt: „Wir wünschen uns in Lesum, dass hier gebaut wird, ja, aber dass hier architektonisch auch schön gebaut wird.“
Wie viele Unterstützer hat die Petition?
Nach Angaben von Annelie Adam haben bisher rund 520 Personen unterzeichnet. Mit einer Petition können sich Bürger mit der Bitte um Abhilfe an den Petitionsausschuss wenden, wo das Thema dann behandelt werden muss. Am Ende steht zwingend ein Bürgerschaftsbeschluss.
Was steht in der Petition?
Die Petition stützt sich auf eine sogenannte Erhaltungssatzung für den Lesumer Ortskern. Mit einer solchen Satzung soll in der Regel ein bestimmtes Ortsbild geschützt werden. In Bremen-Nord ist die Satzung vor rund zwei Jahren verabschiedet worden. In der Petition heißt es nun: „Ersatzbauten (…) müssen sich nach dem Ist-Zustand hinsichtlich der Geschosse und der Dachform richten.“ Die Bürger erwarten also, dass ein Neubau in den Grundzügen dem entspricht, was abgerissen wird.
Das alte Fachwerkhaus verfällt.
Bild: Radio Bremen
Was sagt der Lesumer Heimatverein?
Er ist ebenfalls gegen den Entwurf. Der Heimatverein Lesum hat eine schriftliche Stellungnahme veröffentlicht. Darin heißt es: „Die geplante Neubebauung betrifft eine historisch und städtebaulich besonders sensible Lage im Herzen unseres Stadtteils.“ Der Verein beklagt sich: „Bereits 2014 wurde durch den Vorbesitzer ein Neubau vorgestellt, der sich in seiner Fassadengestaltung am historischen Vorbild orientieren und zur Belebung des Marktplatzes beitragen sollte. Die nun vorliegende Planung weicht deutlich davon ab.“ Aus Sicht des Heimatvereins ist es nicht angebracht, an dieser Stelle eine Ausnahme von der Erhaltungssatzung zu machen.
Wird für den geplanten Neubau eine Ausnahme gemacht?
Offenbar ja. Der Entwurf an der Lesumer Kirche weicht in zwei Punkten von den geltenden Regeln in diesem Bereich ab. Erstens reicht das geplante Haus nicht von Grundstücksgrenze zu Grundstücksgrenze, sondern lässt an einer Seite eine Lücke. Zweitens sind nicht zwei Vollgeschosse geplant, sondern vier. In der Gesamthöhe überragt das Gebäude aber nicht die Nachbargebäude. So ist es einer Antwort des Senats auf eine Anfrage der FDP zu entnehmen.
Welche Position nehmen Baubehörde und Beirat im Architekturstreit ein?
In der Senatsantwort auf die FDP-Anfrage heißt es sinngemäß, dass aus Sicht der Verwaltung der Entwurf weder gegen die Belange des Denkmalschutzes verstößt, noch die städtebauliche Gestalt des Gebietes beeinträchtigen würde. Heißt: Die Verwaltung sieht etwa in der Erhaltungssatzung für das Lesumer Zentrum keinen Grund, die Genehmigung zu verweigern. Die Genehmigung liegt noch nicht vor. Investor Bekim Dervishaj rechnet aber damit. Der Beirat hat sich in diesem Jahr zweimal mit dem Vorhaben beschäftigt. Er hat mit Mehrheit zugestimmt.
Quelle:
buten un binnen.
Dieses Thema im Programm:
buten un binnen, 6. Oktober 2025, 19:30