„Wir sind das Volk“, klang es am 9. Oktober 1989 in Leipzig. Und „Gorbi, Gorbi“ haben wir auch gerufen und dazu rhythmisch geklatscht, als wir nach dem Friedensgebet in der Nikolaikirche plötzlich auf dem Karl-Marx-Platz standen und weiterzogen, Richtung Hauptbahnhof, und den dort Wartenden „Schließt euch an, schließt euch an!“ zugerufen haben.

Erinnerungen an die Friedliche Revolution in Leipzig

70.000 waren wir am Ende. Gesungen haben wir auch. Sogar einen Hit aus dem Repertoire derer, gegen die wir hier andemonstrierten: „Völker, hört die Signale!“ Weil es uns – und in diesem Lied – um das Menschenrecht ging, das in einem letzten Gefecht erkämpft werden sollte.

Weil wir aber aus der Nikolaikirche kamen und friedlich gestimmt waren, riefen wir auch immer wieder: „Keine Gewalt“. Auch als wir um die Runde Ecke zogen, wo die Stasi hinter den Gardinen stand. Doch niemand hat geschossen. Ein Abend, der alles verändert hat. Ein großes Glück, an das – schließlich sind wir Deutsche – uns nun endlich auch ein Denkmal erinnern soll, lange schon geplant.

Grundsteinlegung am Wilhelm-Leuschner-Platz

Und heute, am 9. Oktober 2025, wird der Grundstein dafür gelegt. Für das Freiheits- und Einheitsdenkmal am Leipziger Wilhelm-Leuschner-Platz, das jetzt sogar eher fertig werden könnte als sein Berliner Pendant: die Einheitswippe. An der wird immerhin schon seit fünf Jahren gebaut. Termin der Fertigstellung: noch offen.

Auch in Leipzig war es ein langer Weg bis zur heutigen Grundsteinlegung. Nach einem im Jahr 2014 gescheiterten ersten Wettbewerb fielen in einem neu ausgeschriebenen erst zehn Jahre später die Würfel für den Entwurf des Leipziger Architekturbüros Zila.  

„Was für eine Chance für unsere Stadt, für das Land, ja für ganz Europa“, begrüßte der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung den Entwurf: „Wir haben ein Ergebnis eines Denkmalwettbewerbs und erinnern an ’89, an den kühnen Mut der Menschen, die mit heißem Herzen die Freiheit errungen haben. Ich freu mich sehr auf die Umsetzung.“

Neuer Freiraum für Sprayer und Gesinnungsäußerungen

So also Burkhard Jung über den Siegerentwurf „Banner, Fahnen, Transparente“. In einer Grünanlage sind diese verteilt, als künstlerisch gestaltete weiße Metallplatten, auf denen sich, so die Idee der Gestalter, jeder mit seiner Meinung frei äußern kann. Das bietet also Freiraum und- fläche, nicht nur für die äußerst aktive Sprayer-Szene der Stadt, sondern auch für Gesinnungsäußerungen jeglicher Couleur.

Das ist mutig und wird die Belastungsgrenzen des demokratischen Miteianders garantiert austesten. Kostenpunkt: fünf Millionen Euro. Die von mir hier schon mal prophezeiten laufenden Reinigungskosten kämen da noch on top.

Viel Geld für ein Einheits- und Freiheitsdenkmal, dass es eigentlich schon gibt in der Stadt. Die Nikolaisäule auf dem Platz vor der Nikolaikirche. Seit 1999 steht diese Replik einer der Säulen aus der Kirche hier als Symbol für die Friedensgebete und die friedliche Revolution, die am 9. Oktober 1989 aus der Kirche heraus in die Stadt getragen wurde – und uns allen die ersehnte Freiheit und am Ende sogar die Einheit brachte. Besser geht´s nicht. Und bezahlt ist auch schon alles.

Redaktionelle Bearbeitung: lm