Von Vegesack bis zum Bremer Hauptbahnhof – das geht fix. Normalerweise und vorausgesetzt, die Züge der Nordwestbahn fallen nicht aus. „Zwanzig Minuten und ich bin in der City“, sagt Angelo Pintus, der an diesem frühen Morgen um sieben Uhr auf dem Vegesacker Bahnhofsplatz steht und auf den Bus wartet, der ihn in die Stadtmitte zu seinem Arbeitsplatz bringen soll. Weil die Züge derzeit nicht fahren, muss der Vegesacker auf den Schienenersatzverkehr ausweichen. Zwanzig Minuten – das kann der Bus nicht schaffen. „Eine knappe Stunde muss ich für die Fahrt einkalkulieren“, sagt der Mann und steigt ein.
Haltestellenschild für den Schienenersatzverkehr am Vegesacker Bahnhofsplatz.
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Jakob Richter
Noch bis zum 14. Oktober werden die meisten Fahrten ab Farge und Vegesack mit Ersatzbussen bedient, weil es auf der Schienenstrecke Bauarbeiten gibt. „DB Infrago als Infrastrukturbetreiber der Strecke hat uns die Sperrung mitgeteilt“, sagt Steffen Högemann, Pressesprecher der Nordwestbahn. „Als Grund wurde uns die Inbetriebnahme neuer Signale, Weichen und Stellwerke genannt.“ Bereits im Juni habe die Deutsche Bahn die Nordwestbahn über die Baumaßnahme informiert, sodass die Nordwestbahn einen Plan für den Schienenersatzverkehr – kurz SEV – erstellen konnte. Wie viele Ersatzbusse zum Einsatz kommen, bemesse sich an den „vorhandenen Fahrgastzahlen und Erfahrungswerten aus vergangenen Maßnahmen“, erklärt der Pressesprecher.
In Vegesack folgt an diesem Morgen ein SEV-Bus auf den nächsten. Wer dachte, dass sich zur Rushhour an den Haltestellen Pulks von Fahrgästen bilden, die Mühe haben, vom Bus mitgenommen zu werden, sieht nun: Die wenigen Männer und Frauen, die in Vegesack den Schienenersatzverkehr nutzen, finden in den bereitstehenden Bussen mühelos einen Sitzplatz. Auch wenn im großen Schriftfeld oberhalb der Windschutzscheibe nicht als Fahrziel „Bremen Hbf“ angezeigt wird wie bei den meisten SEV-Bussen, sondern der Name des Reiseunternehmens prangt, das den Bus bereitstellt, steigen die Fahrgäste zielstrebig ein. Vorsichtshalber lieber noch schnell den Busfahrer fragen, ob die Tour auch wirklich nach Bremen-Mitte geht. Geht sie.
Pendler, die derzeit nicht mit dem Zug fahren können, nutzen den Schienenersatzverkehr.
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Jakob Richter
Es ist 7.09 Uhr und die Fahrt Richtung Bremer Hauptbahnhof beginnt. „Ich ärger mich aber, dass sie so lange dauert“, macht eine Mitfahrende ihrem Unmut Luft. Ihren Namen möchte sie in der Zeitung nicht abgedruckt sehen. Ein Bus ist weg, der nächste steht schon bereit. 7.24 Uhr hat die Fahrplaner-App für diesen Bus als Abfahrtszeit angekündigt. „Die Busse sind pünktlicher als der Zug“, erzählt Heike Pieper-Neelmeier von ihren Schienenersatzverkehr-Erfahrungen. An diesem Morgen ist sie den dritten Tag mit einem SEV-Bus unterwegs und voll des Lobes. Auch wenn es bei der ersten Fahrt „ein bisschen chaotisch mit dem Losfahren war“, berichtet sie, und die Verständigung mit dem Fahrer schwierig, „weil der kein Deutsch sprach“. Aber, sagt die Frau, die zu ihrer Arbeitsstelle in Oslebshausen unterwegs ist, „die Mitfahrenden helfen sich gegenseitig“. Sie sei jedenfalls guter Dinge, dass es mit dem Schienenersatzverkehr gut laufe, sagt Heike Pieper-Neelmeier noch und steigt ein. Sitzplätze zur Auswahl gibt es reichlich.
Dass sich der Andrang beim Pendeln zur Arbeitsstelle in Grenzen hält, kann auch daran liegen, dass ab diesem Tag zwischen Bahnhof Burg und dem Hauptbahnhof auch wieder Züge der Linien RS1 und RS2 im Einsatz sind und von den Pendlern genutzt werden. Das war in den Baustellentagen vom 2. bis zum 6. Oktober anders. Da fuhr kein Zug. Und an diesen Tagen, berichten Fahrgäste, seien die Busse des Schienenersatzverkehrs zuweilen „proppenvoll“ gewesen. Da habe man sich gefreut, wenn es noch eine Lücke für einen Stehplatz gab. Dagegen läuft es heute mehr als geschmeidig. Die Fahrgäste kleckern eher in die Busse, als dass sie drängen. „Vielleicht nutzen manche auch die Busse und Straßenbahnen der BSAG“, vermutet jemand. „Oder die Leute sind aufs Auto umgestiegen. Sieht man ja, wie viel hier auf den Straßen los ist.“ Tatsächlich ist der SEV-Bus – inzwischen in Walle angekommen – nun eher im Zuckeltempo unterwegs. Ein bisschen „Stop and Go“ gibt es auch auf den letzten Metern vor dem Hauptbahnhof-Haltepunkt „Hugo-Schauinsland-Platz“. Dann hat der Schienenersatzverkehr sein Ziel erreicht. Nach einer Stunde Fahrzeit und somit etwas länger als in der Fahrplaner-App angekündigt: nämlich 53 Minuten.
Einige Züge der Nordwestbahn pendeln inzwischen wieder zwischen Bahnhof Burg und dem Hauptbahnhof. Nähere Information gibt es über entsprechende Apps im Internet.
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Carmen Jaspersen
Die Busse ersetzen die Züge und orientieren sich bei der Taktung an den Zugfahrplänen, sagt der Pressesprecher der Nordwestbahn. Über genaue Abfahrtszeiten würde das Internet inzwischen gut informieren. „Die Ersatzbusse halten an den entsprechenden SEV-Haltestellen, die im Ersatzfahrplan benannt und in den Stationssteckbriefen beschrieben sind.“ Der Bus fährt die einzelnen Bahnhöfe an, könnte aber, wenn es nach dem Wunsch der Fahrgäste geht, in Oslebshausen auf die kurvenreiche Fahrt direkt zum Bahnhof verzichten und an der Heerstraße halten. „Das würde bestimmt einige Fahrzeit einsparen.“ Dafür gibt es aber auch einzelne SEV-Busse, „die zwischen Bremen-Burg und Bremen Hauptbahnhof beschleunigt ohne Zwischenhalt in Bremen-Walle und Bremen-Oslebshausen fahren“, sagt Steffen Högemann. Die biegen bei den Stahlwerken auf die Autobahn und sind ruckzuck am Hauptbahnhof. Vorausgesetzt, es gibt keinen Stau.