Bild: LTK-Fraktion

Die im Kommunalinfo wie auch der Ortspresse dargestellte tiefe Finanzierungskrise des städtischen Doppelhaushalts 2025/26 lässt sich örtlich durch keinen „Königsweg“ auflösen. Selbst der Oberbürgermeister beklagt wie viele seiner Kolleg:innen in anderen Städten, die externen gravierend belastenden Faktoren, als da wären:

Verantwortung des Bundes

Permanente Verletzung des Grundsatzes: „Wer bestellt, der bezahlt“ (Konnexitätsprinzip): Wird z.B. vollkommen notwendig und sinnvoll das Recht aller Kinder auf einen Kitaplatz als kommunale Pflichtaufgabe bundesgesetzlich verankert, dann muss der Bund auch die dafür notwendigen zusätzlichen Finanzierungsmittel bereitstellen. Das tut er aber nicht oder kaum. Ähnlich bei dem hehren Bemühen, allen Menschen die gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Schnell vom Bund bestellt und dann nicht finanziert. Diese ganze Problemfamilie weist auf die grundsätzlich und seit langem herrschende Unterfinanzierung der Kommunen hin. Zwischen den drei Ebenen Bund – Länder – Gemeinden beißen den letzten die Hunde.

10 Jahre der Entwicklung der Kommunalfinanzen im bundesdeutschen Durchschnitt. Es liegt ein gehöriger Knick in die Defizitzone vor. Die Bertelsmannstiftung, die diese Grafik veröffentlicht hat, spricht von einer erforderlichen Staatsreform. Von einer Finanzreform, von einer Umverteilung, von einer Steuerreform zu Gunsten der Gemeinden ist nicht die Rede.

Der Bund sagt: So viel Kohle haben wir nicht. Er sagt es, weil er ein auch nur halbwegs gerechtes Besteuerungssystem nicht angeht, für das er sich mit den Eigentümern von Großvermögen anlegen müsste. Also muss für die Umsetzung vor allem das Wahlvolk in Wahlkabine und auf der Straße sorgen. Immer noch gehen z.B. Milliarden-Erbschaften steuerfrei auf die Erben über (angeblich, um produktives Vermögen und damit Arbeitsplätze zu schonen). Es geht also um die Rückverteilung des gesellschaftlichen Vermögens von oben nach unten, an die Basis, wo es erarbeitet wird, und das heißt auch an die Kommunen.

Das sind die Megaaufgaben, die sich den Kommunen bzw. dem Wahlvolk stellen, und die – man muss kein Prophet sein – in den nächsten vier Jahren nicht erledigt sein werden.

Auf Ebene der Kommunen

Es stellt sich die spannende Frage, was auf kommunaler Ebene der Gemeinderat – wenn er denn will – an kleinen Mosaiksteinen finden kann, um die sich abzeichnenden sozialen Grausamkeiten und die ökologischen Rückschläge zu dämpfen, ohne einzelne Interessenträger gegeneinander auszuspielen.

Dazu bedarf es eines Diskurses über grundsätzliche Strukturen des Kommunalhaushaltes, der nicht beim „Sparen“ (an der Zukunft) verharrt und teilweise unter dem Deckmantel der krisenbedingten „Sachzwänge“ versucht, seit Jahren kritisierte Errungenschaften endlich wieder abzuräumen. Motto: „Die Stadt hat seit Jahren über ihre Verhältnisse gelebt“. Was meinen diese Auguren? Zu viele Kitas und Schulen, Schwimmbäder, Kultureinrichtungen und das Theater? Zu viele ökologische, dem Klimawandel geschuldete Programme?

Nettoneuverschuldungsverbot

Ein grundsätzlicher Punkt, der zu diskutieren wäre, ist das Nettoneuverschuldungsverbot. Dieses ideologische Verdikt hat besonders im Infrastrukturbereich die Kommune an die Wand gefahren. Ergebnis ist die allseits kritisierte Verrottung von Brücken, Straßen, Schul- und sonstigen öffentlichen Gebäuden. Der Staat, die öffentliche Hand konnte nicht schlank genug, die Staatsquote nicht niedrig genug sein.

OB Christian Specht, ein eiserner Verfechter des Nettoneuverschuldungsverbots, hat dieses Prinzip nun höchstpersönlich zu Grabe getragen, heimlich, still und leise. Er folgt damit dem „Deutschland-Investitionsfonds“ von einer halben Billion Euro, für den auf einmal dem Kanzler die verpönte Neuverschuldung kein Thema mehr ist.

