BMW will sein Werk in Leipzig an das nationale Wasserstoff-Kernnetz anschließen. Eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichnete der Autobauer am Mittwoch (1. Oktober). Partner sind das Infrastrukturunternehmen Mitnetz Gas und der Gasnetzbetreiber Ontras. Mitte 2027 soll die Verbindung in Betrieb gehen.
Ausfahrt einer frisch lackierten Karosserie aus dem Trockner für Mehrfarb-Lackierung.
Foto: christophbusse.de für BMW AG
Premiere in Leipzig
Laut BMW ist es eine Weltpremiere: Noch nie zuvor sei eine Autofabrik mit einem Wasserstoffnetz verbunden worden. Stattdessen wird Wasserstoff, der in der Produktion zum Einsatz kommt, heute in der Regel per LKW in Druckflaschen ausgeliefert. So auch im 2005 eröffneten BMW-Werk Leipzig – zumindest noch.
„Durch die Versorgung mit einer Pipeline können wir Wasserstoff künftig in völlig neuen Dimensionen einsetzen. Das gilt vor allem für unsere energieintensiven Prozesse wie die Trockner in der Lackiererei“, erklärte Werksleiterin Petra Peterhänsel anlässlich der Unterzeichnung.
Um den Bau der rund 2 Kilometer langen Anschlussleitung samt Gasdruckregel- und Messanlage soll sich Mitnetz Gas kümmern. Das Unternehmen aus Kabelsketal im Saale-Kreis ist spezialisiert auf Modernisierung und Neubau von Netzabschnitten im Verteil- und Ferngasnetz.
Großabnehmer für das Kernnetz
Der Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) Ontras aus Leipzig soll die Verbindung der neuen Leitung mit dem geplanten Wasserstoff-Kernnetz übernehmen. Das im Juli 2024 von der Bundesnetzagentur genehmigte Kernnetz soll in seiner finalen Ausbaustufe ab 2032 rund 9.000 Leitungskilometer umfassen.
Ziel ist, industrielle Großabnehmer mit grünem Wasserstoff zu versorgen. Der Transport via Pipeline könnte dabei viel Geld einsparen – Lieferungen per LKW sind deutlich kostenintensiver. Ontras verfolgt dabei einen besonderen Ansatz: Mit seinem „Ontras H2-Startnetz“ will der FNB Industriestandorte in Berlin, Leipzig, Magdeburg, Salzgitter und Sachsen mit Wasserstofferzeugern, -Importhäfen und -Speichern in ganz Deutschland verbinden. Das Startnetz ist dabei selbst wiederum ein Element des sich sukzessive entwickelnden Kernnetzes.
Für den BMW-Standort wird Ontras eine Bestandsleitung auf Wasserstofftransport umrüsten. Damit die Umstellung keine Auswirkungen auf die Erdgasversorgung nachgelagerter Anschlussnehmer hat, will der FNB parallel eine rund acht Kilometer lange Leitung zwischen Wiederitzsch und Seehausen neu bauen. Das Ziel: Wasserstoff und Erdgas über getrennte Systeme zu transportieren. „Es ist für uns entscheidend, dass beim Aufbau des Wasserstoff-Kernnetzes auch die Versorgung bestehender Erdgaskunden in Zukunft gesichert ist“, erläutert Ralph Bahke, Geschäftsführer für Steuerung und Entwicklung bei Ontras.
Wasserstoff aus Mitteldeutschland – und perspektivisch Finnland
Unklar ist noch, woher der Wasserstoff für die neuen Netze kommen soll. In seiner Pressemitteilung nennt Ontras eine Absichtserklärung mit der Schweizer Infener AG, die einen Hub zur Wasserstoffproduktion im Norden Leipzigs plant. Darüber hinaus sei das H2-Startnetz auch für weitere Erzeuger in Mitteldeutschland attraktiv.
Langfristig könnte das BMW-Werk den Energieträger dann aus dem hohen Norden beziehen: Gemeinsam mit fünf weiteren europäischen FNB plant Ontras den Nordic-Baltic Hydrogen Corridor (NBHC). Er soll bis 2040 etwa 2,7 Mio. Tonnen „klimaoptimalen“ Wasserstoff pro Jahr aus Finnland importieren.
Dennoch verweist Ontras darauf, dass es für den weiteren Ausbau des Kernnetzes „klar erkennbare Bedarfe am Markt“ sowie „ein eindeutiges politisches Bekenntnis mit verbesserten Finanzierungsbedingungen“ brauche.
Wasserstoff in der Autoproduktion
Mit der nun geschlossenen Absichtserklärung hat Ontras nun zumindest einen potenziellen Großabnehmer für seine Wasserstofftransporte gefunden. Dabei hat der H2-Einsatz am Standort Leipzig schon Tradition: Im Oktober 2022 wurde in der Lackiererei der erste brennstoff-flexible Brenner in der Lackiererei in Betrieb genommen. Heute sind laut BMW bereits elf bivalente Brenner in der Lackiererei eingebaut. Diese können sowohl Erdgas als auch Wasserstoff verbrennen, wobei der Einsatz flexibel steuerbar ist.
Indes geht der Wasserstoffeinsatz in Leipzig noch weiter zurück: Schon 2013 nahm der Autobauer hier die ersten Brennstoffzellen-Gabelstapler und -Routenzugschlepper in Betrieb. Mittlerweile umfasst die Flotte über 230 solcher Fahrzeuge – laut BMW ein Rekord in Europa. Betankt werden diese an neun Wasserstofftankstellen in den Werkhallen – die sich bald direkt mit Wasserstoff aus dem Kernnetz füllen könnten.