Im Süden Norwegens gibt es alles, was Naturliebhaber glücklich macht: das Meer, Fjorde, Wälder, Berge und Seen. Auch Björn Schierenbeck genießt ihn gerade, den Blick ins Grüne. Allerdings vorrangig aus dem Fenster seines Hotelzimmers. Für touristische Eskapaden hat der Top-Talente-Manager des SV Werder Bremen in diesen Tagen wenig Zeit. Er hält sich aus beruflichen Gründen in der Provinz Telemark auf, genauer gesagt im beschaulichen Skien. Dort feilt die U19 des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) derzeit an der EM-Qualifikation, zum Team gehören mit Karim Coulibaly, Mick Schmetgens und Wesley Adeh gleich drei hochveranlagte Nachwuchskräfte der Hansestädter. Kein Wunder also, dass auch Schierenbeck vor Ort ist, um zu sehen, wie sich das vielversprechende Trio schlägt. Und um auch in der Fremde ein potenzieller Ansprechpartner zu sein. Denn Werders Talentförderung endet nicht an der Stadtgrenze.

Ein Jahr ist es jetzt her, dass Björn Schierenbeck die Koordination von Werders Top-Talente-Programm übernommen hat. Seither ist der ehemalige Profi und Leiter des Leistungszentrums noch näher dran am Geschehen als ohnehin schon. Wenn Chefcoach Horst Steffen beispielsweise beim Bundesligisten zu seinen Trainingseinheiten bittet, steht der 51-Jährige mit auf dem Rasen, beobachtet aus allernächster Nähe, wie sich die Jungspunde des Vereins schlagen. Aber nicht nur dort, bis hinunter zur U17 tut er das. Doch bei der Arbeit des gebürtigen Bremers geht es um mehr als den sportlichen Aspekt, es geht auch um die menschliche Komponente und darum, wie jungen Spielern ein möglichst idealer Übergang vom Nachwuchs- in den Profibereich gelingen kann.

Erwartungen, Druck und Neidmomente

Die namhaftesten Akteure, die aktuell genau diesen Schritt absolvieren, sind Karim Coulibaly und Patrice Covic. Die beiden 18-Jährigen spielen in Horst Steffens Kader nicht mehr nur eine untergeordnete Rolle, Verteidiger Coulibaly ist sogar zur Stammkraft avanciert. Das schürt Erwartungen, erhöht den Druck, kann teamintern aber auch Neidmomente produzieren. Situationen, mit denen ein Jungspund erst einmal umgehen muss. Schierenbeck ist also gleich auf mehreren Ebenen gefordert – doch welche Rolle übernimmt er nun genau? Die des Freundes, Mentors, Ersatzvaters oder Psychologen? „Das müsste man die Jungs tatsächlich selbst fragen. Letztlich hoffe ich, dass ihnen meine Anwesenheit hilft – und das kann auf sehr unterschiedliche Art und Weise sein“, sagt der Top-Talente-Manager im Gespräch mit der DeichStube. „Einige Spieler nutzen das Angebot intensiver, andere weniger, aber sie wissen, dass es dort jemanden gibt, an den sie sich im Bedarfsfall vertrauensvoll wenden können.“

Vielleicht auch gerade in jenen Momenten, in denen es nicht so schnell vorangeht, wie sich das ein Youngster wünscht und es gleichaltrige Kollegen vormachen. Gerade dann ist die richtige Wortwahl wichtig, weiß Schierenbeck. „Ihnen wird dann aufgezeigt, dass sie noch immer voll im Plan liegen und nicht ungeduldig werden müssen. Sie sollen etwa die U23-Spiele als große Chance verstehen, dort können sie regelmäßig Erfahrungen sammeln, denn das ist das A und O“, sagt er. „Es hilft niemandem, wenn er viermal in Folge vielleicht im Bundesliga-Kader war, aber nie gespielt hat. Jedes Talent braucht Spielzeit, um sich weiterzuentwickeln.“

Im Fußball ist es manchmal wie beim Marathon.

Björn Schierenbeck

Und Geduld sowie einen unbändigen Willen. „Im Fußball ist es manchmal wie beim Marathon. Bei Kilometer zehn sind ein, zwei Läufer vorne mit dabei, an einem späteren Punkt haben dann andere eine gute Phase“, erklärt Schierenbeck. „Auch bei uns könnten in drei Jahren andere Spieler auffälliger sein als jetzt. Für uns ist daher wichtig: Wir wollen die jungen Spieler so entwickeln, dass sie eine nachhaltige Bundesligakarriere haben und nicht nur eine punktuelle. Dann haben wir einen guten Job gemacht.“ Dass derzeit gleich zwei Talente bei den Profis mitmischen, sei schön, nach seinen Angaben aber nur ein Zwischenziel. „In dieser Hinsicht hat jeder noch Baustellen, auch ein Karim Coulibaly oder ein Patrice Covic. Jeder ist auf seinem Level schon sehr gut, muss aber auch noch eine Menge für sich tun. Daran arbeiten wir.“

Weil Werder, so ist das ganz normale Geschäft, auch Werte schaffen will. Sportlich wie finanziell. Egal, ob ein Talent nun aufblüht und langfristig bleibt oder aufgrund seiner Leistungen irgendwann teuer verkauft wird, am Ende profitiert der Verein idealerweise auf jeden Fall davon. Erfolg hat eben viele Gesichter. Werder hat in den vergangenen Jahren einiges dafür getan, damit die Coulibalys und Covics keine Eintagsfliegen bleiben. Und Horst Steffen die Tür für die eigenen Talente auch weiterhin nicht verschließt. „Das gesamte Trainerteam hat große Lust darauf, sich mit den jungen Spielern auseinanderzusetzen. Ich erlebe eine große Offenheit – aber auch deshalb, weil die Qualität der jungen Spieler passt“, betont Schierenbeck. „Wenn diese nicht vorhanden wäre, würde es wahrscheinlich anders ausschauen und keiner würde spielen. Die Qualität ist der ganz zentrale Faktor.“

Das wissen auch die Nachwuchsakteure, die merklich nach Höherem gieren, wie Schierenbeck schildert. „Die Jungs sind dankbar, leistungsbereit und sehr lernwillig. Man muss sie sogar manchmal bremsen und davor schützen, dass sie überziehen“, sagt er und mahnt: „Viel hilft nicht immer viel.“

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