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Angekettet und gequält: Die Berichte der zuletzt freigelassenen Hamas-Geiseln aus Gaza lassen erahnen, was die 20 noch lebenden Geiseln durchmachen. Unter ihnen sind auch deutsche Staatsbürger. Eine Übersicht.
Im Rahmen der Vereinbarung über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg sollen nun zügig alle von der Hamas verschleppten Geiseln freigelassen werden. US-Präsident Donald Trump rechnet damit, dass die Übergabe am Montag stattfinden soll.
Insgesamt sind noch 48 Menschen in der Gewalt der Terrororganisation im Gazastreifen, von denen 20 noch am Leben sein sollen. Sie werden unter grausamen Bedingungen festgehalten: Freigelassene Geiseln berichteten von Folter, schweren Misshandlungen, Hunger und schlimmen hygienischen Bedingungen. Wer sind die Männer, die am 7. Oktober 2023 beim Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel verschleppt wurden?
Nach einem Bericht der Jerusalem Post hat die Hamas bereits damit begonnen, die 20 lebenden Geiseln an sichere Orte zu bringen. Der US-Sender CNN berichtet, dass die Terrororganisation Probleme habe, alle Leichname jener 28 Menschen zu finden, die in der Gefangenschaft vermutlich getötet oder gestorben sind. Aktuell will die israelische Regierung keine vollständige Liste mit den Namen jener Personen veröffentlichen.
Gali und Ziv Berman
Terroristen entführten die beiden 28 Jahre alten Zwillingsbrüder, die auch deutsche Staatsbürger sind, aus einem israelischen Grenzort – den Kibbuz Kfar Aza. Die Familie hat von Geiseln, die in einem früheren Austausch freigelassen wurden, erfahren, dass die Brüder im Februar noch lebten, jedoch getrennt festgehalten wurden.
Alon Ohel
Alon Ohel, der auch die deutsche und serbische Staatsbürgerschaft besitzt, wurde beim Nova-Festival aus einem mobilen Schutzraum entführt. Dabei soll es auch zu einer Explosion gekommen sein, bei der der 24-Jährige durch einen Splitter im Auge verletzt wurde. Seine Familie befürchtet, dass er teilweise erblindet sein könnte. Der Pianist soll in Geiselhaft angekettet worden sein.
Matan Zangauker
Matan Zangauker wurde zusammen mit seiner Freundin Ilana Gritzewsky aus dem Kibbuz Nir Oz entführt. Gritzewsky wurde nach 55 Tagen freigelassen und kämpft seither unermüdlich für die Freilassung ihres 25-jährigen Freundes. Dessen Mutter ist eine der bekanntesten Geisel-Angehörigen und scharfe Kritikerin der Regierung.
Ariel und David Cunio
Ariel (28) und David Cunio (35) wurden zusammen mit weiteren Angehörigen entführt. Darunter waren Davids inzwischen fünf Jahre alte Töchter und seine Frau Sharon – bis auf die Brüder kamen alle wieder frei. Bekannte deutsche Schauspieler machten bei der diesjährigen Berlinale auf das Schicksal des Schauspielers David Cunio aufmerksam, der 2013 mit einem Film auf der Berlinale vertreten war.
Omri Miran
Omri Miran (heute 48) wurde aus dem Kibbuz Nahal Oz entführt. Während des Angriffs hielten Bewaffnete seine Familie, darunter seine beiden Töchter im Alter von zwei Jahren und sechs Monaten, in der Küche eines Nachbarhauses als Geiseln fest – und übertrugen die Szene live auf Facebook. Miran und der Vater der anderen Familie, Tsachi Idan, wurden verschleppt. Idans Leichnam wurde bei einem späteren Gefangenenaustausch übergeben, nachdem er in Gefangenschaft getötet worden war. Lishay Miran Lavi, Omris Frau, sagte, ihre jüngere Tochter kenne „Papa Omri“ nur aus Fotos und Videos.
Eitan Horn
Eitan Horn (39) aus Kfar Saba besuchte am 7. Oktober seinen Bruder Iair im Kibbuz Nir Oz. Beide wurden entführt. Die meiste Zeit des Krieges hielten die Entführer sie mit drei weiteren Geiseln in einer schmutzigen Zelle unter der Erde gefangen. Anfang Februar filmten die Milizionäre die emotionale Szene, als den Brüdern mitgeteilt wurde, dass Iair freigelassen werde, Eitan aber in Gaza bleiben müsse. Seit seiner Freilassung setzt sich Iair Horn unermüdlich für seinen Bruder und die übrigen Geiseln ein und reist regelmäßig in die USA, um Politiker zu treffen.
Die freigelassene Geisel Iair Horn trifft im Sourasky Medical Center in Tel Aviv mit seiner Familie zusammen.
Guy Gilboa-Dalal
Der inzwischen 24-Jährige wurde zusammen mit seinem besten Freund Eviatar David vom Nova-Festival verschleppt. Guys Bruder konnte fliehen. Anfang des Jahres veröffentlichte die Hamas Aufnahmen, die zeigen, wie die beiden Freunde die Freilassung anderer Geiseln anschauen mussten und die israelische Regierung verzweifelt anflehen, auch für ihre Freilassung zu sorgen.
