Leipzig. Dass Trägerinnen und Träger des Leipziger Medienpreises nicht zur feierlichen Verleihung in der Medienstiftung kommen können, ist beinahe eine Konstante. Eine traurige Konstante, die die Bedeutung ihrer Arbeit und die Notwendigkeit ihrer Unterstützung nur unterstreicht. Am Mittwoch war es der mutige algerische Journalist Ihsane El Kadi, der in Abwesenheit ausgezeichnet werden musste. Mit einem Ehrenpreis für den Hamburger Journalismusforscher Michael Haller würdigte die Stiftung zudem erstmals ein Lebenswerk.

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„Ich kann nicht nach Leipzig kommen, um mit Ihnen die Ehre dieses Preises zu teilen, weil mir ein Reiseverbot auferlegt wurde. Mein Reisepass wird immer noch unrechtmäßig von der algerischen Justiz einbehalten. Und es gibt Hunderte … von Algeriern, die sich in derselben Situation wie ich befinden“, sagte der 1959 geborene El Kadi in einer vorab zugesandten Videobotschaft, die der LVZ als von der Medienstiftung übersetzter Text vorliegt.

Am Mittwochabend bei der Preisverleihung: Oberbürgermeister Burkhard Jung (l.), der ausgezeichnete Journalismusforscher Michael Haller und Harald Langenfeld, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Leipzig und der Medienstiftung (r.).

Seit 2001 wird die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung von der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig vergeben. Sie würdigt Medienschaffende und Institutionen, die mit ihrer Arbeit unter hohem persönlichem Einsatz der Presse- und Meinungsfreiheit dienen. El Kadi stehe als Preisträger beispielhaft für eine Reihe von bedrohten Medienschaffenden in Algerien, sagte Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung, Vorsitzender des Stiftungsrates der Medienstiftung. Erst kürzlich habe er sich persönlich einer Solidaritätsbekundung für den Schriftsteller Boualem Sansal angeschlossen, der in seinem Heimatland zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde.

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El Kadi gehört zu den bekanntesten regierungskritischen algerischen Journalisten. 2010 gründete er mit Kollegen die sich auf Wirtschaftsthemen aus dem Maghreb spezialisierte Online-Zeitung Maghreb Émergent, 2014 den privaten Internetradiosender Radio M. Beide gehörten zu den wenigen unabhängigen Stimmen in Algerien. In den vergangenen Jahren ist er mehrfach verhaftet worden, erst seit knapp einem Jahr ist er in Freiheit.

Ihsane El Kadi: „Widersetzen Sie sich dem Aufstieg des Populismus in ihren Ländern“

Er habe drei Botschaften, sagte El Kadi in seiner Videonachricht. Die erste bestehe darin, „dass Sie mit der Wahl Algeriens die richtige Entscheidung getroffen haben, denn Algerien ist ein Land, das für die Pressefreiheit in der Region, in der es liegt, dem Maghreb, von Bedeutung ist. Die Pressefreiheit ist für die Algerier ein langwieriger Kampf.“ El Kadis zweite Botschaft ist eine Sorge, verbunden mit einem Appell an westliche Medien, die er und seine Kollegen weiter als Vorbilder brauchten. Er sehe „leider eine weltweite Kontamination durch die sozialen Netzwerke, die heute auch die professionellen Medien betrifft, wo Meinungen und Fakten zunehmend miteinander verwechselt werden“. Wichtig sei, „dass unsere Kollegen, aber auch alle Menschen guten Willens sind, sich dem Aufstieg des Populismus in Ihren Ländern zu widersetzen“.

Die dritte Botschaft, so El Kadi, sei „unser Versprechen, genau so weiterzuarbeiten, wie wir es immer getan haben.“ – An Themen wie Korruption, Willkür und Unterdrückung. „In Algerien gibt es Hunderte von politischen Gefangenen, darunter fünf Journalisten.“ Er sehe sich verpflichtet, „einen Teil meiner Energie der Weitergabe zu widmen, denn wir haben der neuen Generation von Journalisten … viel zu vermitteln. Der Preis, den Sie mir verliehen haben, wird uns auf diesem Weg sehr helfen.“

Journalist Dirk Fuhrig: Ausgeklügeltes System der Desinformation in Algerien

Die dramatische Lage der Presse- und Meinungsfreiheit in Algerien beschrieb Dirk Fuhrig, Journalist des Deutschlandfunks, bei der Preisverleihung: „Es ist grundsätzlich sehr schwer bis unmöglich, in Algerien unabhängig als Journalist zu berichten.“ Einheimische Journalisten würden in den sozialen Medien mit Desinformationskampagnen verunglimpft: „Polit-Influencer streuen auch im Ausland ständig Falsch-Meldungen. Man kann von einem ausgeklügelten System der staatlich beförderten Desinformation ausgehen.“

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Michael Haller nahm seinen Ehrenpreis persönlich in Leipzig entgegen: „In den vergangenen 25 Jahren hat die Stiftung den für Freiheit und Demokratie kämpfenden Journalismus durch die Ehrung großartiger Persönlichkeiten gefördert und gestärkt. Dafür bin ich ihr dankbar, und dafür besitzt sie meine uneingeschränkte Anerkennung”, sagte er.

Michael Haller und seine Unterstützung des Qualitätsjournalismus

Über den Preisträger sagte Harald Langenfeld, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Leipzig und der Medienstiftung: „Michael Haller vermittelt mit nicht nachlassender Energie und intellektuellem Scharfsinn die Bedeutung des Qualitätsjournalismus für demokratische Gesellschaften, aktuell vor allem mit Projekten zur Informations- und Medienkompetenz wie dem erfolgreichen ‚Fit for news’-Programm”. Haller hatte von 1993 bis 2010 die Professur für Allgemeine und Spezielle Journalistik am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig inne.

LVZ