Zwei Frauen posieren auf dem Dach der Elbphilharmonie. Eine von ihnen sitzt im Rollstuhl.

AUDIO: Mit Checkliste durch die Elphi: Barrierefreiheit auf dem Prüfstand (3 Min)

Stand: 08.10.2025 06:00 Uhr

Der Verein Kulturperlen prüft, wie barrierefrei Hamburgs Kulturorte für Menschen mit Behinderung sind. Beim Barrieren-Check in der Elbphilharmonie zeigt sich: Barrierefreiheit ist da – aber noch nicht vollständig. Ein Interview mit den Vereins-Gründerinnen. 

Viele Kultureinrichtungen beschreiben sich selbst als „barrierefrei“ – aber welche Barrieren gibt es überhaupt und welche Informationen benötigen Menschen mit Behinderung vor ihrem Besuch? Der Verein Kulturperlen erfasst die konkreten Zugangsbedingungen an Hamburger Kulturorten mithilfe einer Checkliste und führt diese detailliert auf ihrer Website auf. Ein Team des NDR Kultur Instagram-Kanals „Matsch & Muse“ hat die Gründerinnen Kerstin und Karen bei einem Besuch der Elbphilharmonie begleitet. 

Kerstin, welche Barrieren begegnen Menschen mit Behinderungen im Kulturbereich am häufigsten? 

Zwei Frauen halten sich auf der Plaza der Elbphilharmonie auf. Eine von ihnen sitzt im Rollstuhl.

Kerstin und Karen (r.): Die Elbphilharmonie ist nur einer der Orte in Hamburg, die sie für ihren Verein Kulturperlen auf die Barrierefreiheit hin überprüfen.

Kerstin: Die häufigsten Barrieren sind sicher die, die die Mobilität einschränken. Für Rollstuhlfahrer, Menschen mit Rollator oder Kinderwagen. Aber genauso wichtig ist es natürlich, auf Barrieren zu achten, die nicht so viele Menschen betreffen: die gehörlos sind, mit einem Blinden-Führstock unterwegs sind oder mit dem Hund. Und das Ticketing ist in allen Einrichtungen ein Problem, weil man für diese besonderen Plätze die Sonderbedingungen kennen muss. Hörbehinderte zum Beispiel benötigen eine Induktionsschleife und müssen diese telefonisch buchen. Ich muss meinen Platz als Rollstuhlnutzende ebenfalls telefonisch oder per E-Mail buchen. 

Wenn du ein Theaterstück oder eine Lesung besuchst, wo wirst du in der Regel platziert? 

Kerstin: Meistens sind die Plätze für Rollstuhlnutzende am Rand, sodass man ganz außen steht und zum Teil sogar getrennt von der Person, mit der man die Kultur gemeinsam genießen möchte. Viel besser ist es natürlich, in den Reihen zu sitzen, sodass man auch gut sehen kann. Häufig sind die Plätze, die für Rollstuhlfahrer*innen vorgesehen sind, leider auch in der Sicht eingeschränkt und das geht dann gar nicht. 

Warum habt ihr euren Verein Kulturperlen ins Leben gerufen? 

Kerstin: Es gibt sehr wenig Transparenz darüber, wo welche Bedingungen herrschen. Manche Theater oder Kinos schreiben dann auf ihrer Website „Wir sind barrierefrei“. Aber was heißt denn das für wen? Oft gibt es auch nur Infos zur Ermäßigung für die Tickets, aber dann weiß ich immer noch nicht, wie ich da überhaupt reinkomme, ob es eine Toilette gibt oder ob ich die Tickets online buchen kann. Und deshalb haben wir versucht, ein Portal zu schaffen, in dem alle Bedingungen auch für die unterschiedlichen Bedarfe von Menschen mit Behinderung übersichtlich zusammengefasst sind. 

Wie ermittelt ihr die Barrieren vor Ort? 

Karen: Wir erfassen die Gegebenheiten von dem Punkt aus, wo man aus den öffentlichen Verkehrsmitteln aussteigt. Wir gucken, wo die nächste barrierefreie Haltestelle ist und gehen den Weg zur Einrichtung und hin bis in den Saal rein. Auf dem Weg dahin schauen wir, welche Barrieren oder auch Erleichterungen es für Menschen mit Behinderung gibt und notieren sie auf einer Checkliste. 

Wie steht es um die Barrierefreiheit in der Elbphilharmonie? 

Kerstin: Also für Rollstuhlnutzende sind die Bedingungen schon gut, weil man zum Beispiel nicht am Rand sitzt und es eine Auswahl an Sitzmöglichkeiten gibt. In vielen anderen Theatern oder Konzertsälen gibt es immer nur obligatorisch zwei Plätze, die sind natürlich ruckzuck weg, wenn etwas Begehrtes aufgeführt wird. 

Karen: Positiv ist auf jeden Fall, dass es in der Elbphilharmonie Bereiche mit Induktionsschleifen für Menschen mit Hörgerät gibt. Beeindruckend finde ich auch die Anzahl der Rollstuhlplätze insgesamt sowie die Anzahl der barrierefreien WCs.  

Kerstin: Ich würde mir größere Fahrstühle wünschen. Das ist aber etwas, was jetzt sicherlich nicht mehr zu realisieren ist. Aber die Fahrstühle, um hier in den großen Saal zu kommen, sind nicht gut angepasst, weil so viele Besucher*innen die Fahrstühle nutzen. 

Karen: Dem barrierefreien Angebot fehlt auch so ein bisschen die Breite: Leichte Sprache habe ich nirgends gefunden und Dolmetschen für Gebärdensprache gibt es leider auch nicht. 

Was wünscht ihr euch von Hamburger Kultureinrichtungen und darüber hinaus? 

Kerstin: Die Kulturperlen sind im Moment nicht finanziert und wir wünschen uns eine Absicherung dieser Arbeit. Hamburg hat so viele Kultureinrichtungen, und die wichtigsten haben wir jetzt erfasst. Aber es gibt in den Stadtteilen so viel Neues, zum Beispiel Festivals. Die bereits erfassten Daten müssen außerdem aktualisiert werden. Wir wünschen uns daher Unterstützung durch Hamburgs Kulturbehörde oder die Stadt Hamburg, denn es kommen viele Besucher*innen mit einer Behinderung in die Stadt, die Hamburgs Kultur barrierefrei erleben wollen. 

Karen: Fast alle Einrichtungen meinen eigentlich die Zugänglichkeit, wenn sie von „Barrierefreiheit“ sprechen. Was fehlt, ist zu sehen, was es noch alles für Bedingungen gibt, die für Menschen mit anderen Beeinträchtigungen wichtig sind. Im Zuge dieser ganzen Awarenessbewegung im Kulturbereich rückt das näher in den Fokus, das finde ich gut. Dann wird der Blick weiter, man guckt auch mal links und rechts und stellt fest: Oh, hier kann man auch mit leichter Sprache oder deutlicher Kontrastierung viel erreichen. Barrierefreiheit herzustellen ist etwas, das ganz vielen Menschen hilft – mit und ohne Behinderung. Alle haben etwas davon.

Das Gespräch führte Muschda Sherzada. 

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