Stephan Lippold hat sich für den Abend einiges vorgenommen. Als der Schulleiter des Augsburger Peutinger-Gymnasiums das Wort ergreift, wird es emotional. Seit zehn Jahren ringt er mit der Stadt um Verbesserungen für seine Schule. Bekanntlich platzt das Peutinger aus allen Nähten. Zuletzt tat sich eine Chance auf: Die angrenzende Esso-Tankstelle hat geschlossen, das Areal wird frei. Lippold forderte die Stadt unlängst auf, das Grundstück zu kaufen und anzubauen. Nun richtet er sich direkt an Bildungsbürgermeisterin Martina Wild (Grüne): „Wenn Sie sich dieses Filet-Grundstück entgehen lassen, verliere ich endgültig den Glauben an die Stadt.“ Es ist einer von mehreren – teils sehr emotionalen – Wortbeiträgen, die bei der Live-Diskussion „Darüber spricht Augsburg“ der Augsburger Allgemeinen fallen. AZ-Redakteurin Miriam Zißler diskutiert an diesem Abend mit zwei Politikerinnen sowie Lehrern, Elternvertretern und einem Bauunternehmer das Thema „Undicht, schmutzig, baufällig: Wie steht es um Augsburgs Schulen?“ Wir haben die fünf zentralen Thesen zusammengetragen.

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An den Augsburger Schulen brennt es an allen Ecken und Enden

Gesperrte Turnhallen im Rudolf-Diesel-Gymnasium oder im Jakob-Fugger-Gymnasium, fehlende energetische Sanierung am Bebo-Wager-Schulzentrum, eklatanter Raummangel bei Peutinger-Gymnasium, Holbein-Gymnasium oder Maria-Theresia-Gymnasium. Im einwohnerstarken Lechhausen gibt es bis heute weder Gymnasium noch Realschule. Die Liste an Baustellen ließe sich problemlos fortsetzen. „Es bröckelt in allen Stadtteilen“, sagt Tatjana Dörfler, bildungspolitische Sprecherin der SPD im Augsburger Rathaus.

Es gibt auch positive Beispiele. Bildungsbürgermeisterin Wild nennt die neu gebaute Westpark-Grundschule oder die generalsanierte Hans-Adlhoch-Schule in Pfersee. „Die machen mir keine Sorgen.“ Ansonsten, das räumt auch Wild ein, besteht viel Handlungsbedarf. Dass Wild enorme Altlasten geerbt hat, ist jedem klar. Über Jahrzehnte, erklärt sie, sei viel zu wenig in die Schulgebäude investiert worden. Nun sei der Sanierungsstau enorm. „Wir sind nicht München, wir sind Augsburg und gehen pragmatisch, nach Dringlichkeit vor“, so Wild.

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Die Toiletten stinken zum Himmel

Beispielhaft für den Zustand der Augsburger Schulen – das wird an diesem Abend wieder mehr als deutlich – stehen die in Teilen heruntergekommenen Toiletten. Wie berichtet, beziffert das Amt für Bildungsimmobilienmanagement die Kosten für die Ertüchtigung aller WC-Anlagen an den Augsburger Schulen auf 18 Millionen Euro. Um die größten Baustellen zu beheben, stellte die Stadt Augsburg im Herbst 2024 1,7 Millionen Euro explizit für Toilettensanierung bzw. -instandhaltung zur Verfügung und veröffentlichte eine Prioritätenliste von Schulen, die von den Geldern profitieren sollen.

Bei der zweiten Auflage des AZ-Live-Formats „Darüber spricht Augsburg“ diskutierten Bildungsbürgermeisterin Martina Wild (Mitte) und SPD-Stadträtin Tatjana Dörfler (links). Redakteurin Miriam Zißler (links) moderierte den Abend.

