Wird es angehoben oder nicht? Unionsfraktionschef Jens Spahn hat sich zum Thema Renteneintrittsalter geäußert. Am Montagabend sagte er in der ARD-Sendung „Maischberger“: „Natürlich wird auch in den dreißiger Jahren das Renteneintrittsalter schrittweise Jahr um Jahr und dann Monat um Monat weiter steigen müssen.“ Bei der Rente mit 67, die planmäßig im Jahr 2031 erreicht wird, könne es nicht bleiben.

Kurz zuvor hatte ein Beratergremium von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche ebenfalls eine längere Lebensarbeitszeit gefordert. Die Fachleute nannten das Beispiel Dänemark, wo im Jahr 2060 womöglich bis zu einem Alter von 73 Jahren gearbeitet werden muss. Denn dort wird das Renteneintrittsalter regelmäßig an die Lebenserwartung angepasst.

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Durch die fortgesetzte Debatte bewahrheitet sich der erste Teil einer Vorhersage, die Gundula Roßbach, Präsidentin der Rentenkasse, im Frühjahr im Tagesspiegel-Interview gewagt hatte. Damals sagte sie: „Meine Prognose ist, dass man in den nächsten vier Jahren über eine Anhebung für die Zeit ab 2032 diskutieren wird, die im Laufe der Legislaturperiode danach wirksam würde.“

Hintergrund ist, dass aufgrund des demografischen Wandels und wegen der steigenden Lebenserwartung die Rentenkasse in den kommenden Jahren unter massiven finanziellen Druck geraten wird. Daher stellt sich die Frage, ob die Menschen auch länger arbeiten müssen, wenn sie mehr Lebenszeit zur Verfügung haben.

Wann gehen Menschen in Rente? 

Aktuell liegt die Regelaltersgrenze bei 66 Jahren. Bis 2031 soll sie schrittweise auf 67 Jahre angehoben werden. Doch schon heute erreicht die Mehrheit diese Grenze nicht. Nur ein gutes Drittel der neuen Ruheständler hat 2024 bis zum gesetzlichen Rentenalter gearbeitet. Im Schnitt gingen die Menschen mit 64,7 Jahren in Rente – also knapp 1,3 Jahre früher. Das ist möglich, kostet aber Abschläge bei der Rentenhöhe. 2023 lag der Wert bei 64,4 Jahren, zur Jahrtausendwende bei 62,3.

Fast ein Viertel der neuen Ruheständler nutzte vergangenes Jahr die „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“, im Volksmund „Rente mit 63“. Das heißt: 238.995 Personen kamen auf 45 Beitragsjahre, etwa durch Arbeit, Erziehungszeiten oder unter bestimmten Voraussetzungen auch Arbeitslosengeld I. Sie konnten dadurch abschlagsfrei in Rente gehen.

Die Altersgrenze liegt aber nicht mehr bei 63 Jahren, sondern wird ebenfalls schrittweise angehoben, bis zu einer Zielmarke von 65 Jahren für den Geburtsjahrgang 1965 und alle Jüngeren.

In welchen Berufsgruppen wird wie lange gearbeitet?

Wann Menschen tatsächlich in Rente gehen, hängt zudem von ihrem mentalen oder körperlichen Gesundheitszustand sowie den Bedingungen ab, unter denen sie gearbeitet haben. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat dafür 2348 Personen befragt, die den Übertritt in Altersrente oder Pension bereits hinter sich haben, teilweise auch schon länger. Die folgenden Zahlen sind daher nicht direkt mit dem Durchschnittsalter von 64,7 Jahren aus dem Jahr 2024 zu vergleichen.

