In der Regel ist es kein großes Problem, übersinnlich angehauchte Slasher immer weiter fortzusetzen. Der Killer wurde am Ende des Vorgängers erst enthauptet und dann verbrannt? Kein Problem, irgendein Grund findet sich immer, warum ein Jason Voorhees, Michael Myers oder Victor Crowley doch noch einmal zurückkehrt. Aber im Fall von „The Black Phone“ ist die Lage etwas komplizierter: Schließlich ist hier nicht der kindermordende, im Finale mit einer Telefonschnur erdrosselte Greifer (Ethan Hawke) das fantastische Element, sondern stattdessen die Art und Weise, wie er zur Strecke gebracht wird: Während der ebenfalls entführte Finney (Mason Thames) am titelgebenden Telefon mit den toten Opfern des Greifers spricht, sieht seine nach ihm suchende kleine Schwester Gwen (Madeleine McGraw) in ihren Träumen zukünftige Ereignisse voraus.

Aber „The Black Phone“ hat bei seinem Kinostart 2021 trotz anhaltender Corona-Beschränkungen das Zehnfache (!) seines Budgets eingespielt – und so haben sich „Doctor Strange“-Regisseur Scott Derrickson und sein Stamm-Co-Autor C. Robert Cargill verständlicherweise besonders angestrengt, um doch noch einen Weg zu finden, die Story des Greifers (und seiner ikonisch auf den Postern prangenden Teufelsmaske) über die ursprüngliche Kurzgeschichte von Joe Hill hinaus auszudehnen. Das Ergebnis ist ein Mashup des Achtzigerjahre-Horrorkinos: „Black Phone 2“ nimmt nicht nur das Feriencamp-Setting aus „Freitag, der 13.“ (samt im See versenkter Kinder), sondern fühlt sich am Ende auch fast mehr wie ein „Nightmare“-Spin-off als ein „Black Phone“-Sequel an.

Passend zum eingeschneiten Feriencamp-Setting trägt der Greifer (Ethan Hawke) im Sequel eine besonders eisige Maske…

Universal Pictures

Passend zum eingeschneiten Feriencamp-Setting trägt der Greifer (Ethan Hawke) im Sequel eine besonders eisige Maske…

1982: Vier Jahre, nachdem er die jungen Opfer des Greifers gerächt und den maskierten Serienmörder unter die Erde gebracht hat, ist Finney noch immer nicht über die Geschehnisse hinweg. Wer ihn auf dem Pausenhof provoziert, wird brutal zusammengeschlagen – und zuhause versucht der Teenager, seine ihn immer wieder heimsuchenden Traumata mit Joints zum Schweigen zu bringen. Aber dann wird Gwen erneut von erschreckend real wirkenden Albträumen erschüttert, in denen nicht nur mit einer Axt erschlagene und unter einer Eisschicht versenkte Kinder eine Rolle spielen.

Viel schwerer wiegt, dass auch ihre gemeinsame Mutter, die sich vor sieben Jahren in der Garage erhängt hat, in den Visionen vorkommt: Sie meldet sich aus dem Jahr 1957 am Telefon – und zwar aus dem christlichen Feriencamp, in dem sie einst als Lagerbetreuerin gearbeitet hat. Finney und Gwen melden sich selbst für einen Ferienjob, um der Sache auf den Grund zu gehen. Aufgrund des schlimmsten Schneesturms seit 1946 sind sie schließlich jedoch fast allein im Camp – und auch der Greifer, jetzt mit vereister Maske, steckt offensichtlich irgendwie in dem Mysterium mit drin…

