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Nicht alle Radfahrer trauen sich bei Tempo 30 auf die Straße.Selbst bei Tempo 30 trauen sich im Varreler Ortskern nicht alle Radfahrer auf die Fahrbahn. Einige Teilnehmer der verkehrskundlichen Juli-Radtour des Seniorenbeirats entschieden sich für den Gehweg. Der aber ist bald nicht mehr für Radler freigegeben. © Andreas Hapke

Künftig gilt auf der gesamten Länge der Varreler Landstraße Tempo 30. Radfahrer dürfen dann den Gehweg nicht mehr benutzen.

Radfahrer und motorisierter Verkehr müssen sich auf der gesamten Länge der Varreler Landstraße auf Tempo 30 einstellen. Die Gemeinde hatte dies am 11. September förmlich angeordnet. „Die benötigten Schilder sind bestellt, jedoch ist die Lieferung noch nicht erfolgt“, hat Lisa Hustedt, Sprecherin der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr in Nienburg, am Dienstag mitgeteilt. Die könne noch bis zu sechs Wochen dauern.

Tempo 30 im Ortskern: Kompromiss nach Verkehrsschau im Frühjahr

Sobald der Liefertermin feststeht, könne das Personal für die Aufstellung eingeplant werden. „Aufgrund der Streckenlänge wird dies dann noch ein wenig Zeit in Anspruch nehmen“, erklärt die Sprecherin. Die Anordnung der Gemeinde Stuhr beinhalte nicht nur die Aufstellung von 30 km/h-Schildern für den Verkehr auf der Fahrbahn, sondern auch die Umbeschilderung des Gehwegs, der zurzeit noch für Radfahrer frei ist. Künftig müssten demnach alle Radfahrer auf der Fahrbahn fahren. Dies gelte auch für Kinder ab elf Jahren.

Die Gemeinde hatte sich schon vor September für eine umfassende Geschwindigkeitsreduzierung auf der viel befahrenen Straße eingesetzt – etwa bei einer Verkehrsschau im März dieses Jahres. Laut der Ersten Gemeinderätin Bettina Scharrelmann hatte es seinerzeit nur zu einem Kompromiss gereicht: Tempo 30 im Bereich der Schule, vom Varreler Feld bis ungefähr 50 Meter nach der Goethestraße. Weder die Polizei noch die Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) hätten seinerzeit eine durchgängige Temporeduzierung als notwendig erachtet, sagt Lisa Hustedt.

Grundsätzlich sei dieses Einverständnis aber nicht notwendig, da die Gemeinde Anordnungsbehörde und Entscheidungsträger derartiger Maßnahmen sei, betont Hustedt. „Der Straßenbaulastträger und die Polizei werden hierzu lediglich gehört.“ Unterschiedliche Einschätzungen seien nicht unüblich, im Regelfall sei die Konsensbildung das Ziel.

Nicht alle Radfahrer trauen sich auf der Varreler Landstraße auf die Fahrbahn.Radfahrer müssen umdenken: Der Gehweg entlang der Varreler Landstraße ist bald tabu. © Andreas Hapke

Laut Lisa Hustedt verständigten sich die Teilnehmer der Verkehrsschau zusätzlich darauf, dass die Gemeinde eine digitale Anzeigetafel (Smiley) in dem Tempo-30-Bereich aufstellt, um auf die neue Höchstgeschwindigkeit hinzuweisen. Zudem sei eine quartalsweise Messung der Geschwindigkeit durch die Gemeinde Stuhr vereinbart worden. „Die Ergebnisse sollten allen zu Beteiligenden zur Verfügung gestellt werden“, erklärt die Sprecherin. Sie sollten als Grundlage für einen etwaigen Handlungsbedarf dienen. Der NLStBV würden aber – Stand 24. September – keine Zahlen vorliegen.

