Eigentlich ist der Wahl-Wuppertaler, Jurist und Volkswirt Wolfgang Voosen als bergischer Krimi-Autor bekannt, der seiner Lieblingsstadt mit einer mehrteiligen Krimi-Reihe über die titelgebende „Mordkommission Wuppertal“ ein schriftstellerisches Denkmal gesetzt hat. Doch zur Lesung der VHS Oberberg am Donnerstagabend war der ehemalige Mitarbeiter der Rechtsabteilung eines großen Versicherers aus der Nachbarstadt mit einem anderen Programm in den Mehrzweckraum im Bürgerhaus gekommen.
„Das Dossier“, vor knapp einem Jahr erschienen, heißt sein immer noch aktuelles Buch, das ebenfalls mit kriminalistischen Inhalten zu punkten weiß. Das Buch ist eine romanhaft veränderte und verdichtete Sammlung von wahren Kriminalfällen, die sich im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ereignet haben – in Deutschland, in Polen, in der Ukraine, in Russland und in der Schweiz. Internationales „True Crime“ sozusagen, von einem fiktiven Investigativ-Reporter recherchiert und Wolfgang Voosen in den Rechner diktiert.
Da ist etwa die Geschichte über die Journalistin Verena, die durch den Tod ihres Partners und Kollegen Paul aufs Heftigste erschüttert wurde. Es ging um die Leere, die nach dem Tod eines nahestehenden Menschen Einzug in das Leben der Hinterbliebenen hält. Und weil Wolfgang Voosen schon berufsbedingt für Akribie und Detailgenauigkeit stand, hatte er sich dieser auch für seine schriftstellerische Tätigkeit an- und vorgenommen. Die Zustandsbeschreibung eines Menschen in Trauer, der Umgang von anderen Menschen mit ihnen, die sich entscheiden müssen, wie sie damit umgehen sollten, war präzise, intensiv und spannend zugleich. Und wenn man sich bewusst machte, dass die Geschichten, die der Wuppertaler Autor erzählte, eben auf wahren Begebenheiten beruhten, sorgte das ebenfalls für die intensive Stimmung, die der mit ruhiger Stimme Vortragende zu erzeugen wusste. Es ging um Kapitalverbrechen, Mord, Totschlag – den Tod.
Und nicht zuletzt um die Frage – war gerade dieser Tod von Journalist Paul wirklich der Freitod, als der er verkauft wurde? Oder war es doch Mord? Weil er unangenehme Fragen stellte, weil er zu Dingen recherchierte, die andere Menschen in Bedrängnis zu bringen in der Lage waren? Der Fall der russischen Investigativ-Journalistin Anna Politkowskaja kam einem automatisch in den Sinn, die ihrerseits über Korruption auf höchster Ebene in ihrer russischen Heimat recherchiert hatte – und diesen Willen zur Aufklärung am 7. Oktober 2006 in Moskau mit dem Leben bezahlen musste. Sie wurde im Treppenhaus vor ihrer Wohnung ermordet – dass der russische Präsident Wladimir Putin hier seine Finger im Spiel hatte, ist zumindest naheliegend. Gut möglich, dass die Geschichte um Verena und Paul hier ihren Ursprung hatte…
Der Autor verstand es, seine Geschichten rund um das titelgebende „Dossier“ spannend und lebendig zu erzählen. Er schaffte es, sein Publikum zu fesseln, das ihm gebannt zuhörte und tief in einer Welt einzudringen vermochte, die man doch eigentlich gar nicht kennenlernen will. Aber genau das ist es doch, was gute Bücher schaffen sollten – eine Auszeit vom Alltag, ein Eintauchen in die Fiktion. Selbst wenn sie einen wahren und erschreckenden Kern hat.