Die Personalvermittlerin über launische Chefs, die Altersguillotine und warum ein Privatjet allein eine Assistentin nicht glücklich macht.

«Die Assistentin ist schuld, wenn es nicht läuft», sagt die Headhunterin Elke Rottmann.

«Die Assistentin ist schuld, wenn es nicht läuft», sagt die Headhunterin Elke Rottmann.

Eine Assistentin, die wegen ihres Chefs durch die Hölle geht: Davon handelt der Roman «Die Assistentin» von Caroline Wahl, der derzeit die Bestsellerlisten anführt. Stoff für den Roman hat die Autorin in Zürich gesammelt, wo sie für den Diogenes-Verlag gearbeitet hat.

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Elke Rottmann weiss, was für Geschichten zwischen Vorzimmer und Chefbüro passieren können. Die Deutsche mit eigener Agentur in Zug vermittelt Assistentinnen in Toppositionen. Sie vertraut dafür auf ihr grosses Netzwerk – unter Assistentinnen kennt man sich und die Chefs.

Frau Rottmann, Sie vermitteln Assistentinnen. Ihre Branche spricht gerade über ein Buch. Kennen Sie «Die Assistentin» von Caroline Wahl?

Ich kenne es und ahne, worauf sie hinauswollen. Ich möchte aber sagen: Das ist Literatur. Die Realität sieht in der Regel doch etwas anders aus.

Wahl war selbst Assistentin beim Diogenes-Verlag in Zürich. Im Roman beschreibt sie einen Chef, der wegen Nichtigkeiten ausflippt und die Assistentin sogar in den Ferien wegen Lappalien behelligt. Ist es so schlimm, Assistentin zu sein?

So etwas ist sicher nicht der Normalzustand. Aber Fakt ist, die Assistentin ist am nächsten am Chef dran und daher auch mal die erste Person, die Frust, Stress und Launen abkriegt. Sie ist schuld, wenn es nicht läuft. Leider wird seltener bemerkt, dass sie dafür sorgt, dass alles rundläuft. Vor allem in international agierenden Firmen kann es sein, dass der Chef nachts um drei anruft. In bestimmten Rollen, vor allem auch in Family-Offices, ist durchaus die sogenannte «24/7-Verfügbarkeit» an der Tagesordnung. Da kann es vorkommen, dass das Privatleben flöten geht. So wie es im Buch beschrieben wird.

Was macht eine Assistentin überhaupt?

In Rollen als «Personal Assistant» kann es sein, dass man intensiv für den Rundumsupport inklusive Privatleben der Vorgesetzten verantwortlich ist. Familienferien organisieren, Blumen besorgen oder sogar den Hauskauf begleiten. Mehrheitlich vermittle ich aber «Executive Assistants», die ihre Manager im Business-Alltag umfassend unterstützen: Meetings, Reisen, Projekt- und Event-Management, Korrespondenz und vieles mehr. Klar gibt es auch hier eine Grauzone ins Private. Man muss vielleicht im Taxi einen Arzttermin für den Chef machen. Die Vorstellung der Kaffee kochenden Sekretärin gibt es leider immer noch, aber davon sind die heutigen Assistenzrollen weit entfernt.

Der Chef im Buch ist auch noch cholerisch, fies und überschreitet dauernd Grenzen. Kennen Sie derlei Vorgesetzte aus Ihrem Alltag als Headhunterin?

Das sind sicher Ausnahmen, aber ja, es gibt Vorgesetzte, die sind wirklich herausfordernd. Oft sieht man in solchen Fällen, dass die Assistenz regelmässig ausgetauscht wird.

Welche Art von herausfordernden Chefs haben Sie konkret erlebt?

Ich kann natürlich keine Namen nennen. Wenn ein Chef als schwieriger Typ gilt, kann das auch einfach heissen, dass die Kommunikation mit ihm schwierig ist. Vielleicht nimmt er sich keine oder zu wenig Zeit für den Austausch mit der Assistenz, und das macht den Support natürlich extrem schwierig. Dann gibt es launische Typen. Da ist die Herausforderung, diese lesen zu lernen. Um abzuschätzen, wann man mit Anfragen kommen kann und wann besser nicht. Ich hatte aber wirklich mal einen Kunden, der galt als cholerisch und extrem schwierig in der Zusammenarbeit. Es gab vorher viele Wechsel in der Assistenz, und intern wollte niemand die Herausforderung annehmen.

Den Spruch «Ich serviere keinen Kaffee» höre sie von allen Altersklassen, sagt Elke Rottmann.

Den Spruch «Ich serviere keinen Kaffee» höre sie von allen Altersklassen, sagt Elke Rottmann.

Haben Sie ihm jemanden vermittelt?

