Insgesamt gibt es laut IUCN 2.159 bekannte Wildbienenarten in Europa. 1.928 seien nun im Rahmen mehrerer Studien untersucht worden. Bei den Hummeln sind 15 Arten betroffen, die nach IUCN-Angaben etwa Erbsen, Bohnen, Erdnüsse und Kleeblätter bestäuben. Auch 14 Arten von Seidenbienen, die häufig Weiden und Rotahorn bestäuben, sind als bedroht eingestuft.
Bei den Schmetterlingen stieg laut IUCN die Zahl der gefährdeten und vom Aussterben bedrohten Arten in Europa innerhalb von zehn Jahren um 76 Prozent. 65 der 442 untersuchten Arten befinden sich nun auf der Roten Liste. Der Madeira-Kohlweißling (Pieris wollastoni), der nur auf der gleichnamigen portugiesischen Insel vorkam und seit Jahrzehnten nicht mehr gesichtet wurde, gilt nun offiziell als ausgestorben.
„Ernsthafte Herausforderungen“
Die IUCN zeigte sich alarmiert, spielen die Insekten als Bestäuber doch eine wesentliche Rolle für Gesundheit, Ernährungssysteme und Wirtschaft. Vier von fünf Kulturpflanzen und Wildblumenarten in Europa seien auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. „Die neuesten Bewertungen der europäischen Roten Liste zeigen ernsthafte Herausforderungen auf, mit zunehmenden Bedrohungen für Schmetterlinge und entscheidende Wildbienenarten.“
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Der Madeira-Kohlweißling gilt nun offiziell als ausgestorben
Die stark rückläufigen Wildbienenpopulationen könnten nicht leicht durch bewirtschaftete Kolonien ersetzt werden, warnte Denis Michez, Hauptkoordinator der Wildbienenbewertung, im Interview mit dem „Guardian“. Bis zu 90 Prozent der Blütenpflanzen in Europa seien auf tierische Bestäubung angewiesen. Verschwinden Wildbienen, könnten auch viele Wildpflanzen wie blumenreiche Wiesen und Orchideenarten gefährdet sein, so der Experte.
Rückgang des Lebensraums
Als eine der wesentlichsten Ursachen für den Rückgang orten die Fachleute den allmählichen Verlust des Lebensraums durch Intensivierung der Landwirtschaft, Entwässerung von Feuchtgebieten, Düngemittel und Überweidung. Erforderlich seien blumenreiche und möglichst naturbelassene Wiesen.
„Stickstoffablagerungen aus Düngemitteln und der weit verbreitete Einsatz von Pestiziden, darunter Herbizide, die die Blumenvielfalt verringern, wirken sich negativ auf viele Bestäuber aus“, so die Weltnaturschutzunion.
Auswirkungen von Erwärmung
Auch die globale Erwärmung wirkt sich auf die Situation der Wildbienen und Schmetterlinge aus. Mehr als die Hälfte aller gefährdeten Schmetterlinge ist durch die Klimakrise bedroht. Das betrifft vor allem jene Arten, die nur auf Berggipfeln vorkommen, da sie sich bergauf bewegen müssen, wenn ihre Lebensräume wärmer werden, dann aber keinen Platz mehr haben.
Durch die globale Erwärmung im Polarkreis verschiebt sich zudem die Baumgrenze Richtung Norden, Sträucher dringen damit in Moor- und Tundragebiete ein. Rentiere können die arktischen Graslandschaften nicht mehr offen halten, da sie das Eis nicht mehr überqueren können. Das hat auch Folgen für Schmetterlinge. Acht Arten, darunter der Arktische Ringelfalter, sind in dieser Region vom Aussterben bedroht.
Hoffen auf EU-Renaturierungsverordnung
Die IUCN appellierte an Regierungen, dringend Schutzmaßnahmen und die Wiederherstellung der Bestände voranzutreiben. Als positiv bewertet Martin Warren, zuständig für die Schmetterlingsbewertung, im „Guardian“, dass es ein größeres Bewusstsein gebe und verwies dabei auf die EU-Renaturierungsverordnung. Dieser zufolge müssen alle EU-Mitgliedsstaaten den Rückgang der Bestäuber bis 2023 umkehren. Schnell helfen könnte beispielsweise, wenn Bauern und Bäuerinnen rund um ihre Felder blumenreiche Ränder schaffen.
Als „schrecklich“ bezeichnete EU-Umweltkommissarin Jessika Roswall den derzeitigen Erhaltungszustand der Bestäuber. Im Sinne der Renaturierung habe die EU-Kommission ein EU-weites Überwachungssystem für Bestäuber eingerichtet. Das solle helfen, die Fortschritte in diesem Bereich im Blick zu behalten.