Neuverschuldung: Übertragung des Universitätsklinikums Mannheim in einen Verbund mit der Uniklinik Heidelberg als Investition mit Neuverschuldung

Spätestens seit 2020 ist der Verwaltungsspitze der Stadt, damals unter OB Peter Kurz im Einverständnis mit dem Gemeinderat klar, dass das Städtische Klinikum als Haus der Maximalversorgung und als Standort der medizinischen Fakultät der Uni Heidelberg (ein bundesweit einmaliges Konstrukt) für die Kommune nicht mehr zu halten ist. Die Zeiten, da das Klinikum schwarze Zahlen schrieb, auf Kosten einer erheblichen Überlastung des Personals und der Qualität waren mit dem großen Kladderadatsch des „Hygieneskandals“ abrupt zu Ende gegangen. Das Klinikum erlebte einen finanziellen Zusammenbruch, der nur durch einen Notfallkredit der Stadt Mannheim mit einer 100%igen Bürgschaft aufgefangen werden konnte. Seither wurde viel investiert, repariert, umstrukturiert, Personal aufgestockt und besonders kostenträchtige Fehlentwicklungen minimiert. Trotzdem wurden immer wieder Betriebskostenzuschüsse von zuletzt prognostizierten 99 Mio EUR fällig, von denen das Land im Zuge des angestrebten Verbundes 60% auszugleichen bereit war.

Für eine wirtschaftliche und qualitätsvolle Krankenhausversorgung unerlässlich, ist die „Neue Mitte“ geplant, ein kompakter Neubau für OPs und Bettenräume, Kostenpunkt ca. 500 bis 600 Mio. EUR. All dies zusammen wäre unter herrschenden Finanzierungsbedingungen für die Stadt Mannheim der finanzielle Kollaps geworden. Es gab nur zwei Alternativen: Eine gute – die „Fusion“ mit der Uniklinik Heidelberg und eine so schlechte, dass sie eigentlich gar keine Alternative darstellt – Privatisierung und Verkauf.

Nun ist nach jahrelangen intensiven Verhandlungen der Klinikverbund Mannheim-Heidelberg unter Dach und Fach, er soll am 1.1.2026 starten. Die Stadt muss ab diesem Zeitpunkt nicht mehr für das weiter bestehende Defizit von ca. 40 Mio EUR pro Jahr aufkommen. Eine große Entlastung für den Stadthaushalt.

Allerdings muss die Stadt sich an den Baukosten der Neuen Mitte mit 205 Mio EUR in vier Jahresraten beteiligen. Ferner muss sie das restliche Schafweide-Gelände mit dem SWR-Gebäude im Wert von 7 Mio. EUR an die Uniklinik Heidelberg zur Errichtung von medizinischen Forschungsinstituten abtreten.

Und wie wird nun der Beitrag zur Neuen Mitte finanziert? Durch entsprechende Darlehen!

Hierzu machte OB Christian Specht z.B. in seiner Neujahrsrede am 6.1.25 interessante Ausführungen:

„Gleichermaßen haben wir klargestellt, dass wir den Haushalt ohne neue Schulden aufstellen wollen. Hintergrund dieser Entscheidung war nicht ein ideologisch motiviertes Festhalten an einem ordnungspolitisch begründeten Neuverschuldungsverbot. Grund war, dass wir uns das Instrument einer Neuverschuldung zur Verfügung halten müssen, wenn wir in der Zukunft Finanzierungslasten zu tragen haben, die unsere finanziellen Möglichkeiten gänzlich überfordern. Das ist dann der Fall, wenn sich die Stadt Mannheim an der Finanzierung der Neuen Mitte unseres Universitätsklinikums zu beteiligen hat.“

An dieser Darlegung ist einiges interessant:

  1. Hier wird eine „Investition“ getätigt, die aus Sicht des Mannheimer Haushalts gar keine ist. Das Klinikum ist dann gar nicht mehr „unser Universitätsklinikum“, sondern das des Landes Baden-Württemberg.
  2. Somit ist die Zahlung ein Devestment, eine Abstandszahlung für die Abschaffung der nicht mehr tragbaren Belastung für die Stadt.
  3. Die Nicht-Neuverschuldung ist in den Augen des OB nicht ein ideologisch motiviertes Festhalten an einem ordnungspolitisch begründeten Neuverschuldungsverbot. Sondern ganz pragmatisch ein Instrument, wenn wir in der Zukunft Finanzierungslasten zu tragen haben, die unsere finanziellen Möglichkeiten gänzlich überfordern.
  4. Es fehlt das präzise Kriterium, wann genau die gänzliche Überforderung konstatiert werden kann oder muss. Ist nicht das Abgleiten in Notwendigkeit, Kassenkredite („Dispokredite“) aufnehmen zu müssen, weil die Liquidität aufgebraucht ist, ein solcher Fall? Dieser Fall ist schon durch den gültigen Doppelhaushalt samt mittelfristiger Planung eingetreten, ohne die Ablösesumme für das Universitätsklinikum.