Ja, und die Assistenz ist noch immer in der Firma. Die Kandidatin ist eine starke Persönlichkeit, konnte die Grenzen aufzeigen, und heute arbeiten sie sehr gut zusammen. Es hat über ein Jahr gedauert, bis sie dieses Level erreicht hatten. Assistenzen sagen in solchen Fällen auch gern im Scherz, dass sie ihre Chefs erziehen. Es ist mein Job, die richtige Persönlichkeit zu finden, damit es langfristig funktioniert. Dafür habe ich mein Netzwerk und lege den Fokus auf die Persönlichkeit. Ich habe aber auch schon einen Auftrag abgelehnt, wenn ich das Gefühl hatte, dass ich dort kein ruhiges Gewissen hätte, eine Assistenz zu vermitteln.

Was für Zeichen lassen Sie aufhorchen?

Das kann ich nicht so allgemein beantworten, aber Sätze in Briefings wie: «Für diese Stelle muss man immer erreichbar sein, auch in den Ferien», oder: «Eine Frau muss mir schon beweisen, dass sie den Job kann», sind für mich Red Flags. Dann frage ich genauer nach und lehne auch mal ab, aus Respekt gegenüber meinem Netzwerk und um meine Kandidatinnen zu schützen. Aber oft höre ich eher das Gegenteil.

Was meinen Sie damit?

Ich höre von Kandidatinnen leider immer wieder von Fällen, in denen keinerlei Hinweise während des Rekrutierungsprozesses kommen. Ich frage immer gezielt nach, beim HR, bei Assistenzkollegen, wo die potenziellen Herausforderungen in der Zusammenarbeit liegen. Ich erlebe manchmal wenig Offenheit zu solch wichtigen Fragen. Dabei wäre Transparenz entscheidend. Wenn ein Vorgesetzter oder eine Vorgesetzte im Umgang schwierig sein kann, sollte man offen und transparent mit den Kandidaten darüber sprechen. Nur so können diese eine bewusste Entscheidung für oder gegen die Stelle treffen.

Was muss eine Assistentin aushalten können?

Stress, sich ständig ändernde Zeitpläne und eine stetige Belastung durch viele verschiedene Anforderungen. Da muss man sicher eine dicke Haut haben, aber es gibt Grenzen. Ein respektvoller Umgang und ein Vertrauensverhältnis sind die Basis, damit es langfristig funktionieren kann. Solche Fälle, wie im Buch beschrieben, wenn die Hand des Chefs zu lange auf der Schulter ruht oder wenn es heisst: «Frau Müller, seien Sie so nett und setzen sich doch ein bisschen zu uns», sind die absolute Ausnahme. Da gilt es aus meiner Sicht klar die Notbremse zu ziehen.

Führen Sie Manager in Ihrer Karteikarte unter dem Prädikat «schwierig»?

Ich habe keine Blacklist. (Lacht.) Aber ich frage immer in meinem Netzwerk nach. Ich übernehme schliesslich eine Garantie für beide Seiten und habe auch eine Verantwortung für die Kandidaten und Kandidatinnen in meinem Netzwerk. Und damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich erlebe sehr viele sympathische, wertschätzende und inspirierende Chefs. Es ist sogar so, dass mehr als die Hälfte der Assistentinnen, mit denen ich spreche, lieber einen Mann als eine Frau zum Chef haben.

Wie kommt das?

Ich habe schon von Assistentinnen gehört, dass Frauen als Vorgesetzte mitunter sehr dominant auftreten, was sicher dem enormen Leistungsdruck geschuldet ist. Aber dadurch kann der Ton schon einmal ruppiger sein, als es nötig wäre. Ich habe auch schon von Fällen gehört, in denen sogar eine Art Konkurrenzsituation zwischen Frauen entstanden ist, was ich persönlich extrem schade finde. Spannend ist auch, dass viele Assistentinnen männliche Vorgesetzte oft direkter und klarer in ihrer Kommunikation wahrnehmen. Das sagen mir sicher 60 bis 70 Prozent.

Welche Jobs sind beliebt?

Jobs in internationalen Firmen, Jobs, in denen die Assistenz den Chef auf Reisen und ins Ausland begleitet, und Jobs in Family-Offices sind sehr beliebt. Viele Kandidatinnen haben allerdings die verklärte Vorstellung, dass sie es dann mit VIP und Privatjets und Ähnlichem zu tun haben. Oft ist das Gegenteil der Fall: Rund um die Uhr Verfügbarkeiten, man ist für alles allein verantwortlich, und teilweise ist es auch eine sehr einsame Veranstaltung, wenn es nicht einmal Kollegen im Office hat.

Was zeichnet eine gute Assistentin aus?

Sie sollte ein Organisationstalent sein, viel Empathie haben und Multitasking können. Dazu sollte sie flexibel, lösungsorientiert und stark in der Kommunikation sein. Wer den Chef oder die Chefin «lesen» kann und proaktiv ist, ist effizienter. Eine Assistenz muss aber nicht super extrovertiert sein.

Wollen das junge Leute überhaupt noch? Man hört ja, die Gen Z sei weniger belastbar, habe aber höchste Ansprüche.

