Die Übergänge sind fließend – zwischen Bewusstlosigkeit und Wachsein, zwischen Gut und Böse. Wilhelm Gossec weiß das, und leider kämpft er gerade mit beidem. Auf einem Steinfußboden liegend, versucht er mühsam, wieder zu Sinnen zu kommen.  Und da es ausgerechnet ein Kloster ist, in dem ihn jemand niedergestreckt hat, liegt für ihn und die Leser die Frage nahe: Treibt hier das Böse unter der Maske des Guten sein Unwesen?

Der Münchner Autor Max Bronski macht es dem Anti-Helden seiner Gossec-Krimis im Fall „Die Josephsbrüder“ mal wieder nicht leicht. Eigentlich recherchiert der Trödelhändler nur für seinen Freund Julius, dessen Firma „CatSecurity“ Probleme mit einem kirchlichen Kunden hat: Warum wurde in die Werkstatt des (fiktiven) katholischen Josephsbrüder-Laienordens im Kloster Hohenwartach (auch fiktiv, doch von der Isar-Lage her an Schäftlarn erinnernd) eingebrochen, obwohl die Sicherheitsfirma sie kurz zuvor umfassend gesichert hatte?

Die Antwort auf diese Frage darf man nicht verraten, will man nicht das Vergnügen an diesem temporeichen Krimi schmälern, mit dem sich der Münchner Sommer zumindest lesend noch ein bisschen verlängern lässt. Nur soviel: Legal ist vielleicht nicht alles, was die Brüder treiben, doch die wahren Schurken sitzen womöglich anderswo. Und dieser Handlungsstrang ist sowieso nur einer von zahlreichen, die auf nur 130 Seiten für Abwechslung sorgen.

Autor Max Bronski alias Franz-Maria Sonner über den Dächern Münchens.Autor Max Bronski alias Franz-Maria Sonner über den Dächern Münchens. (Foto: Peter Frese)

Zusammengehalten wird alles von der Bierruhe Gossecs, durch viel Genuss desselben mühsam erworben. Der Ich-Erzähler sieht sich als „zerklüftete Person“, nach einem unruhigen, auch nicht immer legal gehaltenen Leben meist erfolgreich mit der inneren und äußeren Balance ringend und trotz fehlenden Studiums mit gewählter Sprache gesegnet: „Ein großes Licht ist es bei mir nie, aber ein Lichtlein wiedergewonnen Denkens glomm schon in mir auf“, mit solchen Gedanken wacht er zum Beispiel endlich auf dem Steinfußboden auf.

Was nicht so glimmt bei Gossec, ist die Liebe: Die einzige Frau, zu der er „eine langjährige stabile Beziehung aufrechterhielt, war die Wirtin meiner Stammkneipe“. Dafür pflegt dieser Melancholiker, der höchstens noch eine erlöschende Restsehnsucht nach der Bäckerin Rosa „in ihrer duftig weißen Schürze“ kennt, jede Menge Männerfreundschaften. Was die „angejahrten Herren“ eint, sind gemeinsame Interessen: „Wenn wir beim Bier zusammensaßen, verflüssigte sich die Härte des Lebens.“

Dass auch Lonesome Cowboys gemeinsam der Einsamkeit entkommen können, spielt Max Bronski (ein Pseudonym des Schriftstellers Franz-Maria Sonner) in diesem Roman an vielen Figuren durch – vom hilfreichen Hausmeister Hugo bis zum Anarchisten-Kumpel Ludger. Mit einem „gewinnenden Assi-Charme“ gesegnet, erklärt letzterer bodenständig, was Anarchismus ist: „Anarchie ist doch nicht Freibier für alle. Sie ist ein Menschenbild. Man hilft einander doch lieber, als sich die Köpfe einzuschlagen. Eine Ordnung stellt sich dabei von selbst ein.“ Ludger weiß: „Überleben können wir nur in einer Gemeinschaft.“ Und am besten bildet sich die im Weissen Bräuhaus.

Lesungen in München

:Die Literatur-Highlights im Herbst

Von Caroline Wahl bis Ian McEwan, von Rita Falk bis Christopher Clark: Zahlreiche prominente Schriftstellerinnen und Schriftsteller stellen ihre neuen Romane, Krimis und Sachbücher im Herbst im Literaturhaus, bei der Münchner Bücherschau und andernorts vor. Ein Überblick.

Die Anarchisten zeigen, was der Handlung geradezu anarchistische Wendungen verschafft, in diesem Roman noch einige Sprengkraft und kapern eine Pegida-Demo. Auch darin sind sich die rauen Kerle mit den weichen Kernen um Gossec einig: Mit den extrem Rechten will man nichts zu tun haben.  „Warum will dieser prekäre Haufen nicht die Reichen, die Schönen, die wirtschaftlich Mächtigen zur Rede stellen?“, fragt sich Gossec. Stattdessen hetze man „hinter einem schwarzen Flüchtling her“, denn man „neidet es vor allem solchen, die selbst im Unglück sitzen“.

So einer ist Wilhelm Gossec nicht. Auch er weiß aus Erfahrung, dass Mann und man nur solidarisch durchs Leben kommt. Ein bisschen Selbsterkenntnis schadet dabei auch nicht: „Ich war und blieb ein Wurstel und Tandler mit kleinem Wirkungskreis, aber wenigstens dort war ich Herr des Geschehens.“ Und das ist ja auch schon was.

Max Bronski: Die Josephsbrüder. Edition Nautilus, 130 Seiten, 16 Euro. Lesungskonzert im Rahmen des Münchner Krimifestivals  am Donnerstag, 30. Oktober, 19 Uhr, Stadtbibliothek im HP 8