Einer oder eine bringt die Lawine immer ins Rollen. In der Schwabenhalle ist es jetzt eine ältere Dame in der ersten Reihe, die sozusagen den Startschuss gibt. Sie ist die Erste, die sich zum Bühnenrand bewegt, als Rainhard Fendrich in der zweiten Hälfte mit „Midlife-Crisis“ einen seiner großen Hits präsentiert. Plötzlich kommen die Fans aus den hinteren Reihen und aus allen Ecken des Saals. Wer jetzt noch etwas vom österreichischen Austro-Pop-Sänger sehen will, muss sich von seinem Sitzplatz erheben. Fendrich genießt das Bad in der Menge und das Publikum genießt Fendrich. Der Abend entwickelt sich für alle Beteiligten immer mehr zu einer Win-win-Situation.
Der gebürtige Wiener, der immer noch die Ausstrahlung und den Charme des ewigen Sonnyboys besitzt, hat die bestens gefüllte Schwabenhalle gut im Griff. Schlank und rank wie immer. Lediglich seine Haare sind im Verlauf der Jahre grauer und dünner geworden. Da darf man als 70-Jähriger schon ein bisserl mit dem Alter kokettieren. Fendrich merkt noch nicht, „dass 70 Jahre das neue 50 ist“, für ihn ist eher 22 Uhr das neue Mitternacht. Schließlich ist er ja „schon älter als der Papst“. Die Qualitäten eines Entertainers sind ihm in die Wiege gelegt. Deshalb war er auch von 1993 bis 1997 Moderator der Fernseh-Kuppelshow Herzblatt.
Rainhard Fendrichs Texte sind hintersinnig, witzig und oft auch nachdenklich
In erster Linie war und ist er jedoch ein Liedermacher, und zwar ein richtig guter. Seine Texte sind hintersinnig, witzig und oft nachdenklich oder traurig. Als er mit Strada del Sole, mit dem er sich selbst auf die Schippe nimmt, einen seiner Tophits spielt, outet er sich, dass er noch nie an der Strada del Sole war. Das Lied hat er in einer österreichischen Pizzeria geschrieben, als er von einem italienischen Kellner unfreundlich bedient wurde. Fendrich und seine vier Begleitmusiker spielen an diesem Abend über 30 Songs. Ein Querschnitt der Karriere. Das fängt an mit „Zweierbeziehung“ (Gestern hod mi s Glück verlassen, 1981) über „Malibu“, „Vogelfrei“, „Kein schöner Land“ (1986), seinen Kinobesuch mit „Frieda“ (2001) oder „Die, die wandern“ (2013).
Dass Fendrich schon so lange im Geschäft ist, ist ein kleines Wunder. Nach jahrelangem Kokain-Konsum in früheren Jahren hing seine Karriere lange am seidenen Faden. Die damalige erfolgreiche Formation Austria 3 mit Wolfgang Ambros, dem mittlerweile verstorbenen Georg Danzer und ihm ging auch deshalb in die Brüche, weil er angeblich in fast jedem Konzertsaal eine meterlange Schneespur hinter sich hergezogen hat. Wegen Drogenmissbrauch wurde Fendrich schließlich im Jahr 2006 zu 37.500 Euro Geldstrafe verdonnert. „Ich habe erkannt, dass ich ohne Rauschgift viel mehr leisten kann“, zeigte sich Fendrich ein paar Jahre später reuig. Also alles Schnee von gestern.
Rainhard Fendrich sprüht in der Schwabenhalle vor Spielfreude
In der Schwabenhalle steht jedenfalls ein ganz in Schwarz gekleideter Rainhard Fendrich, der vor Vitalität und Spielfreude nur so sprüht. „Tango korrupti“ – „hat in Österreich mittlerweile Volksmusik-Charakter“, grinst Fendrich und denkt dabei wohl an die Politiker seines Heimatlandes. Natürlich „I am from Austria“ bevor es in die Pause geht. Im zweiten Teil gibt Fendrich dann richtig Gas. Zeit für sämtliche Hits, die es locker in die Charts schafften. „Es lebe der Sport“, „Macho, Macho“, „Oben ohne“ „Blond“ und „Nur ein Wimpernschlag.“
Schließlich kommt das, was kommen muss. „Weilst a Herz hast, wie a Bergwerk“. Es wird sentimental im weiten Rund. Viele Paare bekommen am Bühnenrand etwas glasige Augen. Fendrich singt mit soviel Wehmut, Schmerz und Glückseligkeit, dass sich die Liebenden mit jeder Liedzeile näher an sich drücken. Sieht etwas komisch aus bei einem jungen Pärchen, das ein Selfie machen will, während es sich küsst. Irgendwie bekommen beide es hin, obwohl natürlich der junge Mann gewaltig schielt, weil er nicht weiß, ob er zum Handy gucken soll oder doch lieber zur Partnerin. Zweimal verabschieden sich Fendrich und seine Musiker und zweimal tauchen sie wieder auf. Viel Beifall ist der Lohn für eine geniale Vorstellung. Bei der letzten Zugabe kommt der Meister allein ans Mikro. Erinnerungen werden wach an Hannes Wader, Wolf Biermann und Franz-Josef Degenhardt. Fendrich mahnt mit der Klampfe. Mit „Nie wieder Krieg“ schickt er sein Publikum nachdenklich auf den Heimweg.
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