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Länger arbeiten, mehr einzahlen und sich bei der Altersvorsorge „einbringen“. Im Merz-Kabinett scheint die CDU eine Vision zu verfolgen. Trotz Koalitionsvertrag-Versprechen. Eine Analyse.
Berlin – Herbst der Reformen: Für Bürgergeld und Digitalisierung haben Bundeskanzler Friedrich Merz und sein Kabinett konkrete Pläne. Eine Reform für die Rente lässt noch auf sich warten. Dabei haben der Kanzler und auch andere Mitglieder der schwarz-roten Regierung in den vergangenen fünf Monaten an unterschiedlicher Stelle gesagt, in welche Richtung es gehen soll. Eine Analyse der Frankfurter Rundschau von Ippen.Media.
Bundeskanzler Friedrich Merz und Wirtschaftsministerin Katherina Reiche plädieren für länger Lebensarbeitszeiten. © IMAGO/ dtsNachrichtenagentur/ Bernd Elmenthaler
Zuerst: Worauf haben sich CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag geeinigt? Dass das Renteneintrittsalter in der Legislaturperiode nicht angehoben wird. „Statt einer weiteren Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters wollen wir mehr Flexibilität beim Übergang von Beruf in die Rente. Dabei setzen wir auf Freiwilligkeit. Arbeiten im Alter machen wir mit einer Aktivrente attraktiv“, heißt es in dem Vertrag. Bis 2031 soll das Rentenniveau auf 48 Prozent gehalten werden.
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Doch eben genau dieser Ansatz wird etwa von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) infrage gestellt. Für sie sei klar: „Wir müssen mehr und länger arbeiten“, sagte sie in einem FAZ-Interview im Juli. Der wissenschaftliche Beraterkreis der Ministerin, zu dem etwa auch Wirtschaftsweise Veronica Grimm gehört, veröffentlichte jüngst ein Papier, in dem sie auf eine Reform beim Renteneintrittsalter pochen: „Das Renteneintrittsalter muss an die Lebenserwartung gekoppelt werden.“ Die Rente mit 63 sei wiederum abzuschaffen, heißt es in dem Vorschlagspapier. Die Wissenschaftler nehmen als positives Vergleichsbeispiel das Rentensystem im Nachbarland Dänemark, wo das Renteneintrittsalter kontinuierlich steigt: Bis 2040 auf 70 Jahre.
Und wenn nicht länger, dann wird es auf jeden Fall teurer. Das ist zumindest das Fazit, zu dem Bundeskanzler Merz kommt. In einem Interview in der ARD sagte er: „Unsere Bevölkerung wird für Rente, für Altersversorgung, unsere Bevölkerung wird für die Rente (…) und für die Pflege in Zukunft mehr vom verfügbaren Einkommen aufwenden müssen.“ Das könne er „ganz grundsätzlich“ sagen.
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An der Renteneintrittsalter-Schraube würde der Kanzler ebenfalls drehen, wenn es nach ihm gehe. Allerdings nicht pauschal: „Jemand, der mit 17 anfängt und bis 67 arbeitet, hat 50 Jahre gearbeitet“, sagt Merz in der ARD. Eine Person, die studiere, gehe vielleicht erst mit 30 Jahren in den Arbeitsmarkt. Dass in dem Beispiel beide Menschen zur gleichen Zeit in Rente gehen können, findet Merz nicht in Ordnung: „Die Rentenbezugsdauer sollte in besserer Relation stehen zu den Leistungszeiten, in denen man eingezahlt hat.“
Koalitionspartner SPD drängt auf einen anderen Weg: Rente auch für Beamte
Inwieweit sich das deutsche Rentensystem unter der aktuellen Regierung verändern könnte, hängt dabei stark von der SPD ab. Die scheint in Debatte nicht ganz auf einer Wellenlänge mit den Koalitionspartnern zu sein. Vizekanzler und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hatte den Vorschlag der Wirtschaftsministerin als „Schlag ins Gesicht für viele“ bezeichnet, der sich insbesondere auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, mit körperlich anstrengende Jobs, nicht anwenden ließe.
Klingbeils Parteikollegin und Arbeitsministerin Bärbel Bas wiederum sieht eine Reformchance an anderer Stelle: „Wir müssen mehr Leute an der Finanzierung der Rentenversicherung beteiligen.“ Sie plädiert für eine Rente, in die alle einzahlen. Auch Beamte, Abgeordnete oder Selbstständige. Die Arbeitsministerin sagte in einem Sommerinterview, dass es Ergebnisse zum Thema Renteneintrittsalter und Rente für alle wohl erst 2026 oder 2027 geben wird. Die Vorschläge werden in einer Rentenkommission diskutiert.
Aus der Opposition ist es währenddessen insbesondere die CDU, die Kritik einsammelt. Ines Schwerdtner, Vorsitzende der Partei Die Linke, sagt zur Debatte: „Spahn und Reiche sind Teil einer abgehobenen Politik-Elite und haben den Kontakt zu den hart arbeitenden Menschen längst verloren. Wer täglich hart schuften muss, kann nicht bis 67 oder gar 70 arbeiten. Wenn CDU-Politiker nun die Rente mit 70 fordern, dann fordern sie eine Rentenkürzung für alle, die sich kaputt geschuftet haben und vorzeitig den Job quittieren müssen. Deshalb muss die Regelaltersgrenze wieder bei 65 Jahren liegen.“ Die Linke fordert, Rente an der Anzahl der Arbeitsjahre zu bemessen. „Wer 40 Jahre lang gearbeitet und Beiträge gezahlt hat, soll ab 60 abschlagsfrei in Rente gehen können.“ (Quelle: Eigene Recherche/Bundesregierung/FAZ/ARD/Funke)