Mit durchschnittlich 61,8 Jahren gehen den Daten zufolge Erwerbstätige in Sicherheitsberufen wie Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst am frühesten in Altersrente. Für Beamte gelten hier Sonderregeln beim Pensionsalter. Am spätesten sind es Erwerbstätige in den Land-, Forst- und Gartenbauberufen mit 64,1 Jahren. Die in Rentendebatten häufig zitierten Dachdecker (Berufssegment Bau- und Ausbau) gehören mit durchschnittlich 63,5 Jahren nicht zu denen, die den Arbeitsmarkt besonders früh verlassen.

Fachleute weisen seit Langem darauf hin, dass von Modellen für früheren Ruhestand nicht unbedingt die Menschen in schlecht bezahlten Berufen profitieren. Denn die können sich oft nicht leisten, den Arbeitsmarkt vorzeitig zu verlassen und nur noch Rente zu beziehen – statt noch für einige Jahre ein Gehalt zu erarbeiten, mit dem sie zudem weitere Rentenpunkte sammeln.

Wie viele Menschen arbeiten neben der Altersrente weiter?

Die Zahl der noch arbeitenden Rentner und Rentnerinnen in Deutschland hat ein Rekordniveau erreicht. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts ist die Erwerbsbeteiligung der 60- bis 64-Jährigen, also der rentennahen Jahrgänge, von 50 Prozent im Jahr 2013 auf 65 Prozent im Jahr 2023 gestiegen. Bei den 65- bis 69-Jährigen erhöhte sie sich im selben Zeitraum von 13 auf 20 Prozent.

Neben dem Bezug von Altersrente arbeiten dem IAB zufolge etwas häufiger Männer als Frauen (41 versus 35 Prozent) sowie öfter Personen mit einem Studium als ohne Berufsabschluss (45 versus 32 Prozent). Mit Abstand am wichtigsten ist jedoch, ob jemand bis zum Renteneintritt gearbeitet hat: In dem Fall beträgt die Wahrscheinlichkeit über 50 Prozent, dass er oder sie weiterarbeitet. Wer nicht tätig war, ist es dann nur in 17 Prozent der Fälle.

Die Beschäftigungsart neben der Altersrente gleicht oft der früheren Tätigkeit. Wer einmal selbstständig war, bleibt das nach dem Erreichen des Ruhestandsalters. Auch das Anforderungsniveau der Tätigkeit entspricht bei drei von vier erwerbstätigen Rentnern dem vor der Rente. Reinigungskräfte sind nach dem Renteneintritt mit 92 Prozent am häufigsten im gleichen Berufssegment beschäftigt, gefolgt von Personen in Land-, Forst- und Gartenbauberufen.

Was will Schwarz-Rot ändern?

Schwarz-Rot hat sich vorgenommen, mit der Aktivrente zu fördern, dass Menschen länger im Berufsleben bleiben. Ein Gesetzentwurf soll bald ins Kabinett gehen. Die Idee ist, dass nach Erreichen des Ruhestandsalters 2000 Euro steuerfrei verdient werden können.

Allerdings würden damit gleichzeitig verschiedene Anreize gesetzt, die sich eigentlich entgegenstehen: Die Aktivrente soll dafür sorgen, dass Menschen länger arbeiten. Die abschlagsfreie Rente nach 45 Jahren macht das Gegenteil möglich.

63

Jahre beträgt der Durchschnittswert, bei dem Beamtinnen und Beamte in den Ruhestand gehen.

Ökonominnen und Ökonomen fordern seit Langem, die abschlagsfreie Rente nach 45 Jahren abzuschaffen, weil sie dem Arbeitsmarkt dringend benötigte Arbeitskräfte entzieht. Das Modell ist deutlich erfolgreicher und wird deutlich häufiger in Anspruch genommen, als bei seiner Einführung erwartet worden war.

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Die Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter im unmittelbaren Bundesbereich sind im Jahr 2023 im Schnitt mit genau 63 Jahren in den Ruhestand eingetreten. Das geht aus dem Versorgungsbericht der Bundesregierung hervor. Im Jahr 2000 hatte dieser Wert noch bei 60,1 Jahren gelegen.