Die erste Ziehung der Lottozahlen am 9.10.1955 im Hotel Mau am Holstenwall in Hamburg

Stand: 09.10.2025 05:00 Uhr

Am 9. Oktober 1955 findet in Hamburg die erste öffentliche Ziehung der Lottozahlen 6aus49 statt. Kein Spieler tippt zur Lotto-Premiere sechs Richtige. Zehn Jahre später wird das Glücksspiel erstmals live im Fernsehen übertragen.

von Stefanie Grossmann

Was viele Jahre später jeden Samstagabend um kurz vor 20 Uhr Millionen von Menschen an die TV-Geräte fesselt, beginnt im Oktober 1955 in einem ganz kleinen Rahmen in einem Hamburger Hotel: die erste öffentliche Ziehung des neu eingeführten Zahlenlottos 6aus49. Seit 70 Jahren fasziniert das Glücksspiel um die 49 Kugeln die Deutschen, die allwöchentlich ihre Tippscheine ausfüllen – und vom großen Geld träumen. Allerdings liegt die Gewinnchance lediglich bei 1 zu 140 Millionen.

Rund 30 Personen verfolgen erste Lotto-Ziehung

Die erste Ziehung der Lottozahlen am 9.10.1955 im Hotel Mau am Holstenwall in Hamburg

Notar und Ausspielleiter zeigen dem Publikum die geordneten 49 Plexiglaskugeln,
in denen sich die geschlossenen Lose mit den Zahlen 1 bis 49 befinden.

Es ist der Nachmittag des 9. Oktober 1955. Im Hotel Mau am Holstenglacis 20 sind rund 30 Personen anwesend – sie fiebern bei Nordwest Lotto der ersten öffentlichen Lottoziehung entgegen. Schon damals folgt die Ziehung einem vorgeschriebenen Procedere. Zunächst präsentieren „Ausspielleiter“ Jürgen Klawitter und der Notar Walter Kuckuck einen Kasten mit 49 Plexiglaskugeln. Darin befinden sich Lose mit den Zahlen von 1 bis 49. Klawitter und Kuckuck öffnen zur Überprüfung stichprobenartig einzelne Kugeln. Anschließend werfen sie die Kugeln in eine hölzerne Lostrommel – das „Ziehungsrad“.

Hamburger Waisenkind Elvira Hahn ist erste „Lottofee“

Die erste Ziehung der Lottozahlen am 9.10.1955 im Hotel Mau am Holstenwall in Hamburg

Das Hamburger Heimkind Elvira Hahn entnimmt dem Ziehungsrad unter den prüfenden Augen des Notars und der Zuschauer eine Plexiglaskugel mit der glückbringenden Zahl.

Glücksfee ist an jenem trüben, herbstlichen Samstag das zwölfjährige Hamburger Waisenmädchen Elvira Hahn. Mit einem Taxi wird sie mit einem weiteren Heimkind ins Hotel gebracht. „Wir mussten saubere Kniestrümpfe, Sandalen und einen Rock anziehen“, erinnert sich Hahn im Jahr 2015 im „Hamburger Abendblatt“, sie ist damals 72 Jahre alt. Um 16 Uhr ist es endlich so weit: „Ich habe ordentlich mit der Hand gewühlt und eine Kugel dem Notar gegeben“, erzählt sie weiter. Elvira Hahn zieht die erste Zahl: Es ist die „13“. Damals soll ein Raunen durchs Publikum gegangen sein.

Jede gezogene Lottozahl wird vorschriftsmäßig protokolliert

Die erste Ziehung der Lottozahlen am 9.10.1955 im Hotel Mau am Holstenwall in Hamburg

Ein Blick in den Ziehungssaal während der öffentlichen Ausspielung in Hamburg. Ausspielleiter und Protokollführerin kleben die „Nieten“ ins Protokoll.

Mit der vermeintlichen Unglückszahl beginnt das Gewinnspiel ums Glück. Die komplette Zahlenreihe lautet schließlich 3 – 12 – 13 – 16 – 23 – 41. Jede gezogene Zahl wird ordnungsgemäß protokolliert. Auch die Nieten, denn alle übrigen Kugeln werden damals für den ordnungsgemäßen Ablauf geöffnet. Für die kleine Lottofee gibt es als Dank eine Tasse Kakao und ein Stück Kuchen. Und jede Menge Aufmerksamkeit. Von dankbaren Gewinnern erhält sie Geschenke – wie zum Beispiel ein Sparbuch.

