RB-Trainer Ole Werner (37) spricht im Interview mit Sport BILD über seinen Wechsel nach Leipzig, eine WhatsApp von Jürgen Klopp (58), die Chancen von Timo Werner (29) und Kameras in der Kabine.
SPORT BILD: Herr Werner, Leipzig ist neben Dortmund der größte Bayern-Jäger. Überrascht Sie das?
OLE WERNER (37): Das überrascht mich nicht völlig, weil wir viel Potenzial haben. Aber, dass wir so gut gepunktet haben, ist nicht selbstverständlich und hat auch viel mit Disziplin und harter Arbeit zu tun.
Welche Ziele haben die Bosse Ihnen aufgetragen?
Das Ziel ist, wieder internationalen Fußball nach Leipzig zu bringen.
Bei der Trainersuche von RB Leipzig waren andere große Namen in der Diskussion. Fühlen Sie sich als Notlösung?
Das interessiert mich nicht. Bis zu dem Moment, in dem ich in Bremen freigestellt wurde, habe ich mit keinem anderen Verein gesprochen, obwohl ich Anfragen hatte. Mir würden solche Gespräche zu viel Energie von meinen eigentlichen Aufgaben ziehen. Dass RB nicht darauf wartet, wann Ole Werner endlich entlassen wird, ist logisch.
Sie haben im Moment des Abpfiffs nach dem ersten Saisonsieg in der Bundesliga gegen Heidenheim eine WhatsApp von Jürgen Klopp mit Glückwünschen bekommen. Wie ist der Austausch mit ihm?
Regelmäßig, mehrmals pro Woche, aber nicht mit festen Terminen. Meistens telefonieren oder schreiben wir per WhatsApp. Es ist gut, mit jemandem sprechen zu können, der den Job kennt, aber etwas weiter weg ist als zum Beispiel meine Co-Trainer. Meistens spiegele ich ihm Situationen, sage, was ich vorhabe, und er sagt mir seine Meinung oder wie er es in ähnlichen Lagen gemacht hat. Er weiß genau: Am Ende sitze ich allein auf meinem Stuhl und habe die Verantwortung.
Ihr Vorgänger, Marco Rose (49), tat sich schwer, die Tipps anzunehmen. Bei Ihnen scheint das anders zu sein.
Wenn es jemand gut meint, gibt es keinen Grund zu sagen, dass ich es nicht hören will. Wichtig ist, dass ich entscheide, welche Dinge ich einbinden kann, weil sie zu meiner Persönlichkeit passen. Wenn ich selbst etwas nicht verstehe oder fühle, merken die Spieler das sofort. Ich muss sagen, ich habe sowieso oft von anderen profitiert.
Wie meinen Sie das?
Die wenigsten Dinge, die ich mache, habe ich erfunden. Das meiste habe ich irgendwo gesehen. Ob es bei früheren Cheftrainern war oder auch mal bei Gegnern. Wenn die etwas gegen uns besonders gut machen, dann kam es schon mal vor, dass ich es übernommen habe.
Sie sollen Klopp bei einer Veranstaltung in Hessen kennengelernt haben. Seitdem habe er Sie intensiv auf dem Zettel gehabt …
Es war die Weihnachtsfeier von Marc Kosicke (Berater von Jürgen Klopp; d. Red.) in einer kleinen hessischen Stadt. Mit etwas Wein und guten Gesprächen – nicht nur über Fußball. Aber es war tatsächlich unsere erste persönliche Begegnung.
Jürgen Klopp ist seit Januar 2025 globaler Fußball-Chef bei Red Bull
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Da wir bei Impulsgebern sind. Sie arbeiten mit einer Sportpsychologin zusammen. Worum geht es dabei?
Es geht meistens darum, dass ich ihr Situationen und meine Lösungsansätze schildere. Sie schätzt es dann ein. Und es geht um Selbstorganisation, also wie ich meinen Kopf freibekomme, um meine Gedanken zu ordnen. Oder wie ich mit Erwartungshaltungen anderer umgehe.
Wie bekommen Sie den Kopf frei?
Für mich ist es gut, an trainingsfreien Tagen nicht im Büro zu sein. Ich bin dann lieber zu Hause, um mich räumlich zu trennen. Das hält mich allerdings auch nicht immer von meiner Arbeit ab (lacht).
Die Mannschaft wirkt sehr geschlossen und fokussiert. Wie sehr hat der Abgang von Xavi Simons diese Entwicklung begünstigt?
Wenn ein prägender Spieler geht, dann entsteht Platz für andere, um zu wachsen. Er war ein starker Charakter im Team. Die Neuordnung in der Mannschaft hat Energie für einen Aufbruch freigesetzt.
Wie groß war die Erleichterung, als Xavi (22/Tottenham) verkauft war?
Ich war erleichtert, als die Transferzeit vorbei war. Bei Xavi war es relativ klar, dass er geht – nur nicht, wann. Das war für den Spieler eine Belastung, es hat die Mannschaft und auch das Umfeld beschäftigt. Das trägt zu einer Unruhe bei. Erst als ich wusste, wie die Gruppe final aussieht und die Transferphase abgeschlossen war, konnte ich konkret planen.
