Auf einer Bühne steht eine Frau vor einem Pferd, eine weitere Frau sitzt an einem Tisch

AUDIO: Bühnenspektakel für Kinder: „Die Gänsemagd“ in der Staatsoper (3 Min)

Stand: 07.10.2025 11:25 Uhr

Eine Prinzessin, eine falsche Magd und ein sprechendes Pferd bringen ein lebendiges Märchen auf die kleine Bühne der Hamburgischen Staatsoper. Die kleinen und großen Zuschauer sind als Gänse mittendrin in der Handlung. Ein Premierenbericht.

von Daniel Kaiser

Nach dem Abend für die Erwachsenen mit „Das Paradies und die Peri“ hat der neue Intendant Tobias Kratzer zum Eröffnungswochenende an der Hamburger Staatsoper auch die Märchenoper mit Musik von heute von der Komponistin Iris ter Schiphorst für Kinder ab sechs inszeniert.

„Gagagagagaga!“: Die Großen und Kleinen im Publikum sind die Gänse und sitzen schnatternd auf dem grünen Fußboden mitten im Raum. Für die Lütten ist es ganz normal, manch Opern-Mäzen bei der Premiere lässt sich ächzend auf dem Fußboden nieder und murmelt halb im Scherz etwas von Altersdiskriminierung. Die Kinder sind sofort in der Geschichte und bewundern das funkelnde goldene Haar der Prinzessin und das wiehernde Pferd.

Kostüme und Bühne wie aus dem Märchenbuch

Zwei Frauen stehen auf einer Bühne, zwischen ihnen ein Pferd

Kinderoper ist unter Tobias Kratzer Chefsache: Der neue Intendant inszenierte das Märchen selbst.

Das Märchen spielt rund um die Gänsewiese auf einer Art Steg. Da geht es dann vom Elternhaus der Prinzessin durch einen dunklen Wald mit unheimlichen Augen, die in einem Baumstamm leuchten, bis zum Schloss des Königs und des Prinzen. Man sitzt mittendrin in der Geschichte. Die Bühne und die Kostüme von Rainer Sellmaier sind wie ein Theater gewordenes Märchenbuch – so müssen Könige und ihre Gemächer aussehen. Man kann sich kaum sattsehen.

Die Prinzessin (Ida Aldrian) macht sich mit ihrer Dienerin auf zu ihrem Prinzen. Mit dabei ist auch das sprechende Pferd Falada – zwei Männer im Kostüm wie beim Kölner Karneval. Die Landschaft zieht vorbei. Sogar eine kleine Elphi ist auf die Leinwand gemalt. Die beiden Frauen schmettern zweistimmig, was für ein Abenteuer das Ganze ist.

Böse Magd wie eine Schurkin aus dem Bilderbuch

Doch unterwegs übernimmt die falsche, böse Magd ihre Identität. Sie will an ihrer statt Prinzessin und später Königin werden. Hellen Kwon spielt und singt die Magd herrlich fies mit hämischem Hexen-Lachen und finsteren Blicken – eine Schurkin aus dem Bilderbuch. Die mit dem Tode bedrohte Prinzessin muss sich als Gänsemagd verdingen. Alles scheint verloren, bis Tigran Martirossian – der wunderbar witzig augenrollende König – merkt und singt: „Hier stimmt was nicht.“

Ein vierköpfiges Orchester unter der Leitung von Claudia Chang mit Klarinette, Akkordeon, Keyboard und Cello spielt die zeitgenössische Musik von Iris ter Schiphorst. Es ist Avantgarde für Kinder. Die Lütten fremdeln keine Sekunde und lassen sich drauf ein. Die Arien und Duette haben richtiges Ohrwurm-Potenzial.

Ein Darsteller im Gebetsmantel steht vor einem Bild der Bornplatzsynagoge auf rotem Tuch.

Das Stück an den Hamburger Kammerspielen erzählt von der Zerstörung des jüdischen Gotteshauses und dem geplanten Wiederaufbau. 

Kinderoper unter Tobias Kratzer Chefsache

Tobias Kratzer, der neue Intendant, inszeniert das Märchen selbst. Kinderoper ist hier jetzt Chefsache. Bekannte Sängerinnen aus dem Ensemble stehen mit auf der kleinen Bühne. Katja Pieweck etwa spielt die Königin. Der neue Spirit bildet sich auch im herausragenden Programmheft ab: Liest man es von vorne, ist es für Kinder mit Spielen, vielen Bildern und Rätseln gestaltet. Liest man es von hinten, gibt es die Version für Große mit erhellenden und klugen Einsichten, wie der, dass das Märchen der Gebrüder Grimm auch eine metaphernreiche Geschichte vom Erwachsenwerden ist.

Vom Thriller zum Happy End

Ein Mann mit Krone steht hinter einer Tür, der sich von linke eine Frau und ein Reiter nähern

Ein Hingucker für die Besucher der „Gänsemagd“ sind die opulenten Kostüme und das Bühnenbild mit vielen tollen Details.

Gruselig ist es in der einstündigen Oper auch. Selbst als Erwachsener geht einem ein bisschen der Puls, als der Koch (Peter Galliard) mit langem Messer und summend in den Pferdestall geht und dann mit Faladas in ein Tuch gewickelten Kopf herauskommt. Die Kinder stehen den Thriller tapfer durch, kuscheln sich nur einen Tick näher an die Eltern. Zum Glück kann der Pferdekopf noch sprechen (ein herrlicher Special-Effect!), verrät die falsche Prinzessin und bringt uns zum Happy End.

„Die Gänsemagd“ in der Oper am Gänsemarkt – der Wortwitz ist kein Zufall. Diese Oper ist so liebevoll und witzig bis ins Detail gestaltet: Der schluffige, schlaksige, erst nur an Büchern interessierte Prinz; die Familiengalerie in den königlichen Gemächern, deren Bilder behutsam erklären, warum der Prinz keine Mutter mehr hat; und der König, der, seiner Mimik nach zu urteilen, auch einiges Interesse an der Mutter der Prinzessin hat. Dieses Märchen macht auch Erwachsenen auf der Gänsewiese Spaß – wenn sie nicht gerade Rücken haben.

Auf einer Bühne steht eine Frau vor einem Pferd, eine weitere Frau sitzt an einem Tisch

„Die Gänsemagd“ am Gänsemarkt: Schnattern, gruseln und lachen

Das Publikum als Gänseschar: Die frische Inszenierung an der Staatsoper macht Spaß – und liefert Musik mit Ohrwurm-Potenzial.

Datum:
28.09.2025, 16:00 Uhr
Ende:
12.10.2025
Ort:

Staatsoper Hamburg

Große Theaterstraße 25

20354

Hamburg

Telefon:
(040) 35 68 68

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