So geht es nicht, fand Roland Hahn. Immer öfter werden Straße und Straßenabschnitte in Leipzig einfach stillschweigend aufgehoben, ohne dass der Stadtrat darüber selbst eine Entscheidung treffen kann. Nicht selten tauchen die Streichungen irgendwo im Begleittext von Verwaltungsvorlagen auf. Und manchmal trifft es auch Straßen, die eine lange Geschichte haben. Und die dann einfach umverlegt werden sollen, obwohl darüber nie diskutiert wurde – so wie bei der Markthallenstraße am Wilhelm-Leuschner-Platz.

Die wurde schon seit den ersten Plänen für den völlig überdehnten Wilhelm-Leuschner-Platz systematisch ignoriert, da wurde von Baufeldern gesprochen, die sich allesamt auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz befinden sollen, obwohl sie an Markthallenstraße, Brüderstraße und Grünewaldstraße liegen.

So geht das nicht, fand Roland Hahn in seiner Petition, in der er auch die Rücknahme der stillschweigenden Verwaltungsentscheidung zur Markthallenstraße forderte. „Die Benennung, Umbenennung und Aufhebung von Straßennamen setzt die Beteiligung der Ortschaftsräte bzw. Stadtbezirksbeiräte voraus und endet nachfolgend durch Beschlüsse der Ratsversammlung.

Das ist eigentlich eine allgemein bekannte Verfahrensweise, wird aber von der Leipziger Stadtverwaltung immer wieder umgangen und führt dann langzeitig zu kartografischen Fehlern, bei denen teilweise erst Jahrzehnte später ungeahnte Ausmaße von Adressproblemen entstehen. Ohne Ratsbeschluss erfahren analoge und digitale Kartenanbieter ‚nichts‘ über Straßennamen. Beispiele dafür gibt es zur Genüge.“

Nirgendwo ein Stadtratsbeschluss

Und für ihn ist der Umgang mit der Markthallenstraße, die natürlich an die einst dort stehende Markthalle erinnert, ein typisches Beispiel für diese Fahrlässigkeit.

„Der Straßenname ‚Markthallenstraße‘ wurde mit Beschluss 1783 vom 27.12.1890 vergeben. Der Bebauungsplan 392 sieht nun eine geänderte Straßenführung vor. An der Markthallenstraße liegen keine Adressen an. Aus diesem Grund kann der 1890 beschlossene Straßenname bestehen bleiben und wie im Lageplan erkenntlich, räumlich dem Bebauungsplan entsprechend, neu zugeordnet werden.“

Er hat alle mögliche amtlichen Unterlage durchblättert, aber nirgendwo wurde offiziell eine Verlegung der Straße beschlossen. „Am 1.7.2025 teilte mir das für Straßennamen zuständige Amt für Statistik und Wahlen im Zusammenhang mit meinen Bürgerhinweisen (Widerspruch gegen die Umbenennung ohne Ratsbeschluss) fingiert mit: ‘Mit Beschluss Nr. VIII-DS-00427 der Leipziger Ratsversammlung am 12.2.2025 wurde … die Markthallenstraße verlegt. …“ (Textstelle als PDF-Datei anbei).

„Dieser Satz widerspricht den amtlichen Regularien, gemäß denen für Straßennamen Ratsbeschlüsse nötig sind! Er ist zu korrigieren! (…) Gegenwärtig gibt es für die westliche Hälfte des Wilhelm-Leuschner-Platzes keinen rechtsgültigen Bebauungsplan. Auch fordert die Branddirektion Aufstellflächen für Notfälle im City-Tunnel, womit über den Verbleib der bisherigen Markthallenstraße noch gar nicht endgültig entschieden ist. Somit macht die gegenwärtige heimliche Verlegung des Straßennamens keinen Sinn! Auch sind in der Begründung zum am 5.7.2023 beschlossenen B-Plan 392 eindeutige Hinweise enthalten:

