„Moment, ich will hier mal kurz was gerade stellen, das stört mich“, sagt Margrit Christann mitten im Gespräch und geht zu einem Regal, in dem einige Kunstkataloge umgekippt sind. „Viel besser“, sagt sie nach ein paar Handgriffen und nickt kurz in Richtung Bücherschrank. Die 84-Jährige nimmt ihren Job ernst. Und das, obwohl es ein Ehrenamt ist. Seit etwa 24 Jahren arbeitet Christann im Museumsshop der Kunsthalle, der in diesem Jahr seinen 40. Geburtstag feiert. Früher mehrmals die Woche, heutzutage immer freitags am Vormittag. Immer mal wieder macht das Shop-Team vom Museum aus auch kleine Ausflüge. „Mein Mann fügt sich da irgendwie ein“, sagt Christann und lacht.

Während sie durch den Shop geht, hält sie immer wieder inne, um auf besonders interessante Schätze hinzuweisen. Zum Beispiel auf einen Ständer mit Strümpfen. Einmal, erzählt Christann, kam eine Frau in den Laden, die ein bekanntes rotes Kimonomuster mit Kranichen auf ihrem Rock hatte. „Ich habe ihr die passenden Socken und die passende Tasche dazu verkauft.“

Ein paar Schritte weiter zeigt die Shopmitarbeiterin auf ein Regal mit hübschen bunten Trinkflaschen. „Die haben meine Kinder auch schon alle von mir gekriegt“, sagt Christann. Es komme häufig vor, dass sie im Shop passende Geschenke für Freunde und Familie findet. Zum Beispiel Büchlein aus der Reihe „Kunst sortieren“, in der Ursus Wehrli Kunstwerke und andere vermeintlich unordentliche Dinge „aufräumt“. „Solche Witzigkeiten machen mir Spaß“, so Christann sichtlich amüsiert. „Diesen Kalender hier, den kaufe ich mir immer selbst“, sagt sie beim Weitergehen und zeigt auf einen Planer, bei dem jeden Tag ein anderes Kunstwerk vorgestellt wird. „Da lernt man noch was!“

Wenn Kunst von der Arbeit ablenkt

Das Schönste an ihrer Arbeit sei für sie, so Christann, wenn ein Kunde unsicher ist und sich nach ihrer Beratung für einen Kauf entscheidet. „Das beglückt mich“, sagt sie. Und es gibt eine weitere Leidenschaft, die Christann bei ihrer Arbeit im Shop ausleben kann: Papier. Die Rentnerin hat früher als Buchbinderin gearbeitet, sie sei schon immer kunstinteressiert gewesen. Auch weil sie während ihrer Berufsjahre häufig Kunstbücher repariert habe. „Ich habe mich oft festgelesen und dann schnell weitergearbeitet, wenn der Chef geguckt hat“, so Christann mit einem verschmitzten Lachen.

Bei dieser Biografie wundert es nicht, dass jeder Handgriff sitzt, wenn ein Kunde einen Artikel in Geschenkpapier verpackt haben möchte. „Welche Farbe möchten Sie außen haben?“, fragt Christann eine Kundin, deren just gekauftes Buch eingewickelt werden soll, und zeigt ihr das beidseitig farbig bedruckte Geschenkpapier. „Die pinkfarbene Seite bitte“, sagt diese. Gesagt, getan. Doch einfach nur einpacken reicht Christann nicht: „Ich mache Ihnen da einen gelben Streifen drauf“, sagt sie und knickt das Papier gekonnt so, dass das Geschenk am Ende noch einen kleinen Wow-Effekt hat, über den die Kundin sich freut: „So schön hätte ich selbst das nie geschafft!“

Ihr Können kann Christann noch an anderer Stelle einbringen: Anstatt alte Plakate, die sonst im Müll landen würden, zu entsorgen, werden sie von den Ehrenamtlichen im Shop zu kleinen Einschlägen gefaltet, in denen die Museumsshopbesucher gekaufte Postkarten und andere sensible Einkäufe unbeschadet nach Hause transportieren können. Solch filigrane Errungenschaften gibt es einige im Shop. „Die Ecke mit den schönen Papierkarten ist meine Lieblingsecke“, sagt Christann und fährt mit den Fingern ganz vorsichtig über einen farbenfrohen, aus kleinen Pappstreifen geformten Baum, der die Vorderseite einer besonders schönen Karte ziert.

Im oberen Bereich des Shops, bei den Kunstkatalogen, kommt Christann dann noch einmal ins Schwärmen und erinnert sich an all die tollen Ausstellungen, die sie während ihrer 24 Jahre in der Kunsthalle schon miterlebt hat. Die große Van-Gogh-Ausstellung 2002 war die erste Schau, deren Eröffnung sie als Mitarbeiterin begleiten konnte. Viele weitere folgten. „,Ikonen‘ war eine irre Ausstellung“, erinnert sich Christann beim Blick auf die Kataloge zu vergangenen Präsentationen. Auch eine Schau der Künstlerin Lili Fischer aus dem Jahr 2005, die sich mit Faltern beschäftigte, ist der 84-Jährigen in Erinnerung geblieben. Ebenso die Retrospektive der Zeichnerin Nanne Meyer aus dem Jahr 2004.

„Die Arbeit belebt“

„Ich bin all die Jahre mit Freude hiergeblieben“, so Christann. „Die Arbeit belebt, sie muntert auf, aber sie fordert mich auch!“ An ihrem früheren Beruf, der Buchbinderei, habe sie immer fasziniert, dass ihr Schaffen Bewunderung hervorruft. Die bekommt Christann auch in der Kunsthalle – spätestens dann, wenn sie das nächste prachtvoll als Geschenk verpackte Mitbringsel überreicht.

Zur Sache

Zur Geschichte des Kunsthallenshops

Der Wunsch nach einem Shop entstand in der Kunsthalle in den 80er-Jahren. Inspiriert von amerikanischen Museen wollte man damit auch eine neue Einnahmequelle generieren. Den Grundstein für den heutigen Shop legte das Museum im November 1985, als zu einer Paul-Klee-Ausstellung erstmals auch ein Verkaufsstand mit Merchandise-Artikeln aufgebaut wurde. Laut Museum war die Kunsthalle mit ihrem Museumsshop damals ein Vorreiter, an dem sich viele andere Museen später ein Beispiel nahmen. Mit den Jahren wuchs das Shop-Angebot und wurde neben klassischen Produkten wie Postkarten, Katalogen oder Kunstdrucken um zahlreiche weitere Geschenkartikel, praktische Alltagsgegenstände und Kuriositäten ergänzt. Neben Shopleiterin Sonja Lauterbach und einer weiteren fest angestellten Mitarbeiterin sorgen heute insgesamt 60 Ehrenamtliche, die meisten von ihnen Rentner, dafür, dass der Laden läuft.

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