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Bei der zweiten Auflage des AZ-Live-Formats „Darüber spricht Augsburg“ diskutierten Bildungsbürgermeisterin Martina Wild (Mitte) und SPD-Stadträtin Tatjana Dörfler (links). Redakteurin Miriam Zißler (links) moderierte den Abend.
Foto: Annette Zoepf

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Bei der zweiten Auflage des AZ-Live-Formats „Darüber spricht Augsburg“ diskutierten Bildungsbürgermeisterin Martina Wild (Mitte) und SPD-Stadträtin Tatjana Dörfler (links). Redakteurin Miriam Zißler (links) moderierte den Abend.
Foto: Annette Zoepf

Bauunternehmer Elias Puhle, der zuletzt Toilettensanierungen an Augsburger Schulen maßgeblich vorangetrieben und mitfinanziert hat, fasst die Problematik wie folgt zusammen: „Dass viele Toiletten in Augsburger Schulen bestialisch stinken, hat nichts mit den Toiletten an sich zu tun, sondern mit der mangelhaften Reinigung.“

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Die Stadt investiert viel, aber das reicht bei weitem nicht

Seit 2020 habe man 322 Millionen Euro in die Schulsanierungen gesteckt, sagt Wild. Das sei deutlich mehr als vorangegangene Stadtregierungen investiert hätten. Von der nötigen Summe von zwei Milliarden Euro, auf die das Hochbauamt die Kosten für alle Sanierungsmaßnahmen an Augsburger Schulen schätzt, ist man dennoch weit entfernt. SPD-Stadträtin Dörfler kritisiert Wild und die schwarz-grüne Koalition, diese setzten die Prioritäten falsch. Eine SPD-Regierung, so Dörfler, würde innerhalb von sechs Jahren alle Schultoiletten auf Vordermann bringen.

Dörfler ist jedoch auch klar, dass es ohne externe Hilfe kaum geht. Die Politikerinnen hoffen deshalb auf Gelder aus dem Infrastruktur-Sondervermögen des Bundes. Wie viel davon jedoch nach Augsburg fließt, ist bis zum jetzigen Zeitpunkt unklar. Eine Elternvereinigung um Evelin Nehm hat zudem eine Petition gestartet. Das Ziel: Mehr Geld vom Freistaat für ärmere Kommunen wie Augsburg, damit diese die Modernisierungen an Schulen schultern können. Und es geht nicht nur um Sanierungen: In Lechhausen warten Eltern seit Langem auf den Neubau einer Realschule – die werde dringend benötigt, sagt Roman Mönig von der Bürgerinitiative „Aktion Lechhausen – Realschule jetzt“. Wild verspricht, die Pläne möglichst zügig voranzutreiben.

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Ohne private Initiativen wird es schwer

Die Stadt Augsburg ist auf Geld aus Berlin und München angewiesen. Aber nicht nur das: Ohne private Initiativen wären einige Schulsanierungen nicht mehr möglich. Bestes Beispiel: die Toilettensanierungen an der Grundschule Göggingen-West und der Friedrich-Ebert-Grundschule. Zusammen mit Elterninitiativen, Fördervereinen und Vertretern der Schulen trieb der Gögginger Bauunternehmer Elias Puhle die Sanierungen voran. „Ist das die Aufgabe von Privatpersonen?“, fragt Redakteurin Zißler. „Das Engagement ist klasse, aber eigentlich darf das nicht Aufgabe der Eltern sein, es ist eine Pflichtaufgabe der Stadt“, erklärt SPD-Stadträtin Dörfler.

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Umgang mit Schulen wird Lackmustest für künftige Stadtregierung

Es gibt wohl kaum etwas, das radikalen Parteien mehr Auftrieb gibt, als verfallende Infrastruktur und der Eindruck vieler Bürger, dass Kommunen ihre Kernaufgaben nicht mehr erfüllen können. Jasmin Nehm, Schülerin am Fugger-Gymnasium, bringt es auf den Punkt. Vor zwei Jahren habe Wild versprochen, dass die Turnhalle im Fugger-Gymnasium in den kommenden zwei Jahren saniert würde. Passiert sei nichts. „Das führt bei jungen Menschen zu großer Politikverdrossenheit“, sagt sie. Klar ist: Der Sanierungsstau an Augsburger Schulen ist enorm und wird es in den kommenden Jahren bleiben. Im März ist Kommunalwahl. Für die kommende Stadtregierung wird der Umgang mit den Schulen zum Lackmustest.

  • Jonas Klimm

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  • Augsburg Stadt

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  • Martina Wild

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