Eviatar David
Der Israeli ist der beste Freund von Guy Gilboa-Dalal. Im August veröffentlichte die Hamas ein Video eines abgemagerten und blassen David. Der 24-Jährige sagte, er grabe sein eigenes Grab. Die Zustände der Geiseln in diesen Videos erschütterten Israel und führten zu Massenprotesten, bei denen Zehntausende ein Waffenstillstandsabkommen forderten – eine der größten Demonstrationen seit Monaten.
Avinatan Or
Der inzwischen 32-jährige Avinatan wurde ebenfalls vom Nova-Festival entführt – zusammen mit seiner Freundin Noa Argamani. Israels Armee befreite Argamani im Sommer vergangenen Jahres. Am 7. Oktober veröffentlichte die Hamas ein Video der beiden, das zu den bekanntesten Aufnahmen dieses Tages wurde. Es zeigt Argamani auf einem Geländefahrzeug, wie sie unter Tränen ruft: „Tötet mich nicht!“ und ihre Arme nach Or ausstreckt, der von Bewaffneten von ihr weggeführt wird.
Bar Kuperstein
Bar Kuperstein (23) arbeitete auf dem Nova-Festival als Sicherheitsmann. Zeugen sagten, Kuperstein sei auf dem Gelände geblieben, um Erstversorgung für angeschossene und verletzte Menschen zu leisten.
Eitan Mor
Der 25 Jahre alte Israeli war auf der Wüsten-Party ebenfalls zuständig für die Sicherheit und hat sich Berichten zufolge um verletzte Festivalbesucher gekümmert. Seine Eltern gründeten das Tikva Forum, eine lose organisierte Gruppe von Angehörigen der Geiseln. Sie setzten sich für militärischen Druck – nicht für einen sofortigen Waffenstillstand oder ein Geiselabkommen – als besten Weg zur Heimkehr der Geiseln ein. Diese Haltung brachte Mors Vater in Gegensatz zu vielen anderen Familien von Geiseln.
Rom Braslavski
Der Deutsch-Israeli war als Sicherheitsmitarbeiter bei dem Nova-Festival angestellt und versuchte, Menschen vor Ort zu retten. Im August veröffentlichte die militante Gruppe Islamischer Dschihad ein Video, in dem der 21-Jährige abgemagert zu sehen war. Er flehte um sein Leben und erklärte, Verletzungen am Fuß hinderten ihn am Stehen. Nach Einschätzung von Experten ist Braslavski schwer untergewichtig und hochgradig gefährdet.
Josef-Chaim Ohana
Josef-Chaim Ohana wurde vom Nova-Festival entführt, wo er als Barkeeper arbeitete. Zeugen sahen ihn, wie er versuchte, anderen bei der Flucht zu helfen, bevor er verschleppt wurde. In einem von der Hamas veröffentlichten Video sagte der 25-Jährige im Mai dieses Jahres: „Ein ganzes Land will, dass dieser Alptraum aufhört.“
Elkana Bohbot
Auch Elkana Bohbot (36), Vater eines kleinen Jungen, arbeitete auf der Nova-Party. Im vergangenen Jahr veröffentlichte die Hamas mehrere Videos von Bohbot, die offenbar unter Zwang entstanden. „Seit zwei Jahren kämpfe ich um das Leben meines Mannes“, schrieb seine Frau Rebecca Bohbot auf Instagram. „Dies ist der Moment, in dem ein kleiner Junge zurückkehren wird, um seinen Vater zu umarmen, ein Augenblick, in dem meine Familie wieder zum Leben erwacht.“
Nimrod Cohen
Nimrod Cohen wurde aus einem Panzer entführt, in dem er als Soldat in Südisrael stationiert war. Laut Medien soll eine freigelassene Geisel seinen Eltern von dem nun 21-Jährigen ausgerichtet haben, dass er sie liebe und sie sich keine Sorgen um ihn machen sollten. Seit der Entführung begeht seine Familie keine Feiertage mehr.
Maxim Herkin
Max Herkin (37), der ebenfalls vom Nova-Festival entführt wurde, stammt ursprünglich aus der Ukraine und hat eine kleine Tochter. Kurz vor seiner Entführung schrieb er seiner Mutter eine letzte Nachricht: „Ich liebe dich.“ Im Juli veröffentlichte die Hamas ein Video von ihm, das Monate zuvor unter Zwang aufgenommen worden war. Dort sagte er, die Geiseln fühlten sich nicht wie Menschen.
Matan Angrest
Matan Angrest, ein israelischer Soldat, wurde israelischen Medien zufolge aus einem brennenden Panzer entführt. Der heute 22-Jährige soll Berichten zufolge angekettet und geschlagen worden sein. Seine Familie zählt zu den lautstärksten Protestierenden und ist äußerst kritisch gegenüber Premierminister Benjamin Netanjahu.
Segev Kalfon
Segev Kalfon (27) wurde vom Nova-Musikfestival entführt, wo er zuletzt gesehen wurde, als er versuchte, auf der Autobahn vor den Angreifern zu fliehen. Bei Kalfon war eine Angststörung diagnostiziert worden – ein Umstand, den seine Familie bei der Forderung nach seiner Freilassung besonders betonte. Nach der letzten Waffenruhe erhielt die Familie ein erstes Lebenszeichen, als einige der befreiten Geiseln berichteten, sie seien monatelang mit ihm zusammen festgehalten worden.
Mit Material der Nachrichtenagentur dpa