Die städtische Wiesenhalle in Jüterbog ist von der Polizei weiträumig abgesperrt. An mehreren Stellen der kleinen brandenburgischen Stadt 60 Kilometer südlich von Berlin versammeln sich mehrere Hundert Demonstranten. Sie haben bunte Regenschirme dabei und machen sich lautstark bemerkbar. „Nazis raus“, rufen sie im Chor und halten Plakate hoch, auf denen „AfD Verbot jetzt“ steht. Grund für den Protest: Wenige Meter entfernt, in der großen Sporthalle mitten im Wohngebiet, trifft sich an diesem Wochenende die Berliner AfD zum Landesparteitag. Sie wählt ihre Landesliste für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 20. September 2026.

Als Spitzenkandidatin wird mit großer Mehrheit die Berliner Landes- und Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker gekürt. Von den 454 Stimmberechtigten geben 437 ihre Stimme ab, 427 der Stimmen sind gültig. Brinker erhält 400 Ja-Stimmen und nimmt die Wahl unter großem Applaus an. Damit votierten rund 92 Prozent der Teilnehmer für die 53-Jährige, die keinen Gegenkandidaten hatte. Bereits 2021 und bei der Wiederholungswahl 2023 führte Brinker die Partei in den Wahlkampf.

Die AfD-Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker. (Archivfoto)

Brinker: „Aufräumen und für Sicherheit sorgen“

Brinker wurde 1972 im sachsen-anhaltischen Bernburg geboren und kam nach der Wiedervereinigung nach Berlin. Sie studierte von 1994 bis 1999 Architektur an der Technischen Universität (TU), wo sie auch promovierte. Brinker ist seit 2013 AfD-Mitglied und gehört dem Berliner Abgeordnetenhaus seit 2016 an. 2021 übernahm sie zuerst den Parteivorsitz und später den Vorsitz der AfD-Fraktion. Im Gegensatz zu den Landesverbänden Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wird die Berliner AfD vom dortigen Verfassungsschutz nicht als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Allerdings vertreten auch Berliner AfD-Politiker radikale Positionen etwa im Hinblick auf Zuwanderung. Die Partei fordert etwa ein „Programm zur Remigration“.

In ihrer Rede auf der Wahlversammlung lässt Brinker kein gutes Haar an der schwarz-roten Koalition und dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sowie den anderen „Altparteien“. „Wegner hat seine Wähler (…) schamlos hinters Licht geführt“, sagte sie. „Statt aufzuräumen, für Sicherheit zu sorgen, was hat er alles versprochen, versinkt Berlin im Chaos und im Müll. Wir werden das Chaos beseitigen.“

Rechtsextremismus in Berlin und Brandenburg

Von anderen Städten lernen

Die AfD werde als rechtsextremistisch oder rassistisch diffamiert, nur weil sie die Probleme bei Zuwanderung, Kriminalität oder in anderen Bereichen beim Namen nenne. Aber sie sei die Partei der Zukunft und habe die Chance, 2026 in Berlin ihre „Erfolgsgeschichte“ fortzuschreiben, meint Brinker. „Wir müssen endlich diesen linksgrünen ideologischen Mief, der unsere Stadt, unser Land, verklebt, vernebelt, loswerden.“

„Berlin versinkt in Chaos und Müll“, fährt sie fort, „wir werden wieder geordnete Verhältnisse schaffen.“ Sie sei extra nach Kopenhagen gereist, um sich anzuschauen, wie „die Dänen migrantisch geprägte Armutsviertel aufgelöst haben“, sagt Brinker. Man könne von anderen europäischen Städten lernen.

Parteitag AfD Berlin

AfD-Chef Tino Chrupalla sprach als Gastredner beim AfD-Landesparteitag in Jüterbog
© Fabian Sommer/dpa | Fabian Sommer

Chrupalla nennt Berlin „chaotisch und schmutzig“

Der AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla schlägt als Gast des Parteitags in dieselbe Kerbe. Berlin sei in weiten Teilen „chaotisch und schmutzig“, sagt er. Die Kriminalität sei zu hoch, Straßen und Brücken bröckelten. „Diese Hauptstadt hat Deutschland nicht verdient“, sagt Chrupalla. „Wir möchten, dass Berlin wieder ein echtes Aushängeschild wird.“ Ziel der AfD sei, die CDU als zuletzt stärkste Partei bei der Wahl 2026 zu überholen.

Trotz der weiten Anreise ist so gut wie jeder Stuhl besetzt in der Wiesenhalle. Bereits zum wiederholten Mal muss die Berliner AfD für ihren Parteitag nach Brandenburg ausweichen, weil sie in der Hauptstadt keine Räumlichkeiten gefunden hat. Jens, AfD-Mitglied seit einem Jahr und als Helfer im Einsatz, sagt, das sei „ein absolutes Unding“. Er steht im Vorraum der Sporthalle und isst eine Currywurst. Früher sei er bei den Linken gewesen, sagt er, „dort allerdings viel weniger aktiv“.

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Während drinnen die Teilnehmer des Parteitags applaudieren, rufen die Demonstranten vor der Wiesenhalle „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda“. Zu dem Protest aufgerufen hatten verschiedene Initiativen aus der Region Jüterbog und aus Berlin. Ein Vertreter der Gruppen sagt, man wolle ein Signal gegen Rechtsextremismus senden. Die Polizei, die die Halle weiträumig abschirmte, sprach einer Teilnehmendenzahl im niedrigen dreistelligen Bereich. Über Zwischenfälle ist bislang nichts bekannt.

Parteitag AfD Berlin - Gegendemonstration

In Jüterbog protestierten zahlreiche Menschen gegen den AfD-Parteitag.
© Fabian Sommer/dpa | Fabian Sommer

AfD strebt ein zweistelliges Ergebnis an

In der Halle geht unterdessen die Abstimmung weiter. Für Listenplatz zwei kandiert Alexander Bertram, er erhält 355 Stimmen. Den dritten Listenplatz bekommt Rolf Wiedenhaupt. Ihn wählen 388 der Teilnehmer. Insgesamt will die AfD mit 35 Kandidaten auf der Liste in den Wahlkampf ziehen. Momentan stellt die AfD im Berliner Abgeordnetenhaus die kleinste von fünf Fraktionen. Bei der wegen Wahlpannen 2021 vom Verfassungsgericht angeordneten Wiederholungswahl im Februar 2023 kam die Partei auf 9,1 Prozent der Zweistimmen. Beim nächsten Wahlgang am 20. September 2026 strebt sie ein zweistelliges Ergebnis und deutliche Stimmengewinne an.

Mit Brinker ist die Liste der Spitzenkandidaten der größeren Parteien für die Berlin-Wahl 2026 komplett. Für die CDU dürfte erneut der Regierende Bürgermeister Wegner antreten, der seit April 2023 im Amt ist und von einer Koalition aus CDU und SPD getragen wird. Die Sozialdemokraten wollen Steffen Krach als Spitzenkandidaten ins Rennen schicken, der im Moment noch Regionspräsident der Region Hannover ist. Die Grünen-Spitze hat Fraktionschef Werner Graf nominiert, der Linke-Landesvorstand erst am vergangenen Donnerstag die stellvertretende Partei- und Fraktionsvorsitzende Elif Eralp.