
AUDIO: Prothesenhersteller Ottobock wird nun an der Börse gehandelt (1 Min)
Stand: 09.10.2025 16:08 Uhr
Der Medizintechnikhersteller Ottobock aus Duderstadt (Landkreis Göttingen) ist seit Donnerstag an der Börse notiert. Anleger zeigten zum Start großes Interesse an den Aktien.
Ottobock ist erfolgreich an der Börse gestartet. Der erste Kurs an der Frankfurter Börse lag bei 72 Euro – und damit sechs Euro höher als der Ausgabepreis. Mit einem Notierung von zwischenzeitlich 73 Euro pro Papier und einem Erlös von gut 800 Millionen Euro war es der größte Börsengang seit der Parfümeriekette Douglas 2024. Damit ergab sich für das gesamte Unternehmen rechnerisch ein Wert von rund 4,2 Milliarden Euro.
19 Prozent der Anteile jetzt in Streubesitz
Zunächst werden Investoren aber nur etwa 19 Prozent der Anteile angeboten. Nach Angaben von Ottobock wurden insgesamt rund 12,2 Millionen Aktien zu je 66 Euro das Stück ausgegeben. Ottobock-Chef Oliver Jakobi sprach vom „nächsten Kapitel“ für das Familienunternehmen: Mit dem frischen Geld solle unter anderem im Bereich Mensch-Maschinen-Schnittstellen investiert werden. Hans Georg Näder, Eigentümer von Ottobock, hob die Bedeutung der Arbeit des Unternehmens für Menschen mit Behinderungen hervor.
Ottobock-Aktien vielfach überzeichnet

Ein Mitarbeiter trägt zur Demonstration ein Exoskelett für industrielle Anwendungen am Messestand von Ottobock bei der Industriemesse Hannover Messe 2025.
Das Interesse an Anteilen an dem südniedersächsischen Unternehmen war schon vor dem Börsengang groß. Nach Auskunft der mit dem Verkauf betrauten Banken waren die Ottobock-Aktien vielfach überzeichnet – das heißt, die Nachfrage war viel größer als das Angebot. Die Anteilscheine werden im sogenannten Prime Standard gehandelt. Damit erfüllen sie die Voraussetzungen, um etwa in die Dax-Indexgruppe aufgenommen zu werden. Das bedeutet, dass die Aktie besonderen Transparenz-Anforderungen unterliegt. Beispielsweise müssen die Unternehmen nicht nur jährlich, sondern jedes Vierteljahr über ihre Geschäfte berichten.
Eigentümerfamilie muss Schulden tilgen
Bereits im Vorfeld war erwartet worden, dass der Erlös aus dem Aktienverkauf bei rund 800 Millionen Euro liegen dürfte. Davon fließen nach Unternehmensangaben rund 100 Millionen Euro direkt ins Unternehmen, die restlichen 700 Millionen Euro gehen an die Eigentümerfamilie Näder. Die braucht das Geld, um einen Kredit aus dem vergangenen Jahr teilweise zu tilgen: Seinerzeit hatte die Familienholding der Näders dem schwedischen Finanzinvestor EQT dessen Anteile an dem Duderstädter Unternehmen abgekauft, um wieder alleinige Eigentümerin von Ottobock zu werden. Das gelang, aber es blieb eben auch ein gewaltiger Schuldenberg zurück. Laut Börsenprospekt bleibt die Eigentümerfamilie auch nach dem Börsenstart noch auf Schulden von 1,02 Milliarden Euro sitzen. Auch die müssen noch zurückgezahlt werden. Weitere Aktienverkäufe durch die Familie Näder sind daher wohl nicht ausgeschlossen.

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Für die Beschäftigten sei nun Klarheit geschaffen und man spüre eine positive Stimmung, hat die IG Metall festgestellt. Die Gewerkschaft mahnt aber gleichzeitig: „Die Entscheidung, sich dem Kapitalmarkt zu öffnen, darf sich nicht negativ für die Beschäftigten auswirken,“ sagte Sascha Rossmann von der IG Metall und Betriebsbetreuer bei Otto Bock dem NDR Niedersachsen. Die durch den Börsengang eingeworbenen Mittel „müssen für die Weiterentwicklung des Unternehmens und der Arbeitsbedingungen bei Ottobock dienen,“ sagte Rossmann. Auch das Thema Tarifbindung könne Aufwind bekommen, da der Großteil der börsennotierten Unternehmen schließlich Tarifverträge habe.
Bürgermeister begrüßt Einfluss der Näder-Familie
„Ich freue mich, dass sich Ottobock weiterentwickelt,“ sagte Duderstadts Bürgermeister Thorsten Feike (FDP) dem NDR Niedersachsen. Der Börsengang ist seiner Ansicht nach ein „logischer Schritt.“ Dass die Eigentümer-Familie Näder weiterhin deutlichen Einfluss behalten will, findet Feike gut: „Bislang war der Einfluss der Familie Näder äußerst positiv, sie hat Ottobock zum Weltmarktführer gemacht.“
Ottobock in Zahlen
- Umsatz 2024: 1,604 Milliarden Euro
- Umsatzsteigerung (seit 2022): rund 20 Prozent
- Gewinn 2024: 326,2 Millionen Euro (EBITDA – bereinigt: Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibung)
- Gewinnsteigerung (seit 2022): plus 36 Prozent
- Mitarbeitende: 9.300 (eigene Angabe)
- weltweit in 45 Länder tätig (eigene Angabe)
Der dritte Versuch
Bereits vor zehn Jahren hatte Ottobock-Chef Hans Georg Näder davon gesprochen, sein Unternehmen an die Börse zu bringen. 2018 scheiterte der erste Versuch. 2022 waren zuletzt Börsenpläne bekannt geworden. Unter anderem die weltpolitische Lage hatte damals zum Rückzug geführt, Investoren hielten sich zurück. Jetzt scheint das Marktumfeld besser.
„Big Player“ in Südniedersachsen

Ottobock-Chef Hans-Georg Näder.
Ottobock in Duderstadt gehört zu den großen Unternehmen in Südniedersachsen. Und es gibt noch weitere: Der Labor- und Biotechnikzulieferer Sartorius in Göttingen beschäftigt weltweit 13.500 Mitarbeitende und erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 3,4 Milliarden Euro. Der Aroma- und Duftstoffhersteller Symrise in Holzminden erwirtschaftet mit 10.000 Beschäftigten rund 4,7 Milliarden Euro Umsatz (2023). Der Saatguthersteller KWS in Einbeck kam 2024/25 auf einen Umsatz von 1,7 Milliarden Euro und beschäftigt 5.100 Menschen.

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