Die Hauptsatzung der Stadt Mannheim sagt dazu in § 2 (3):

„Der Haushaltsplan und die Finanzplanung enthalten keine Nettoneuverschuldung.(…) Hiervon kann bei einer extremen Haushaltslage abgewichen werden, die der Gemeinderat feststellt. Eine extreme Haushaltslage liegt vor, wenn gegenüber dem Schnitt der letzten vier Haushaltsjahre per Saldo erhebliche (im Sinne von § 82 Abs. 2 Nr. 1 GemO), nicht durch die Stadt Mannheim steuerbare Einnahmerückgänge und Ausgabesteigerungen bestehen, die nicht durch andere Maßnahmen ausgeglichen werden können.“

Wenn diese „anderen Maßnahmen“ bedeuten, dass die Stadt in eine trostlose Lage wie die Nachbarstadt Ludwigshafen absinkt, verbietet sich das und von einem ethisch fundierten Können kann nicht die Rede sein, bestenfalls von einem juristischen „Können“, welches durch Streichung aller „freiwilligen Aufgaben“ aus der Stadt eine soziale und kulturelle Wüste macht.

Besteht nicht seit der Ausgleichspflicht für Verluste des Klinikums eine solche „extreme Haushaltslage“ sowie auch durch die erhebliche Ausgabensteigerungen bei den Pflichtaufgaben im Sozialbereich? Wäre es nicht an der Zeit, dass der Gemeinderat sich über diese Fragestellungen Klarheit verschafft, anstatt schwammigen und unpräzisen Feststellungen des Oberbürgermeisters zu folgen?

Kreditfinanzierung in „extremer Haushaltslage“ die bessere Lösung

Hier wäre auch darüber zu sprechen, ob der nun letzte Verlustausgleich für das Klinikum-Wirtschaftsjahr 2025 logischerweise ebenfalls zu der Ablösesumme geschlagen und ebenfalls mit einem Kredit gezahlt wird? Diese Ablösekredite sind äußerst rentierlich, da sie dazu führen, dass Mannheim die nicht mehr tragbare Kostentragung für die jährlichen Defizite und die kommenden Investitionen des Klinikums loswird. Das wäre für die Liquidität eine deutliche Entlastung, wenn der letzte Defizitausgleich für das Klinikum von ca. 40 Mio EUR nicht voll zu Buche schlüge, sondern durch einen Kredit zeitlich gestreckt werden könnte. Dafür spricht, dass dieser Defizitausgleich nur auf Grundlage der zu Jahresbeginn geäußerten Willenserklärung der Landesregierung zur Aufrichtung des Klinikverbunds übernommen werden konnte mit der Aussicht auf ein Ende des Schreckens. Hätte das Vertrauen auf die jetzt gefundene Lösung nicht bestanden, hätte schon vor 2 Jahren die oben genannte Notbremse gezogen werden müssen.

Und könnte in einer „extremen Haushaltslage“ nicht die eine oder andere unabweisbare Investition in den verschiedenen Infrastrukturbereichen mit Kredit finanziert werden, jetzt, wo ein jahrelanger Investitionsstau angegangen werden muss, von diversen Zukunftsinvestitionen ganz abgesehen. Das belastet zwar auch künftige Haushalte über die Kreditlaufzeit, jedoch nur in Höhe der jeweiligen Zins- und Tilgungshöhe.

Investitionen nur aus den laufenden Einnahmen zu finanzieren, heißt: Wenn die Differenz aus laufenden Einnahmen und Ausgaben der „Verwaltungstätigkeit“ nicht ausreicht, unterbleibt ein Teil der notwendigen Investitionen, oder es es wird zu Gunsten der Durchführung des Investitionsprogramms Druck auf die „freiwilligen Leistungen“ der Stadt gemacht, um den Überschuss aus der laufenden Verwaltungstätigkeit zu erhöhen. Damit aber würde das Leben in der Stadt gerade für die Mehrheitsbevölkerung drastisch verschlechtert.

Die Aufnahme neuer Kredite in der „extremen Haushaltslage“ wäre ein gänzlich anderes Szenario, um sich mit sozialen und kulturellen Grausamkeiten sowie ökologischen Rückschritten auseinanderzusetzen, und auch mit dem Regierungspräsidium. Dazu muss sich auch die Bevölkerung wie am 30.9. vor dem Ratssaal vernehmbar machen

Thomas Trüper