Nach dem tragischen Unfall am 5. September kam noch einmal Bewegung in die Sache. Ein Autofahrer war mit seinem Wagen in Richtung Delmenhorst unterwegs, von der Fahrbahn abgekommen und auf den Gehweg geraten. Dort hatte er drei Kinder und deren Mutter erfasst, wobei die Mutter und zwei ihrer Kinder verletzt wurden. Die Polizei begründete das Unglück damit, dass der Fahrer den Kurvenverlauf wegen der tief stehenden Sonne nicht habe einsehen können.

Nach diesem Unglück „wollte sich wohl niemand mehr die Blöße geben, gegen Maßnahmen zur maximalen Sicherheit auf der Varreler Landstraße zu sein“, glaubt Gerd Harthus von der Ortsgruppe Stuhr des ADFC. Sie zählt seit langem zu den Verfechtern von Tempo 30 – in Verbindung mit Piktogrammen und der Verlegung des Radverkehrs auf die Straße. Ihre Forderung hat die Gruppe nach dem Unfall untermauert.

Für deren Sprecher Wilhelm Meerkamp ist der Fußweg entlang der Varreler Landstraße ein „Gefahrenhotspot“ für Fußgänger und Radfahrer. „Dabei stehen insbesondere die Ein- und Zufahrten zu zwei Supermärkten im Mittelpunkt sowie die vielen schlecht einsehbaren Ein- und Ausfahrten zu Privatgrundstücken (Strauch-/Baumwuchs, Mauern), an denen es täglich zu Problemen beim Querverkehr (Ab- und Einbiegen) kommt“, sagt Meerkamp. Grund: Der Rad- und Fußverkehr komme „von der falschen Seite“, vermeintlich zu schnell und manchmal auch schlecht erkennbar.

Varreler Feld ist der „Goldstandard“

Was Tempo 30 und eine Verlegung des Radverkehrs auf die Straße bewirken können, beschreibt Meerkamp am Beispiel der „sehr gut gestalteten“ Straße Varreler Feld, die er als „Goldstandard“ bezeichnet: „ein merklich beruhigter Autoverkehr, entspanntes Radfahren auf einer ebenen Fahrbahn mit Fahrradpiktogrammen sowie ein ungestörter Fußverkehr auf dem Gehweg“.

So gemütlich wird es für die Radler auf der Varreler Landstraße allerdings nicht zugehen. 7 000 Autos täglich bedeuten dort ein deutlich höheres Verkehrsaufkommen als im Varreler Feld. Da traut sich nicht jeder Radler den Wechsel auf die Fahrbahn zu, wie die jüngste Radtour des Seniorenbeirats mit Wolfgang Rehling von der Verkehrswacht Grafschaft Diepholz zeigte. Rehling überließ es den rund 20 Teilnehmern, ob sie die Landesstraße oder den Gehweg mit dem Zusatz „Radfahrer frei“ wählen. Sechs Personen entschieden sich für den Gehweg.

Ähnliche Vorbehalte gegen die Nutzung der Fahrbahn gebe es auch bei Mitgliedern des ADFC Stuhr, sagt Harthus, der sich wie Meerkamp in einer Arbeitsgruppe des ADFC intensiv mit dem inzwischen beschlossenen Radverkehrskonzept der Gemeinde befasst hatte. „Einige sind strikt dagegen, auf der Straße zu fahren. Sie fühlen sich bei Tempo 50 unsicher und bleiben lieber auf dem Gehweg.“ Das wird bei durchgängig Tempo 30 nicht mehr möglich sein.

Im Hinblick auf die größtmögliche Sicherheit ordnet die Gemeinde auf immer mehr Straßen Tempo 30 an, einhergehend mit Fahrradpiktogrammen auf der Fahrbahn. Zuletzt war dies auf der Straße Stuhrbaum der Fall. Die Piktogramme zeigen den Radlern, dass sie die Fahrbahn nutzen müssen – und dem motorisierten Verkehr, dass Radfahrer dort hingehören und auf sie Rücksicht genommen werden muss.