Kein Spieler tippt zur Lotto-Premiere sechs Richtige

Die Auswertung der Spielscheine findet damals also noch per Hand statt. Das Ergebnis: Kein Spieler tippt zur Lotto-Premiere sechs Richtige. Der Volltreffer passiert erst am 13. November 1955 – und zwar gleich dreifach. Jeder Spieler gewinnt knapp 60.000 Mark. Seit 1956 gibt es die Zusatzzahl, sie macht höhere Gewinne möglich. Den ersten Lotto-Jackpot knackt im Dezember 1956 Walter Knoblauch aus Wittmund in Ostfriesland. Er gewinnt damals eine halbe Million Mark, was für die damalige Zeit des Wirtschaftswunders sehr viel Geld ist. Noch im selben Jahr gewinnt der Bauarbeiter Willi Strauch aus Aachen die erste Lotto-Million. Die Gewinnzahlen werden zunächst im Radio verkündet.

Erste Lotterie in Hamburg startet bereits 1612

Das Lottospielen an sich ist schon viel älter: Die erste staatliche Lotterie in Hamburg startet bereits im Jahr 1612. Die Gelder daraus sollen die Kosten für ein Gebäude für Obdachlose ins Stadtsäckel spülen. Im deutschen Kaiserreich gibt es etliche Lotterien, dazu gehört die Großherzoglich hessische Landeslotterie. Vor dem Ersten Weltkrieg existieren sieben Landeslotterien, darunter die Hessisch-Thüringische Staatslotterie und die Mitteldeutsche Staatslotterie.

Video:
Zehn Jahre Lotto: Wenn man Glück hat (34 Min)

1965: Die Lottoziehung kommt ins Fernsehen

Die erste Lottoziehung im deutschen Fernsehen am 4. September 1965.

Knapp zehn Jahre nach seiner Einführung läuft die Ziehung der Lottozahlen im Fernsehen.

„Der Aufsichtsbeamte hat sich vor dieser Sendung von dem ordnungsgemäßen Zustand des Ziehungsgerätes und der 49 Kugeln überzeugt.“ Dieser Satz gehört genauso zur deutschen Fernsehgeschichte wie die sonntägliche „Tatort“-Melodie. Am 4. September 1965 läuft die Ziehung der Lottozahlen erstmals live im Fernsehen – zunächst noch ohne Superzahl und Jackpot. Die Sendung läuft damals am späten Samstagabend gegen 22.15 Uhr nach der Show, und ist mit gut fünf Minuten das kürzeste Format, aber für viele spannender als ein Krimi.

Die Aufsicht während der Ziehung der Gewinnzahlen des Deutschen Lottoblocks hat ein juristischer Beamter eines Finanz- oder Innenministeriums, je nachdem, welches Bundesland die Fachaufsicht über die Lotterieverwaltung führt. Die Aufsichtsbeamten werden nach dem Rotationsprinzip aus allen Bundesländern entsandt.

Ziehung der Glückszahlen ist spannend wie ein Krimi

Längst haben Kugeln aus Kunststoff ihre Vorgänger aus Plexiglas abgelöst. Die Glücksbälle sind im Prinzip bedruckte Tischtennisbälle: 54 Millimeter groß, 25 Gramm schwer und zwölffach in der Schriftart Futura mit den Zahlen von 1 bis 49 bedruckt. Um das exakt gleiche Gewicht bei allen Kugeln zu erzielen, ist bei allen Kugeln unterschiedlich viel Lack aufgetragen worden.

"Lottofee" Franziska Reichenbacher schaut im Studio des Hessischen Rundfunks im Maintower in Frankfurt durch die Plexiglaskugel des Ziehungsgerätes.

1998 folgt Franziska als Reichenbacher Moderatorin der Ziehung der Lottozahlen auf Karin Tietze-Ludwig.

Wenn die Kugeln mit dem markanten Geräusch „klack, klack, klack“ durchs Plastikrohr fallen blicken die Zuschauer gebannt auf die Bildschirme. „Dieses Geräusch ist wirklich magisch und es geht auch jedem so, dass es einen sofort so ein bisschen reißt, zuckt und man sieht auch schon das Bild dieser Kugeln“, schwärmt Lottofee und ARD-Moderatorin Franziska Reichenbacher im WDR. Seit 28. April 1982 gibt es auch die Lotto-Ziehung am Mittwoch, die das ZDF bis 2013 sendet.

