Marek Wiechers ist Kulturreferent der Stadt München – und dies in fordernden Zeiten. Wirtschaftlich wie gesellschaftlich. Viele, gerade kleinere Veranstalter spüren empfindlich, dass die Menschen sparen, auch an Konzert-, Ausstellungs- und Kinobesuchen. Die großen Kulturinstitutionen der Stadt mussten bereits in den vergangenen Jahren ihre Rücklagen angreifen. Die nächste Kürzungsrunde steht bevor. Das Geld, das das Kulturreferat zu verteilen hat, wird weniger.
Schon allein das könnte einem aufs Gemüt schlagen. Deshalb fragte die SZ zum Abschluss ihrer gleichnamigen Serie auch Marek Wiechers nach seinem „Stück Hoffnung“. Und es gibt tatsächlich ein einzelnes Werk, das ihm da in den Sinn kommt: „Mir fällt spontan ein Musiktitel ein. Der begleitet mich schon seit das zugehörige Album erschienen ist“, erklärt Wiechers. „Das war vor inzwischen 23 Jahren, und der Song spielte immer wieder eine Rolle in meinem Leben. Der Titel lautet „Stay Positive“. Das Album heißt „Original Pirate Material“. Mike Skinner hat es angeblich als Kopf von The Streets mehr oder weniger alleine auf die Beine gestellt. „Die Fans feiern es zu Recht bis heute“, sagt Wiechers.
Mike Skinner hat selbst mit Schicksalsschlägen zu kämpfen. „The Streets“ hat er als Name für seine Band gewählt, weil er seine Musik nah bei den Nöten der Menschen verortet wissen will. (Foto: Monika Skolimowska)
Wenngleich der Titel „Stay Positive“ auf den ersten Eindruck für sich spreche, so sei der Song doch vielschichtig. „Achtet man genauer auf den Text und die Art und Weise, wie er musikalisch inszeniert ist – vielleicht könnte man sagen, als Rap mit Blues-Einschlag – besitzt der Song eine große Melancholie. Vor allem enthält er einen gewissen Zweifel, eine Fragestellung. Der Refrain ist nicht einfach nur ‚stay positive‘, die gesamte Passage lautet: ‚trying to stay positive‘. Das spiegelt die Ambivalenz der derzeitigen Situation durchaus wider“, sagt Wiechers. Manchmal müsse man versuchen, die Hoffnung zu behalten, auch wenn das nicht immer einfach sei. „Letztlich finde ich gerade diese Formulierung, es trotzdem versuchen zu wollen, doch sehr tröstlich“, erklärt Wiechers.
Und er hat sich diese Worte auch zu eigen gemacht. Vor einigen Jahren habe er eine Reise nach Manchester unternommen, erzählt der heutige Kulturreferent. „Dort habe ich ein Schwarz-Weiß-Foto aufgenommen und später darüber die Textpassage gelegt“. Das Bild hängt seither gerahmt in Wiechers’ Diele. „Das heißt, ich laufe jetzt seit 15 Jahren täglich an diesen Worten vorbei.“
Skinners Song beginnt mit der Zeile: „Cause this world swallows souls“. „Er spricht also diese ‚Seelenfresserwelt‘ an, in der wir uns befinden“, sagt der Kulturreferent. „Wer die Biografie von Skinner kennt, der weiß, er hat mit schweren Schicksalsschlägen zu kämpfen.“ Den Tod seines Vaters konnte er nur schwer verwinden. Skinner kämpft mit Spielsucht und Drogenabhängigkeiten.
Münchens neuer Kulturreferent Marek Wiechers
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Für mindestens 15 Monate ist Marek Wiechers der Kulturreferent der Stadt München. Wohin der studierte Jurist mit diesem Amt strebt und welcher Kulturinstitution er besonders verbunden ist.
SZ PlusInterview von Susanne Hermanski
„Dieses Jahr war Skinner seit längerer Zeit mal wieder in München zu Gast“, erzählt Wiechers. „Ich habe ihn im Backstage gesehen, das war ein wunderbares Konzert. Was ich an ihm faszinierend finde? Er hat dieses Debütalbum weitgehend alleine geschrieben und produziert. Es wird immer kolportiert, dass er das daheim in seinem Wohnzimmer aufgenommen hätte. Wie viele Künstlerinnen und Künstler hat er wahnsinnig jung zu musizieren angefangen.“
Ob Wiechers sich identifiziere mit dem Briten? „Das fände ich anmaßend“, sagt der gebürtige Braunschweiger. „Was ich beruflich und privat erreicht habe, fußt tatsächlich auf eigenem Tun. Aber es sind anders als bei Skinner definitiv keine prekären Verhältnisse, aus denen ich stamme. Ich komme aus der bürgerlichen Mittelschicht und einem akademischen Elternhaus. Was mich an Skinner vor allem fasziniert, ist seine enorme Ausdrucksfähigkeit. Das gefällt mir sehr.“
Das gelte im Übrigen ebenso für die klassische Musik, etwa für die „Lieder ohne Worte“ von Felix Mendelssohn Bartholdy. Auch sie besäßen „eine schöne, große Melancholie“. Vermutlich liege gerade darin, sie zuzulassen und auszudrücken, die besondere Kraft der Künste. Und so habe Wiechers bisher auch unter den Kulturschaffenden „keine Verzweiflung erlebt, sondern Kampfgeist“.
