Nürnberg zählte um 1500 zu den globalen Knotenpunkten von Handel, Technik und Wissen. Seine Kaufleute beteiligten sich auch an der Expansion Europas, zeigt eine Ausstellung. Manche Aspekte des Sklavenhandels werden dabei jedoch verschwiegen.

„Am 14. August (1505) nachmittags fuhren wir zur Stadt. Da schossen sie mit Bogen und Büchsen und warfen mit Steinen auf uns … doch es war alles wirkungslos. Wir schossen an zwei Stellen Feuer in die Stadt und verbrannten viele ihrer Häuser … Wir fanden die vorher erwähnten großen Schätze, so viele, dass es mir unmöglich ist, alles aufzuzählen. Gott sei ewig Lob, Ehre und Ruhm, Amen.“

So beschrieb ein gewisser Balthasar Springer die Eroberung der Stadt Kilwa Kisiwani an der Küste des heutigen Tansania. „Wir“ – das war eine portugiesische Flotte von 22 Schiffen unter dem Kommando von Francisco de Almeida, die sich anschickte, den kurz zuvor von Vasco da Gama entdeckten Seeweg nach Indien durch die Anlage von Stützpunkten abzusichern. Weil das ökonomische Perspektiven eröffnete und dabei auch Eroberungen und lukrative Plünderungen zu erwarten waren, hatten die großen Handelshäuser der Hirschvogel, Imhoff und des Nürnberger Zweiges der Welser in die Ausrüstung von drei Schiffen investiert und ihnen Springer als Anwalt ihrer Interessen mitgegeben.

Der Erfolg des Unternehmens ist nur eines von vielen Beispielen, mit denen das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg die Rolle der mächtigen Reichsstadt an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit in der Weltwirtschaft vorführt. „Nürnberg Global 1300–1600“ heißt die Sonderausstellung, und sie hat es in sich, zum einen, was die Güte der gezeigten Objekte angeht, zum anderen, wie sie sich aus unterschiedlichen Perspektiven zu Bildern zusammenfügen, die Vergleiche mit der Gegenwart provozieren. Denn Nürnberg war ein Zentrum der Technologie, des Handels und des Wissens, eingebunden in globale Netzwerke.

Mit etwa 40.000 Einwohnern zählte die fränkische Metropole zu den größten Städten des Heiligen Römischen Reiches. Ihr Wohlstand gründete vor allem auf der Innovationskraft und Erfahrung ihrer Handwerker, die die Garantiemarke „N“ zu einem international anerkannten Qualitätsausweis gemacht hatten.

Wichtigste Produkte waren Metallwaren aller Art, erzeugt von Spezialisten in mehr als 80 verschiedenen Einzelberufen, in denen mehr als 2000 Meister tätig waren. Das Spektrum reichte von Körperharnischen, die beinahe in Großserie hergestellt wurden, bis zu individuell gefertigten, höchst komplexen Rüstungen aus Platten und Ringen, über Gold- und Silberschmiedearbeiten bis hin zu feinmechanischen Instrumenten. Daneben existierte ein Luxussegment, das exklusivste Wünsche befriedigte.

Das trieb die internationalen Beziehungen an. Metalle wie Silber, Kupfer, Eisen, Zinn, Zink mussten in großen Mengen importiert werden, was einheimische Unternehmer zur Investition in den Bergbau motivierte. Im Gegenzug machten Nürnberger Qualitätsprodukte als internationale Handelswaren Furore, mit denen portugiesische und spanische Kaufleute in Übersee ihre Geschäfte machten.

Über Venedig wurde das Osmanische Weltreich beliefert, aus dem Textilien, Antiquitäten, Manuskripte und Pflanzen ihren Weg nach Franken fanden. Das hinderte Nürnberg indes nicht, sich als einzige Stadt des Heiligen Römischen Reiches 1529 aktiv an der Verteidigung Wiens gegen die Türken zu beteiligen.

Mit dem Handel mehrte sich das Wissen in vielfältiger Weise. Dessen Aufschwung illustriert ein Beispiel aus der Werkstatt des Nürnberger Kommunikationsgenies Albrecht Dürer. Sein berühmter Holzdruck eines „Rhinocerus“ (1515), das ein indischer Fürst einem portugiesischen Gouverneur zum Geschenk gemacht hatte und das – zur Gabe an den Papst umgewidmet, 1516 vor der Küste Liguriens ertrank, bezeugte den Europäern nicht nur, dass es die Wunder Indiens wirklich gab. Sondern die Darstellung Dürers wanderte wieder hinaus in die Welt, wo sie am Ende des 16. Jahrhunderts als Vorlage für ein Groteskenprogramm in einem Palast in Tunja in Kolumbien diente.

Auch ein anderes Blatt Dürers bezeugt Nürnbergs Position in einem vielschichtigen globalen Netzwerk: Anfang des 17. Jahrhunderts nahm sich ein Miniaturenmaler am Hof des Großmoguln in Indien den „Evangelist Johannes an der Kreuzigung“ (1511) zum Vorbild.

Doch als weltweit tätiger Akteur geriet Nürnberg auch auf die Schattenseiten von Europas Aufbruch in die Welt. Das spiegelt der Bericht, den der Stadtarzt Hieronymus Münzer über seine Reise auf die Iberische Halbinsel 1494/95 verfasste. Zwei Jahre zuvor hatte Christoph Kolumbus im Westen des Atlantiks Land entdeckt. Kurz vor Münzers Aufbruch teilte Papst Alexander VI. im Vertrag von Tordesillas die Welt in eine spanische und eine portugiesische Einflusssphäre. Münzer, der in Nürnberg zum Mitarbeiterkreis um Hartmann Schedels „Weltchronik“ gehörte, bekam Zugang zu den iberischen Königshöfen und erfuhr viel über die laufenden und geplanten Kolonialunternehmungen in Übersee.