Ab 2013: Ziehung der Lottozahlen nur noch im Internet

Im Jahr 1993 wandert der Sendeplatz der Lottoziehung auf 19.55 Uhr. Bis 2013 strahlt der Hessische Rundfunk für die ARD das Glückspiel aus – beauftragt vom Deutschen Lottoblock. Die bekannteste Lottofee ist für viele Jahre Karin Tietze-Ludwig. Seit Mitte 2013 verantwortet der Saarländische Rundfunk die Ziehung der Lottozahlen, die Tipper nur noch im Internet sonnabends um 19.25 Uhr oder mittwochs um 18.25 verfolgen können. Die Zahlen werden zur Bekanntgabe anschließend auch in den Nachrichten verlesen. 2013 wird außerdem die Zusatzzahl abgeschafft und durch die Superzahl ersetzt. Neu ist nicht nur die Digitalisierung der Lottoziehung – seit 2023 verwendet die Lottogesellschaft aus ökologischen Gründen Schaumkugeln. Damit hat auch die „Klackerei“ ein Ende.

Die Lottozahl 13 fällt nur sehr selten

Karin Tietze-Ludwig (r.) übergibt am 11.12.1997 in Frankfurt ihrer Nachfolgerin Franziska Reichenbacher eine Lottokugel.

Die 13 wird nur selten gezogen. Karin Tietze-Ludwig (r.) übergibt die Kugel 1997 ihrer Nachfolgerin Franziska Reichenbacher.

Seit 1955 gibt es rund 6.500 Ziehungen, die bisher am häufigsten ausgespielte Zahl ist die 49 (Stand: Juli 2025) Die 1955 zuallererst ausgewählte 13 gehört übrigens zu den am seltensten gezogenen Zahlen. Bis heute gilt 6aus49 als das beliebteste Zahlenlotto der Deutschen. Jeder siebte spielt regelmäßig Lotto; fast 21 Millionen Menschen spielen gelegentlich Lotto. Davon investieren gut vier Millionen 50 Euro oder mehr im Monat für ihr Hobby. Jedes Jahr knacken bis zu 20 Lottogewinner den Jackpot.

Am Lotto verdient vor allem der Fiskus

2024 erzielt der Deutsche Lottoblock einen Rekordeinsatz und damit das beste Ergebnis in der langjährigen Geschichte der deutschen Lotterien. Die Tipper geben bei den verschiedenen Lotto-Produkten einen Spieleinsatz von insgesamt 8,56 Milliarden Euro aus, 3,5 Milliarden für die 6aus49. Von den Einnahmen werden zwischen 250 bis 280 Millionen Euro pro Jahr an Gewinner ausgeschüttet.

Neben der Lottogesellschaft und den Annahmestellen verdient vor allem der Staat an der Lotterie. 23 Prozent nimmt der Fiskus als Zweckerträge zweckgebunden ein. Dieser Betrag muss der Staat wieder für gesetzlich festgelegte Zwecke ausgeben, wie beispielsweise Sportförderung, Kunstankäufe, Umwelt oder Jugendprojekte. 2024 sind das 3,42 Milliarden Euro. Weitere 16,7 Prozent gehen als Lotteriesteuer in den allgemeinen Länderetat.

Auch wenn die Erfolgsaussichten auf einen Lotto-Jackpot noch so gering ist – die Menschen träumen immer weiter vom Gewinn und vom großen Geld.

Auf einem Lottozettel sind mit Kugelschreiber Zahlen angekreuzt.

Laut Lotto Niedersachsen hat die Person aus dem Landkreis Göttingen das Geld bereits in der Zentrale in Hannover angefordert.

Kinder werben auf ihren Trikots in Hannover für das Fußball-Toto.

Am 9. Januar 1949 fällt der Startschuss für die erste Toto-Ausspielung in Niedersachsen. Der Spieleinsatz beträgt damals zehn Pfennig.

Ein inszenierter Lottoschein mit einem großen goldenen Schiftzug "Die Chance"

Panorama berichtet über Lebenswege von Lotto-Millionären, denen nach den Gewinneinnahmen das große Glück meist versagt blieb.