Woran denkt Walter Nussel als Erstes, wenn es um das Thema Entbürokratisierung geht? „Ganz eindeutig: an den Datenschutz.“ Der Mann muss es wissen, schließlich ist er Beauftragter für Bürokratieabbau der Bayerischen Staatsregierung. Wie und wo der Abbau von Bürokratie gemeinsam mit einem stärkeren Einsatz von Digitalisierung tatsächlich helfen kann, „das Leben der Menschen besser und einfacher“ zu machen, wie es sich Hansjörg Durz vorgenommen hat, Bundestagsabgeordneter aus Neusäß und Vorsitzender des Ausschusses für Digitalisierung und Staatsmodernisierung, das möchte der Landkreis Augsburg in einem neuen Projekt herausfinden, welches zum Modell für ganz Deutschland werden könnte. Die Bewerbung an den Freistaat Bayern für eine „Ermöglichende Verwaltung“ ist bereits abgeschickt.

Andere Länder machen vor, wie Entbürokratisierung funktionieren kann, sagt Walter Nussel bei seinem Besuch im Landratsamt Augsburg. Gemeinsam mit Hansjörg Durz, Landrat Martin Sailer, dem Münchner Landrat Christoph Göbel und dem Meitinger Bürgermeister Michael Higl haben sie die entsprechende Bewerbung jetzt vorgestellt. Denn die beiden Landkreise haben schon Erfahrungen auf dem Gebiet. Im Landratsamt Augsburg kann seit ein paar Jahren ein Bauantrag nicht nur auf Papier, sondern auch komplett online eingereicht werden. Inzwischen gehen 54 Prozent aller Bauanträge digital ein. „Das allein macht sie aber bislang noch nicht schneller“, gibt Landrat Sailer zu.

Warum Amazon damals in den Landkreis Augsburg gekommen ist

Dabei sei die Geschwindigkeit genau der Faktor, der dem Landkreis Augsburg auch als Wirtschaftsstandort Erfolg verspreche. Sailer nennt das Beispiel der Amazon-Ansiedlung in Graben vor ein paar Jahren. Das Unternehmen sei damals auch deshalb in den Landkreis Augsburg gekommen, weil der Antrag schnell bearbeitet wurde. Zwar sei ein Vorteil auf dem digitalen Weg schon jetzt, dass der Antragsteller eines Bauvorhabens immer sehen könne, an welchem Punkt sein Projekt sei. Zudem könnten mehrere beteiligte Behörden gleichzeitig an einem Antrag arbeiten und jeder sei immer auf dem aktuellen Stand.

Wollen zeigen, wie in Bayern Bürokratie abgebaut werden kann (von links): Walter Nussel, Christoph Göbel, Christopher Schuhknecht, Geschäftsbereichsleiter Kreisangelegenheiten im Landkreis Augsburg, Martin Sailer und Michael Higl.

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Wollen zeigen, wie in Bayern Bürokratie abgebaut werden kann (von links): Walter Nussel, Christoph Göbel, Christopher Schuhknecht, Geschäftsbereichsleiter Kreisangelegenheiten im Landkreis Augsburg, Martin Sailer und Michael Higl.
Foto: Annemarie Scirtuicchio/LRA

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Wollen zeigen, wie in Bayern Bürokratie abgebaut werden kann (von links): Walter Nussel, Christoph Göbel, Christopher Schuhknecht, Geschäftsbereichsleiter Kreisangelegenheiten im Landkreis Augsburg, Martin Sailer und Michael Higl.
Foto: Annemarie Scirtuicchio/LRA

Doch gleichzeitig müssen auch in einem digitalen Ablauf alle geltenden Bestimmungen eingehalten werden. Und da komme man immer wieder an einen Punkt, an dem es nicht weitergehe, weiß Walter Nussel. In dem jetzigen Modellprojekt sollten diese Punkte erkannt und beseitigt werden, entweder durch den Abbau von Gesetzen in München oder auch in Berlin, wenn es nicht anders gehe. Zurück zum Thema Datenschutz: Der werde in anderen Ländern, wie Schweden oder Dänemark, anders gehandhabt. Zwar in jedem Fall unter Einhaltung der europäischen Richtlinien, aber da müsse eben nicht auch noch etwas oben draufgesetzt werden, wie es in Deutschland der Fall sei. Nussel gibt ein Beispiel: In der Kommunikation zwischen einem Amt und einem anderen dürften in vielen Fällen die Daten nicht ausgetauscht werden. Ein Antrag muss dann im Zweifel zweimal gestellt werden.

KI hilft im Landratsamt Augsburg schon mit

Nicht nur der Freistaat hat sich auf den Weg gemacht, das Problem der überbordenden Bürokratie endlich anzugehen. Auch in Berlin will man nun handeln. Die Gemeinde Meitingen ist bereits in einem bundesweiten Projekt vertreten, das ebenfalls zur Digitalisierung arbeitet. Auch dort sind Brocken aufgetaucht, die vor Ort noch nicht beseitigt werden können. Bürgermeister Michael Higl berichtet von einem Bauantrag der Gemeinde in der Ortsmitte, der rund ein Jahr lang ins Stocken geraten war, weil die Mitarbeiter viele Gerichtsurteile zum Thema Immissionsschutz prüfen mussten. Auch in solchen Fällen hat der Landkreis bereits Erfahrungen gesammelt. Im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe kann eine Künstliche Intelligenz (KI) Gesetze und Gerichtsurteile zu Zweifelsfällen prüfen, sodass die Mitarbeitenden sekundenschnell einen Überblick über die aktuelle Rechtslage haben. Für Landrat Martin Sailer ist das genau der Punkt, um den es geht: „Spannend wird es dann, wenn wir sehen, wo KI uns tatsächlich schneller machen kann.“

Doch haben ein Landratsamt oder eine Gemeindeverwaltung da immer den richtigen Überblick? Immerhin läuft dort vieles seit Jahrzehnten immer gleich ab. Deshalb haben sich die Landkreise Augsburg und München wissenschaftliche Unterstützung dazu geholt. Die wissenschaftliche Begleitung durch den bundesweiten Experten für Verwaltungsdigitalisierung, Professor Robert Müller-Török, soll sicherstellen, dass die Erfahrungen aus dem Landkreis Augsburg systematisch ausgewertet werden. Bereits im Februar 2026 will man beim Thema Bauanträge so weit sein, dem Freistaat einen Vorschlag machen zu können, wie der Ablauf einfacher werden kann. Bis dahin sollte auch feststehen, ob die Landkreise Augsburg und München tatsächlich Teil des Modellprojekts werden.

  • Jana Tallevi

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