Die Eltern von Hanna W. haben sich heute aus dem Verfahren um den Tod ihrer Tochter als Nebenkläger zurückgezogen. Das hat ihr Anwalt Walter Holderle in einer Pressemitteilung bekannt gegeben.

Umstände zum Tod ihrer Tochter spielten keine Rolle mehr

Die Eltern der Medizinstudentin aus Aschau hätten sich dem Verfahren angeschlossen, um Aufklärung über die Umstände des Todes ihrer Tochter Hanna zu erhalten, heißt es darin. Seit der Neuauflage des Verfahrens hätten sie jedoch schmerzlich erfahren müssen, dass die „Person bzw. Persönlichkeit“ ihrer Tochter für die nun zuständige erste Jugendstrafkammer überhaupt keine Rolle mehr spiele.

Vorwurf der Eltern: „Unerträgliche Inszenierung“ der Verteidigung

Die Verhandlungsführung der Kammer habe inzwischen einen Zustand erreicht, der die weitere Teilnahme am Prozess für sie nicht mehr ertragbar mache. Die Strafkammer habe die Verhandlungsführung nahezu vollständig der Verteidigung überlassen. Diese nutze den Prozess „zu einer unerträglichen Selbstdarstellungsinszenierung“ und lasse keine Gelegenheit aus, Polizei, Staatsanwaltschaft und die vormals zuständige zweite Jugendstrafkammer des Landgerichts Traunstein zu diskreditieren. Ein so geführtes Verfahren werde nicht die von ihnen erwartete Aufklärung herbeiführen, so heißt es im Schreiben ihres Anwalts Walter Holderle.

Verteidigung wehrt sich gegen Kritik

Sowohl das Landgericht als auch die Verteidigung zeigten sich von dem plötzlichen Rückzug überrascht. Yves Georg, einer der Verteidiger des Angeklagten, äußerte Verständnis für das Leid der Eltern, kritisierte aber die Begründung, die ihr Anwalt in seinem Schreiben lieferte: „Würde der Nebenklage-Vertreter wirklich glauben, der Kammer sei nicht an einer umfassenden Aufklärung des Geschehenen gelegen, dann wäre der prozessual dafür vorgesehene Weg ein unverzüglicher Befangenheitsantrag“, sagte Georg dem BR.

Da ein solcher Antrag aber „keinerlei Erfolgsaussichten“ habe, wende er sich stattdessen an die Medien. Damit verletze der Anwalt der Eltern auch seine Pflicht, seinen Mandanten zu erklären, „weshalb Gericht und Verteidigung so verfahren wie sie verfahren“.

Landgericht weist Kritik der Nebenklage zurück

Das Landgericht Traunstein wehrt sich gegen den Vorwurf, die Verfahrensführung der Verteidigung überlassen zu haben. Die zuständige Strafkammer kläre den Sachverhalt unvoreingenommen und nach den Vorschriften der Strafprozessordnung auf, so das Landgericht Traunstein auf BR-Anfrage. Dies habe die vorsitzende Richterin zu Prozessbeginn in ihrem Eröffnungsstatement deutlich gemacht. Die Verfahrensleitung unterliege allerdings der richterlichen Unabhängigkeit, weshalb man das nicht weiter kommentieren könne. Für das laufende Verfahren habe die Entscheidung der Nebenkläger zunächst keine Auswirkungen.

Urteil aus erstem Prozess aufgehoben

Im März 2024 hatte das Landgericht Traunstein den Angeklagten Sebastian T. aus Aschau im Chiemgau in einem ersten Verfahren zu neun Jahren Jugendstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung und Mordes verurteilt. Im April 2024 hob der Bundesgerichtshof das Urteil dann auf – wegen der Besorgnis der Befangenheit der damals zuständigen vorsitzenden Richterin.

Das Verfahren wird daher seit Ende September vor einer anderen Jugendkammer des Landgericht Traunstein neu verhandelt. Angeklagt ist noch immer Sebastian T. Dem heute 23-Jährigen wird vorgeworfen, Anfang Oktober 2022 die damals 23 Jahre alte Medizinstudentin Hanna W. ermordet und anschließend in den nahegelegenen Bärbach geworfen zu haben. Die Verteidigung hingegen will beweisen, dass es gar keinen Mord gab – sondern die nach einem Club-Besuch stark alkoholisierte Hanna W. durch einen Unfall starb.

Aus Platzgründen findet der Prozess diesmal am Amtsgericht Laufen statt. Das Gericht hat insgesamt 26 Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil soll nach derzeitiger Planung kurz vor Weihnachten fallen.