Dabei wurde der Arzt in Valencia auch Zeuge des Sklavenhandels: „In einem Haus sah ich Personen beiderlei Geschlechts, die zum Verkauf bestimmt waren, auch Kinder und Knaben. Sie waren von Teneriffa, einer der Kanarischen Inseln … Es gab einen Kaufmann aus Valencia, der in einem Schiff 87 herbeibrachte, von denen 14 starben … Ich sah viele Gefangene in Eisenketten und hinter Gittern, die zu sehr harten Arbeiten gezwungen wurden.“ Das sollte bald in gänzlich anderen Größenordnungen Schule machen, als die Europäer daran gingen, mit Millionen afrikanischer Sklaven ihre Plantagen und Bergwerke in der Neuen Welt zu betreiben.

Über den sogenannten atlantischen Dreieckshandel wird oft übersehen, dass Gewalt auch im Indischen Ozean das entscheidende Mittel war, mit dem Europa seine Expansion vorantrieb. Dafür steht zum Beispiel der eingangs zitierte Bericht des Balthasar Springer über die Eroberung des Hafenstadt Kilwa im Jahr 1505. Weil sich an der Finanzierung der portugiesischen Flottenexpedition auch drei Handelshäuser aus Nürnberg beteiligten, wird das im üppigen Katalog der Ausstellung als Beispiel präsentiert, dass sich auch Deutsche an dieser brutalen Form der „europäischen Weltnahme“ beteiligten.

Wie dieses Unternehmen im postkolonialen Diskurs zu deuten ist, erklären die beiden Historiker Elgidius E. B. Ichumbaki und Dominicus Z. Makukula von der Universität Daressalam. Danach war Kilwa eines von zahlreichen blühenden Gemeinwesen an der „Suaheli-Küste“ (Swahili-Küste), dem Küstenstreifen zwischen Somalia und Mosambik. In der Stadt lebten bis zu 20.000 Menschen unterschiedlicher Ethnien zusammen, meistenteils Muslime. Kilwa gehörte zu den „Hauptakteuren im internationalen Handel“ in Ostafrika und nach Indien, das durch die Monsunwinde leicht zu erreichen war.

Der Reichtum Kilwas gründete auf der „Kontrolle über den lukrativen Goldhandel“ sowie über „den Handel mit ,exotischen Gütern‘ wie Duftharzen, Gewürzen, Schildkrötenpanzern, Kokosöl, Mangrovenstangen, Ebenholz, Tierhäuten und Mineralien“, schreiben Ichumbaki/Makukala in ihrem Katalogbeitrag und klagen an: Um sich diese Ressourcen anzueignen, „arbeiteten portugiesische und deutsche Akteure in ihrem imperialistischen Streben nach Eroberung und Ausbeutung zusammen“. Daher täten Deutschland und Portugal gut daran, „die damaligen Gräueltaten in Ostafrika anzuerkennen und konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um die Kluft im Entwicklungsstand zu beseitigen“.

Dieser Schulterschluss mit der postkolonialen Theorie wirft allerdings Fragen auf. In seinem „Handbuch Geschichte der Sklaverei“ charakterisiert der Historiker Michael Zeuske Kilwa nämlich als „einen der wichtigsten Sklavenhäfen Ostafrikas“. Der Handel lag in den Händen von Arabern und Muslimen, die ab dem 16. Jahrhundert vor allem in den islamischen Großreichen der Osmanen, Safawiden im Iran und der Großmoguln in Indien zahlungskräftige Abnehmer in großem Stil fanden.

Zwar haben sich auch Portugiesen und später Niederländer, Franzosen und Briten in dieses sklavistische System gedrängt. Aber das Gros als Lieferanten und Kunden machten – ganz anders als im atlantischen Dreieckshandel – die Anrainer des Indik aus. Denn Menschenraub und -handel waren schon lange vor dem Auftauchen der Europäer um den Indischen Ozean etabliert. Der arabische Reisende Ibn Battuta, der 1331 Kilwa besuchte, berichtet, dass dessen Sultan „häufig Raubzüge in das Land der Zanj unternimmt“. Als Zanj wurden in arabischen Quellen Sklaven genannt, die bereits im 9. Jahrhundert in großer Zahl aus Ostafrika ins Arabische Weltreich gehandelt wurden.

Nach Ibn Battuta machten „Zanj von sehr schwarzer Hautfarbe“ den Großteil der 10.000 bis 20.000 Einwohner Kilwas aus. Wenn der Südasien-Historiker Michael Mann in seiner „Geschichte des Menschenhandels um den Indischen Ozean“ konstatiert, dass „ohne Sklaven in den dortigen Gesellschaften Wirtschaft, Handel, Militär und Verwaltung kollabiert (wären) oder hätten nur mit großen Einschränkungen aufrecht erhalten werden können“, dann scheint die Vermutung nicht aus der Luft gegriffen zu sein, dass der Reichtum Kilwas auch vor 1505 nicht zuletzt auf Menschenraub gründete. Dies zu verschweigen, macht Anklageschriften, wie sie jetzt der Katalog der Nürnberger Ausstellung bietet, nicht überzeugender.

Nürnberg Global 1300–1600“, Germanisches Nationalmuseum, bis 22. März 2026

Schon in seiner Geschichts-Promotion beschäftigte sich Berthold Seewald mit Brückenschlägen zwischen antiker Welt und Moderne. Als WELT-Redakteur gehörte die Frühe Neuzeit zu seinem Arbeitsgebiet.