Kiel/Neumünster. „Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen, aber ich entschuldige mich bei Richter, Staatsanwältin, allen Steuerzahlern und meiner Familie“, so hat ein Angeklagter aus Neumünster vor dem Landgericht Kiel am Donnerstag seine Aussage beendet. „Es ist mir peinlich und ich schäme mich“, sagte er unter Tränen.

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Der 49-jährige Neumünsteraner soll insgesamt sieben Millionen Euro an Abgaben hinterzogen zu haben. Das Geld blieb er dem Finanzamt, den Sozialversicherungen und der Sozialkasse Bau schuldig. In seinem Bauunternehmen beschäftigte er mehrere Jahre lang Mitarbeiter schwarz und rechnete nur unvollständig ab.

Am zweiten Verhandlungstag äußerte er sich nun selbst zu den Vorwürfen. Dass er aussagte, ist Teil eines Deals, nach dem das Strafmaß auf einen Rahmen von vier Jahren und neun Monaten bis fünf Jahren und sechs Monaten festgelegt werden soll.

Landgericht Kiel versucht Betrug-Details zu klären

Ziel von Staatsanwältin und Richter war es, zu klären, wie die Vorgänge in der Firma des Angeklagten genau abliefen und wovon er gewusst hat. Er war zwar nicht offiziell Geschäftsführer, bezeichnete sich selber aber als Kopf des Unternehmens. Den Papierkram habe er nicht geregelt, sondern von einem externen Büro erledigen lassen, so der Angeklagte: „Ich kenne mich da nicht aus.“

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Er gab unter anderem zu, Ukrainer schwarz in seinem Unternehmen beschäftigt zu haben. Zuerst, weil sie noch keine Arbeitsberechtigung hatten, aber auch darüber hinaus.

Zu manchem will er nur überredet worden sein, etwa zum Ausstellen von falschen Rechnungen. Kurz bevor der Zoll im April in Neumünster zugeschlagen hatte, habe er geplant, die Strukturen des Unternehmens zu verändern.

Angeklagter fühlte sich ausgenutzt

Er sei auf der Suche nach einem neuen Steuerberater gewesen, auch die Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer habe er genauer überprüfen wollen. Die hätten ihm gegenüber immer wieder gelogen. „Ich habe mich richtig ausnutzen lassen“, sagte der Angeklagte.

Auch zu seiner Motivation äußerte der Neumünsteraner sich: Die Firma habe er gemeinsam mit einem Familienmitglied gegründet, um endlich etwas gegen seine Spielschulden zu tun. „Ich war hoch verschuldet, hatte Depressionen und Angst um meine Familie.“

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Verhandelt wurde vor der 9. Strafkammer des Landgerichts Kiel unter Vorsitz von Markus Richter (2. von links).

Sein Rechtsanwalt Patrick Purbacher wies auf die Berichterstattung der Bild-Zeitung hin, die den Angeklagten nicht zur Genüge anonymisiert habe, wodurch der Familie Nachteile entstanden seien. „Dieser Druck sollte berücksichtigt werden.“

Im Interview hatte er darüber hinaus die Fairness und Umsicht der Kammer gelobt, an die er nun appellierte. Auch bat Purbacher die Staatsanwältin, zu überlegen, ob sein Mandant nicht aus der U-Haft entlassen werden könne, wo er seit einem halben Jahr sitze.

Ich werde nicht fliehen. Was soll ich in der Türkei?

Angeklagter

„Ich werde nicht fliehen“, beteuerte der Angeklagte, der in der Türkei geboren wurde, aber seit 1990 in Deutschland lebt. „Was soll ich in der Türkei? Ich war seit 15 Jahren nur einmal da. Hier sind meine Frau, meine Tochter und mein Sohn, die ich liebe, mein Haus, meine Katzen.“

Angeklagter beteuert: Will ehrliches Leben führen

Er wolle ab sofort die Weichen für ein ehrliches Leben stellen. Sein Traum sei zu studieren oder wenigstens eine Ausbildung zu machen, damit er seinen Kindern ein Vorbild sein könne.

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Übersehen hatte das Gericht bisher allerdings, dass noch ein Strafbefehl gegen den Angeklagten im Raum steht. Er war 2024 zu einer Geldstrafe verurteilt worden, von der noch 3900 Euro abgegolten werden müssen. Nach einer kurzen Besprechung des Rechtsanwalts mit der Familie des Angeklagten, sicherte er zu, dass das Geld bis zum nächsten Verhandlungstermin am 16. Oktober gezahlt werden könne.

KN