Erst erklären, dann gruseln

Es gibt eine ganze Reihe von neuen Nebenfiguren, mit Demián Bichir („The Hateful Eight“) als Campleiter oder Arianna Rivas („Working Man“) als dessen Tochter teils sogar prominent besetzt, die innerhalb der eigentlichen Story kaum etwas zu tun bekommen. Vielmehr wirkt es so, als ob durch das Verteilen auf viele verschiedene Schultern vor allem verschleiert werden soll, wie viel Expositions-Arbeit hier eigentlich geleistet werden muss, um das „Black Phone“-Franchise von Serienkiller-Thriller auf Freddy-Krueger-Gedächtnis-Horror umzutopfen. Zumal auch noch Ereignisse aus dem Vorgänger neu aufgerollt werden, was zwar den einen oder anderen Twist beisteuert, aber etwa im Fall des Selbstmords der Mutter auch auf Kosten des emotionalen Punches des Originals geht.

Doch selbst, wenn das jetzt erst mal negativ klingt, nimmt man die großzügig eingestreuten Erklärbär-Momente gerne in Kauf, denn die neue Ausrichtung rockt insgesamt doch ziemlich gut rein: Auch ohne skalpellscharfe Scherenhände und sadistische Sprüche gibt Ethan Hawke einen überzeugenden Freddy-Krueger-Wiedergänger ab – wobei inszenatorisch vor allem der nahtlose Übergang zwischen Traumwelt und Realität für allerlei frische Einfälle sorgt. Sowieso sieht „Black Phone 2“, der mit seinem eingeschneiten Setting ironischerweise mehr an die Atmosphäre des PlayStation-Slasher-Games „Until Dawn“ erinnert als der dazugehörige Kinofilm, einfach unfassbar gut aus: Gerade die nächtlichen Szenen auf einem vereisten Bergsee entfalten gerade für einen Horrorfilm eine ungeahnte Epik und Schönheit …

Schauplatz Feriencamp: Auch Jason Voorhees hätte hier vermutlich seine helle Freude gehabt!

Universal Pictures

Schauplatz Feriencamp: Auch Jason Voorhees hätte hier vermutlich seine helle Freude gehabt!

… und bilden damit den perfekten Kontrast für die dem Look alter Heimvideo-Aufnahmen nachempfundenen Traumsequenzen: Schon in seinem erfreulich fiesen Horror-Durchbruch „Sinister“ hat Scott Derrickson mit dem Super-8-Look vermeintlicher oder tatsächlicher Snuff-Videos experimentiert – und auch in „Black Phone 2“ verfehlen die verrauschten Aufnahmen samt knarzender Tonspur ihre verstörende Wirkung nicht. Mitunter erinnert das an die damals auf dem Schulhof kursierende VHS von „Tanz der Teufel“, bei der vor allem die besonders verstörenden Stellen besonders abgenutzt waren.

Nebenbei hat dieser verrauschte Traumsequenzen-Look, bei dem man schon das allermeiste zu erkennen glaubt, aber auch den Vorteil, dass sich „Black Phone 2“ einiges traut, was man in einem Mainstream-Horrorfilm mit superscharfer Digitaloptik sonst eher nicht erwarten würde – gerade was auch Gewalt gegen Kinder angeht: In einer besonders „erinnerungswürdigen“ Szene reckt ein Geisterjunge seinen von Narben überzogenen Kopf in die Camphütte hinein, bevor ihm das halbe Gesicht von der herabschnellenden Fensterscheibe abgetrennt wird. Nun liegt es dort am Boden, eine Backe, ein Auge, der halbe Mund, verzweifelt nach Luft schnappend wie ein Fisch auf dem Trockenen.

Fazit: Es braucht ganz schön viele gesprächige Szenen, um zu erklären, warum und wie es nach dem eigentlich abgeschlossenen Ende von „The Black Phone“ jetzt doch noch weitergeht. Aber als inoffizieller „Nightmare – Mörderische Träume“-Ableger macht der teilweise ganz schön verstörende „Black Phone 2“ vor allem visuell unglaublich viel her – und speziell der sensationelle Schlittschuh-Showdown ist sogar schlichtweg atemberaubend geraten!