Lüneburg – Sie wollte den Doktor-Titel – und ließ sich eine 130-seitige Arbeit, die offenbar als Dissertation verwendet werden sollte, von einem Ghostwriter schreiben. Weil der Studentin das Ergebnis jedoch nicht gefiel, will sie ihr Geld zurück: 16.900 Euro plus Anwaltskosten!
Vor Gericht streitet die Frau nun mit dem Schreiber – um Qualität, viel Geld und darum, ob der Vertrag sittenwidrig war.
Montag, Saal 138 im Landgericht Lüneburg: Hatice A. nimmt neben ihrem Anwalt Platz. Auf ihrem LinkedIn-Profil wirbt sie damit, „Doktorandin“ und Soziologie-Dozentin an einer Hochschule zu sein.
Die erfahrene Richterin Christina Edinger leitet die Verhandlung
Foto: Martin Brinckmann
So viel kassierte der Ghostwriter
Auf der Gegenseite ist der Ghostwriter, Herr B., nicht anwesend. Er lässt sich vertreten durch Sebastian Geidel, Fachanwalt für IT-Recht und u. a. Autor des Buches „Ghostwriter – Die Person hinter den Machern“. Der Jurist ist per Skype-Videokonferenz zugeschaltet.
Richterin Christina Edinger erläuterte den Sachstand: Im Oktober 2022 beauftragte die Studentin den Ghostwriter. 2500 Euro vereinbarte man pauschal für die Literatur-Auswertung und 120 Euro für jede fertiggestellte Seite.
Rechtsanwalt Sebastian Geidel war per Skype-Videokonferenz in den Gerichtssaal zugeschaltet
Foto: Martin Brinckmann
Zoff um 130-Seiten-Arbeit
Im März 2023 war das 130-Seiten-Werk fertig. Doch Hatice A. war nicht zufrieden, schickte Beschwerde-Mails. Der Autor reagierte angeblich nicht. Die Doktorandin reichte Klage ein.
Die Studentin sauer: „Ich habe 100 Interviews in drei Jahren geführt, transkribiert und analysiert. Meine Ergebnisse sind dann einfach so runtergerattert worden.“ Ihr Anwalt: „Das Werk ist völlig unbrauchbar. Meine Mandantin hat es überhaupt nicht verwenden können.“ Er fordert ein Gutachten über die Brauchbarkeit der Arbeit.
Richterin Edinger sieht die Sache anders: Ein Doktor-Titel habe ein hohes gesellschaftliches Ansehen, da dürfe man nicht einfach schummeln, die Dissertation müsse man laut den Uni-Regeln selbst erarbeiten.
Ist eine Doktorarbeit vom Ghostwriter sittenwidrig?
Wegen möglicher Sittenwidrigkeit (§138 BGB) gebe es hier eventuell gar keine Vertragsgrundlage. Wenn demnach der Ghostwriter keinen Vergütungsanspruch habe, gebe es umgekehrt auch keinen Erstattungsanspruch.
Die Richterin: „Wenn beide Seiten sich dieses Sittenverstoßes bewusst sind, bleiben die Leistungen, wo sie angekommen sind.“ Blöd für die Studentin: Sie hat das Geld bereits überwiesen.
Für die Richterin spricht auch vieles dafür, dass wirklich eine Doktorarbeit erstellt werden sollte: „Die Aktenlage enthält so oft das Wort Dissertation.“ Auch wären alle Anforderungen an eine abgabereife Dissertation erfüllt gewesen.
Das Landgericht Lüneburg. Am 11. November wird dort die Entscheidung verkündet
Foto: Martin Brinckmann
Die Studentin hat ihren Doktor-Traum abgeschrieben. Nach 13 Semestern hat sie sich zum Wintersemester exmatrikuliert. Ihr reiche es, dass sie bei einer internationalen Hochschule Lehrbeauftragte sei.
Die Urteilsverkündung ist am 11. November, falls sich die beiden Parteien nicht vorher doch noch vergleichen.