– laut Seite 82 bleibt die bisherige Markthallenstraße erhalten
– laut Seite 85 wurde über die bisherige Markthallenstr. noch nicht abschließend entschieden
– laut Seite 191 bleibt die bisherige Markthallenstr. erhalten

Zur Vermeidung weiterer solcher und ähnlicher Vorkommnisse sind sowohl für die Markthallenstraße als auch für die neun oben genannten ohne Ratsbeschluss geänderten Straßennamen zeitnah Ratsbeschlüsse nachträglich zu veranlassen und das Fachamt ausdrücklich auf korrekte Verwaltungsverfahren hinzuweisen!“

Das zuständige Amt sieht kein Problem

Das auch für die Straßennamen zuständige Amt für Statistik und Wahlen hat jetzt Stellung genommen, bleibt aber bei seiner Haltung, dass die Umverlegung der Markthallenstraße schon beschlossen sei: „Punkt 1 fordert die Annullierung der Verlegung der Markthallenstraße (Beschlussvorlage VIII-DS-00427). Als Begründung wird angeführt, dass ‚gemäß der amtlichen Regularien für Straßennamen‘ ein Ratsbeschluss nötig wäre und in der Ratsversammlung vom 12.02.2025 nicht über diesen Punkt abgestimmt wurde.

In der Beschlussvorlage VIII-DS-00427 wurde unter Punkt 2.1 die Information zur Verlegung der Markthallenstraße aufgrund der räumlichen Anpassung zum B-Plan 392 angefügt und im Lageplan kenntlich gemacht.

Der Lageplan aus der Vorlage zur Umbenennung eines Teils der Brüderstraße in Jablonowskistraße. Karte: Stadt LeipzigDer Lageplan aus der Vorlage zur Umbenennung eines Teils der Brüderstraße in Jablonowskistraße. Karte: Stadt Leipzig

Diese Verlegung der Straße wurde vorher in der AG Straßenbenennung besprochen und fachlich begründet. Wie die Planzeichnung zum B-Plan 392 aufzeigt, wird die aktuelle Fläche der Markthallenstraße zur öffentlichen Freifläche eingezogen. In diesem Zusammenhang wird diese Fläche nicht mehr für den öffentlichen Verkehr frei sein. Daher wurde sich auf die in der Beschlussvorlage dargestellte Verlegung geeinigt.

Die Straße verbleibt im ursprünglichen Areal des Leuschner Platzes, wird aber aufgrund der neuen baulichen Erfordernisse räumlich verlagert. Da es sich bei der Markthallenstraße lediglich um eine Verlegung der Straße handelt, genügt die in der Beschlussvorlage beigefügte Information darüber und es bedarf keinem zusätzlichen Beschlusspunkt.“

Ein Beschluss fehlt trotzdem

Das ist wohl schön begründet. Aber der Blick in die Straßenumbenennungsliste in der Vorlage VIII-DS-00427 vom Februar zeigt, dass weder die Aufhebung der alten Markthallenstraße noch die Neubenennung der Verlängerung der Leplaystraße in Markthallenstraße vom Stadtrat beschlossen wurde. Sie ist lediglich in der Planzeichnung so festgehalten. Beschlossen aber wurde am 12. Februar lediglich die Umbenennung eines Teils der Brüderstraße in Jablonowskistraße.

Am selben Tag wurde auch ein Teilstück des Marienweges in Zum Wackelturm umbenannt. Auch das findet Roland Hahn in der Form nicht nachvollziehbar.

Aber bislang liegt nur die ablehnende Stellungnahme des Amtes für Statistik und Wahlen zu seiner Petition vor. Der Petitionsausschuss sollte sich seine Argumentation tatsächlich genauer anschauen. Denn eine wirkliche Notwendigkeit, die Markthallenstraße jetzt erst einmal völlig aus dem Stadtbild verschwinden zu lassen, gibt es nicht. Vor Mitte der 2030er Jahre werden die von der Stadt geplanten Bauten hier nicht entstehen, die eine Umverlegung notwendig machen würden. Wenn überhaupt.