Ich kenne tolle Kandidatinnen aus jeder Generation und eben auch das Gegenteil. Das ist keine Altersfrage. Den Spruch «Ich serviere keinen Kaffee» höre ich von allen Altersklassen. Aber klar wollen sich viele junge Leute schnell weiterentwickeln, was in der Assistenz schwierig sein kann. Was die Belastbarkeit angeht, hilft sicher eine gewisse Berufs- und Lebenserfahrung. Kaum jemand kommt mit einem dicken Fell zur Welt.

Muss man dazu geboren sein?

Ich kenne viele Assistentinnen, die von sich selbst sagen, sie seien «Assistenz aus Leidenschaft». Solche Persönlichkeiten haben eine innere Ruhe, eine souveräne Gelassenheit und fühlen sich in der Supporter-Rolle wohl, weil sie wissen, was sie damit bewegen können. Dann gibt es andere, die mehr wollen, etwa mehr Führung oder Spezialisierung. Da frage ich auch einmal, ob sie sicher sind, in der Assistenz am richtigen Ort zu sein.

Betrifft das eher Männer oder Frauen?

Es gibt nur wenige Männer in meinem Bereich. Selten sehen Männer einen Assistenzjob als langfristiges Karriereziel. Für viele ist das mehr eine Zwischenstation auf dem Weg ins Management.

Kann eine Assistentin mit all ihrem Wissen den Chef leicht auffliegen lassen, wenn dieser in dubiose Geschäfte verwickelt ist?

Eine heikle Frage. Diskretion und Vertrauen sind absolut essenziell in jeder Assistenzrolle. Die meisten Assistentinnen, ich würde sagen 99 Prozent, wahren dieses Vertrauen mit absoluter Professionalität. Auch Verschwiegenheitserklärungen gehören teilweise zum Standard. Problematisch wird es allerdings, wenn Loyalität missverstanden und ausgenutzt wird vom Chef. Etwa, wenn die Assistenz in heikle private «Angelegenheiten» hineingezogen wird, wenn Sie verstehen, was ich meine.

Die Headhunterin sagt, Chefs würden oft mehr Zeit mit der Assistentin als mit der Ehefrau verbringen.

Die Headhunterin sagt, Chefs würden oft mehr Zeit mit der Assistentin als mit der Ehefrau verbringen.

Sie meinen, wenn die Assistentin die Affäre des Chefs decken muss?

Ich führe das nicht weiter aus. Aber derlei Situationen können enorm belastend sein und sind menschlich wie beruflich eine Gratwanderung. Ich kenne Fälle, in denen Assistentinnen deshalb gekündigt haben. Und das verdient in meinen Augen grössten Respekt.

Umgekehrt gibt es auch das Klischee, dass die Assistentin und der Chef anbandeln.

Klar kann das vorkommen. Die Chefs verbringen mit der Assistentin oftmals mehr Zeit als mit der Ehefrau. Ich kenne aber nur sehr wenige Fälle, und diese Assistenzen sind heute in einer Beziehung mit ihren Ex-Chefs oder gar verheiratet.

Was ist mit dem Klischee, dass die Assistentin hübsch sein müsse?

Ich habe tatsächlich nicht nur einmal erlebt, dass beim Briefing der Hinweis kam: «Gell, für den Chef ist das Erscheinungsbild schon wichtig. Guck da doch ein bisschen drauf.» Solche Wünsche werden auch gern mal in Formulierungen wie «repräsentatives Auftreten» verpackt. Für mich geht es aber immer um Qualifikation, Mindset und Leidenschaft. Entscheidend ist, wer den Job kann, und nicht, wer hübsch aussieht.

Das tönt irgendwie nach Jugend-Hype. Können Sie ältere Bewerberinnen noch vermitteln?

Glücklicherweise kann ich sagen, dass ich schon viele Kandidatinnen über 50 vermitteln konnte. Aber Fakt ist leider auch, dass es ab Mitte 50 schwierig wird. Die typischen Argumente, die dann von den Firmen kommen: weniger belastbar, nicht mehr so dynamisch, öfters krank, nicht IT-affin. Alles reine Vorurteile. Ich habe schon 58-jährige Assistenzen platziert, die ein höheres Energielevel haben als manch 30-Jährige. Aber ab 60 ist leider bei vielen Unternehmen Schluss, da kann auch ich nichts mehr machen, da wird viel Potenzial liegengelassen.

Wie viel verdient man in dem Job eigentlich?

Die Saläre hängen von verschiedenen Faktoren wie Standort, Branche oder Berufserfahrung ab. Aber um mal einige Richtwerte zu nennen: Einstiegsgehälter beginnen nach den ersten Berufsjahren bei 75 000 bis 80 000 Franken. Mit 10 bis 15 Jahren Berufserfahrung und auf Führungsebene können Assistenzen die 100 000-Franken-Grenze knacken. In Zürich oder Zug bei grösseren internationalen Unternehmen können die Saläre für Executive Assistants zwischen 120 000 und 140 000 Franken liegen. Bei Topjobs auf C-Level und mit mehr als 20 Jahren Erfahrung kann das auch noch weit darüber hinausgehen. Aber dann reden wir auch wieder von höheren Anforderungen wie etwa einer ständigen Erreichbarkeit.