Stand: 07.10.2025 12:12 Uhr

Amanal Petros ist Hannovers neuer Leichtathletik-Star. Bei der WM im September wurde er Vize-Weltmeister im Marathon. Mit dem NDR Niedersachsen sprach er über den Erfolg, den Weg dorthin und die nächsten Ziele.

von Yannic Wittenberg

Mit der WM-Silbermedaille im Marathon hat Amanal Petros deutsche Sportgeschichte geschrieben. Am Montagabend bereitete ihm sein Verein Hannover 96 einen gebührenden Empfang – dem NDR Niedersachsen erzählte er am Rande, was sich verändert hat und wie es weitergehen soll.

Herr Petros, es ist noch keinen Monat her, seit Sie in Tokio WM-Silber im Marathon gewonnen haben. Wie hat sich Ihr Leben seitdem verändert?

Petros: Ich bin mehr motiviert durch die ganze Aufmerksamkeit. So, dass ich sogar manchmal denke: Wow, ich kann noch mehr. Also, es ist nicht nur diese Vizeweltmeisterschaft, sondern ich kann sogar auch bei Olympia ganz vorne sein. Das pusht mich ziemlich nach vorne. Aber ich versuche auch locker zu bleiben. Ich genieße die Aufmerksamkeit und blicke einfach erstmal nach vorne.

Amanal Petros stürzt über die Ziellinie.

Der deutsche Marathonläufer Amanal Petros hat bei der Leichtathletik-WM in Tokio für eine Riesenüberraschung gesorgt: In einem packenden Rennen wurde er nur hauchdünn geschlagen Zweiter.

Der Zieleinlauf war unfassbar knapp, mit einem Fotofinish nach über 42 Kilometern. Ärgert es Sie noch, dass Sie Platz eins so hauchdünn verpasst haben?

Petros: Das war erstmal natürlich ärgerlich, besonders bei der Siegerehrung. Aber am Ende des Tages war ich wirklich sehr, sehr froh, dass ich überhaupt die Silbermedaillen geholt habe. Ursprünglich hatte ich mit meinen Trainern so für die Top Acht geplant – und kam dann mit einer Silbermedaille nach Deutschland zurück. Was soll ich sagen? Ich war der glücklichste Mensch überhaupt.

Wie sind Sie eigentlich zum Marathon gekommen?

Marathonläufer Amanal Petros im Stadion von Hannover 96

2019 ist Amanal Petros zum ersten Mal Marathon gelaufen.

Petros: Gestartet habe ich als Bahnläufer, bin also drei-, fünf- und zehntausend Meter gelaufen. In der deutschen Spitze war ich nicht schlecht, immer so Top Drei. Ich denke, die Entscheidung kam dann 2019 nach der militärischen Weltmeisterschaft in Wuhan. Ich hatte meinem alten Trainer und dem damaligen Bundestrainer gesagt, dass ich Marathon laufen möchte. Mein Trainer war anfangs nicht einverstanden, aber ich konnte ihn überzeugen. Gott sei Dank! Zum ersten Mal bin ich dann in Valencia 2019 Marathon gelaufen.

Sie sind im Alter von 16 Jahren alleine nach Deutschland gekommen. Wie war es in Ihrer Heimat Äthiopien damals?

Petros: Es war damals keine leichte Zeit in Äthiopien. Die politische Situation war angespannt. Umso mehr freue ich mich jetzt, dass ich nach diesem Erfolg auch nach vorne schauen kann und nicht so sehr zurückblicken muss. Es war eine sehr gute Entscheidung von mir, hierher zu kommen.

Hat Ihnen der Sport geholfen, in Deutschland anzukommen? Sie haben ja zunächst Fußball gespielt…

Petros: Die Anfangszeit in Deutschland war nicht einfach. Mentalität und Kultur sind im Vergleicht zu Äthiopien ganz anders. Das Wichtigste für mich war, Leute kennenzulernen und die Sprache zu lernen. Das hat auch ziemlich gut geklappt, besonders als ich mit Fußball angefangen habe. Ich hatte nicht den Traum, bei Bayern München oder bei 96 zu spielen. Ich wollte einfach nach draußen gehen und Menschen kennenlernen. Dann bin ich beim Laufen gelandet und das hat mich zu diesem Moment gebracht. Dafür bin ich wirklich sehr, sehr dankbar.

Sie haben die Silbermedaille Ihrer Mutter gewidmet, die immer noch in Äthiopien lebt. Wie blickt sie auf Ihre Karriere?

Petros: Am Anfang hat sie nicht genau verstanden, was ich tue. Aber ich hab´s ihr die letzten Jahre immer wieder erklärt. Jetzt nach der WM habe ich ihr auch ein paar Videos geschnitten und zugeschickt. Sie war sehr froh. Man hat ihr angesehen, dass sie wirklich glücklich ist, sie hat richtig gestrahlt.

Ist es richtig, dass Sie ihre Mutter mehrere Jahre lang überhaupt nicht gesehen haben?

Petros: Ja, es war eine Zeit lang ziemlich heftig mit dem Bürgerkrieg in Äthiopien. Acht Jahre lang habe ich meine Mama nicht gesehen – das erste Mal wieder nach Olympia in Paris. Ich bin ein sehr vorsichtiger Mensch und möchte nicht riskieren, nach Äthiopien zu fliegen.

Sie sind in Hannover bei 96 angekommen und wurden mit Applaus als Vizeweltmeister empfangen. Was bedeutet Ihnen Hannover persönlich und für den Trainingsalltag?

Petros: Mittlerweile ist es meine Heimat. Ich habe so viele Freunde hier. 96 ist für mich nicht wie ein Arbeitgeber, sondern wie eine Familie. Wir kommunizieren wirklich ständig und es funktioniert sehr gut. Wir sind ziemlich erfolgreich.

Video:
Marathonläufer Petros – „Habe ein anderes Leben in Deutschland gegründet“ (4 Min)

Das Interview führte Yannic Wittenberg

Amanal Petros posiert mit der Silbermedaille im Marathon bei der Leichtathletik-WM in Tokio.

Hinter dem Erfolg von Amanal Petros steht eine bewegende Geschichte – und ein Zeichen dafür, was Zusammenhalt und Integration bedeuten können.

Amanal Petros beim Hannover-Marathon

Der in Eritrea geborene deutsche Rekordhalter unterbot bei seinem Sieg in Hannover seinen eigenen Streckenrekord und lief zum Meistertitel.