Ihnen wird nachgesagt, dass Sie lieber erfahrene Spieler als junge einsetzen. Jetzt haben Sie aber viele Talente. Macht die Arbeit mit denen Spaß?
Es macht Spaß, mit jungen Menschen zu arbeiten, die eine gute Haltung zu ihrem Job haben. Das kann ich hier wirklich für die gesamte Gruppe sagen. Ich bin ehrlich, mich nervt die Frage etwas, weil ich es schon so oft erklärt habe und es einfach nicht den Fakten entspricht. Um es klar zu sagen: Wenn zwei Spieler auf demselben Niveau sind, spielt bei mir der, der mehr Perspektive für den Verein hat.
Timo Werner hat in Leipzig noch Vertrag bis Sommer 2026, aber keine sportliche Perspektive
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Welche Rolle spielt Timo Werner (29) bis Weihnachten?
Fakt ist, dass wir gerade auf den Positionen, die Timo spielen kann, Spieler geholt haben, die Gesichter der Zukunft sein sollen. Und er hat sicher einen Rückstand, weil er in der Vorbereitung und in der vergangenen Rückrunde wenig gespielt hat. Trotzdem kann auch er seine Rolle durch gute Leistungen verändern.
Hatten Sie von außen einen anderen Eindruck von Werner als jetzt?
Ich möchte niemanden aus der Ferne einschätzen. Jetzt erlebe ich ihn als sehr angenehmen Menschen. Ich habe das Gefühl, dass er bei den Mitspielern anerkannt ist. Er gibt seinen Kollegen Tipps, unterstützt sie auf dem Platz und trägt zur guten Stimmung im Team bei.
Das Video Ihrer emotionalen Kabinen-Ansprache vor dem Spiel gegen Köln wurde veröffentlicht. Wie gut können Sie sich selbst sehen?
Da läuft es mir kalt den Rücken runter (lacht).
Haben Sie ein Problem damit, in der Kabine gefilmt zu werden?
Ich brauche das als Trainer und Mensch eher nicht so sehr, aber ich finde es nicht schlimm. Es wird da wohl selten ein Video geben, in dem man sieht, dass alles drunter und drüber geht (lacht), und man muss auch die Interessen des Vereins sehen. Solche intimen Einblicke binden Fans und schaffen große Nähe zu den Idolen.
Live-Übertragungen aus Kabinen, Interviews von der Auswechselbank, verkabelte Schiedsrichter – wie offen muss der Fußball sein?
Aus reiner Trainersicht ist es für mich relativ klar. Je mehr verborgen bleibt, desto ungezwungener kann ich mit meiner Mannschaft arbeiten. Ich weiß aber auch, dass das für die Attraktivität des Fußballs in einer neuen Generation sehr wichtig ist. Und die Wahrheit ist: Wir leben alle sehr gut von dem Geschäft.
Kritik an Sané: „Wer ist denn da schlechter?“
Quelle: BILD02.10.2025
Warum war Ihre Kabinen-Ansprache auf Englisch?
Am Spieltag mache ich alles auf Englisch, weil es nicht die Zeit gibt, danach Dinge in Ruhe zu erklären. Unter der Woche auf dem Platz, spreche ich einen Mix aus Deutsch und Englisch. Analysen oder Besprechungen mache ich auf Deutsch, die werden simultan übersetzt.
Sie mögen kein Teambuilding mit Schlauchbooten oder Kletterseilen. Warum nicht?
Ich mag so was schon. Aber man darf sich davon nicht den großen Effekt versprechen. Man wird nicht Meister, weil man zusammen beim Rafting war. Man geht raften, um einen schönen Nachmittag zu verbringen. Ein guter Teamgeist entsteht auf dem Platz, in der Kabine, bei Auswärtsfahrten, in den Hotels. Da zeigt sich, wie die Gruppe charakterlich zusammengesetzt ist: Wie gut ist zum Beispiel die Streitkultur?
Sie mögen Stromberg – sind Sie so auch als Chef?
(lacht) Um Gottes willen, ich hoffe nicht. Es macht mir eher Spaß, Teil einer Gruppe zu sein. Natürlich bin ich als Cheftrainer derjenige, der am Ende für viele Sachen die Verantwortung übernimmt. Aber ich möchte, dass sich jeder Spieler und Mitarbeiter wohlfühlt, jederzeit gut abgeholt ist und sein Potenzial entfalten kann.
Nick Woltemade (23), der unter Ihnen in Bremen gespielt hat, ist im Sommer nach Newcastle gewechselt. Wie beobachten Sie seine Entwicklung?
Er ist ein Superfußballer und ein bodenständiger, guter Typ. Seine Entwicklung ist sensationell. Er ist in Elversberg zum Herrenspieler gereift, in Bremen zum Bundesliga-Spieler, in Stuttgart zum Topspieler. Er ist noch nicht am Ende. Nick nimmt Dinge schnell auf, arbeitet an sich, ist reflektiert und hat Talent. Er hat alle Möglichkeiten, sich überall durchzusetzen.