DruckenTeilen
Ein Hinweisschild mit Bundesadler und dem Schriftzug Bundesgerichtshof. © Uli Deck/dpa
Ein Patient erkrankt nach seinem Corona-Booster 2021 und verklagt die impfende Ärztin. Der BGH urteilt nun, die Verantwortung liege beim Staat
Wenn es in Zeiten der Corona-Pandemie nach einer Schutzimpfung in einer Arztpraxis zu einer schweren Erkrankung kam, wer haftet dann – der Impfarzt oder die -ärztin selbst oder der Staat, der die Impfungen in Arztpraxen veranlasste? Mit dieser Frage hat sich am Donnerstag der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe beschäftigt. Es ging um immerhin 800 000 Euro, die die niedergelassene Ärztin bezahlen sollte. Vorweg: Sie muss nicht persönlich einstehen.
Der Patient war bereits im Mai und Juli 2021 zweimal gegen das Corona-Virus geimpft worden. Die dritte sogenannte Booster-Impfung erhielt er dann im Dezember 2021 in der Praxis der Allgemeinmedizinerin. Drei Wochen später erkrankte er schwer, es wurde eine Herzerkrankung diagnostiziert. Der Mann führt die Erkrankung auf die Impfung zurück und verklagte die Allgemeinmedizinerin auf 800 000 Euro Schadenersatz. Die dritte Impfung sei fehlerhaft verabreicht und er sei nicht hinreichend über Risiken aufgeklärt worden. Nun sei er erheblich eingeschränkt und könne seinen Beruf nicht mehr ausüben. Auch psychische Schäden seien eine Folge.
Unklar, ob Impfung zur Krankheit führte
Ob die Erkrankung tatsächlich auf die Impfung zurückzuführen ist und ob die Aufklärung über die Risiken unzureichend war, darum ging es bisher noch gar nicht. Vielmehr war die Frage, wer überhaupt haftet, wenn es in Zeiten der Pandemie zu Gesundheitsschäden nach einer Impfung in einer niedergelassenen Praxis kam?
Als es endlich Impfstoffe gab, wollte die Bundesregierung erreichen, dass sich möglichst viele Menschen in möglichst kurzer Zeit impfen lassen können. Es gab auch einen Anspruch aller Bürgerinnen und Bürger auf Impfung. Deshalb wurden nicht nur Impfzentren geschaffen, per Verordnung wurden auch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte ermächtigt, Impfungen in ihren Praxen durchführen. Bei den Impfzentren war klar, dass sie im Auftrag der Gesundheitsbehörden tätig waren. Aber handelte auch die Ärzteschaft in staatlichem Auftrag – oder doch in eigener Regie?
Der III. Zivilsenat des BGH stellte am Donnerstag klar: Auch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte führten die Impfungen als Erfüllungsgehilfen des Staates durch. Ihnen sei vorgegeben gewesen, wie sie die Schutzimpfung und begleitende Leistungen, wie Aufklärungsgespräche, vorzunehmen hätten. Folglich seien die Impfungen, die auf Grundlage der damaligen Impfverordnung durchgeführt wurden, dem Bereich staatlicher Betätigung zuzuordnen. „Die Verantwortung für etwaige Aufklärungs- und Behandlungsfehler trifft deshalb grundsätzlich den Staat“, sagte der Richter Ulrich Herrmann in der Urteilsverkündung. (AZ: III ZR 180/24).
Die Entscheidung entlastet niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, die bis April 2023 Corona-Impfungen auf Grundlage der damaligen Verordnung durchführten, vor Schadenersatzforderungen. Für den Patienten, der die Ärztin verklagte, hat das Urteil nun einen erneuten Gang durch die Gerichtsinstanzen zur Folge. Er muss nun den Staat auf Schadenersatz verklagen. In den nun womöglich folgenden Prozessen wird es um die eigentliche Frage gehen, ob nämlich seine Erkrankung auf die Booster-Impfung zurückzuführen ist und ob er über Risiken ausreichend aufgeklärt wurde.