
AUDIO: Tiefgründig und mehrdeutig: Werkschau der Kaisering-Preisträgerin (4 Min)
Stand: 11.10.2025 10:44 Uhr
Der Kaiserring der Stadt Goslar – er gilt als eine der wichtigsten Auszeichnungen für bildende Kunst überhaupt. In diesem Jahr, zum 50sten Jubiläum des Kaiserrings, bekommt den Preis die Bildhauerin Katharina Fritsch. Das Mönchehaus Museum zeigt eine Werkschau mit Arbeiten.
Auf einem weißen Sockel steht ein grell-blauer Hahn. Extrem leuchtend, monochrom, mit matter Oberfläche. Ein Raum weiter: in derselben strahlend blauen Farbe zwei lebensecht wirkende Männer, die wie geistig abwesend auf ihre Handys starren. Nebenan prangt eine pechschwarze Maus, überlebensgroß auf einem Sockel. Und gleich gegenüber zu sehen, in knallgelb gehalten, die Abformung einer menschlichen Hand, die wie mahnend einen Zeigefinger wegstreckt.
Die Vorsitzende der Kaiserring-Jury Marion Ackermann lobt die besondere Ausstrahlung der Arbeiten von Katharina Fritsch: „Es gibt eine ganz monumentale Präsenz im Raum. Auch mit so einer Farbabstrahlung. Man vergisst es nie mehr. Gleichzeitig hat es etwas ganz Fragiles, nicht nur, weil die Oberflächen so empfindlich sind.“ Profane Alltagsgegenstände, Personen oder oftmals auch Tiere in Form von Skulpturen abzubilden, und durch eine besonders farbige Oberflächenbehandlung zu verfremden, das zeichnet seit vielen Jahren die besondere Arbeitsweise von Katharina Fritsch aus.

In der Kaiserpfalz hat Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner den undotierten Preis der Bildhauerin überreicht.
Vermeintliche Einfachheit vs. Komplexität der Aussage
Das verwinkelte Mönchehaus Museum in Goslar hat die Künstlerin mit solchen Werken äußerst sparsam bestückt. Auf den drei Etagen sind mit insgesamt elf Skulpturen und 20 Siebdrucken relativ wenige, dafür aber repräsentative Werke der international bekannten Bildhauerin zu sehen. Kuratiert hat die Schau anlässlich der Kaiserringverleihung zusammen mit Katharina Fritsch, Bettina Ruhrberg – bis vor Kurzem Direktorin des Mönchehaus Museums in Goslar. „Die Ausstellung, die jetzt hier zustande gekommen ist, wie sie diese Setzungen gemacht hat, mit ganz wenigen Akzenten, hat sie wirklich jeden Raum genau erspürt“, erzählt die Kuratorin.
Die vermeintliche Einfachheit der Figuren und Motive dürfen demnach aber nicht über die Komplexität der Aussage hinwegtäuschen. Denn alle Werke von Katharina Fritsch sind mit gesellschaftlicher und politischer Bedeutung gleichsam aufgeladen, so Bettina Ruhrberg. Allerdings nie vordergründig, wie die Kaiserring-Juryvorsitzende Marion Ackermann betont – eher auf eine tiefgründige, hintergründige Weise: „Als sie zum Beispiel in London eingeladen war, auf dem Trafalgar Square, da sind ja die männlichen Helden der britischen Geschichte. Sie hat einen blauen Hahn dorthin gesetzt. Sie spielt natürlich damit, dass im Englischen der Cock auch eine Bezeichnung des männlichen Geschlechtsteils ist.“
Subtile Mehrdeutigkeiten in den Arbeiten
Nicht zuletzt wegen dieser subtilen Mehrdeutigkeiten ist die Wahl der Kaiserring-Jury auf Fritsch gefallen. Ob Katholizismus, ob Technologiekritik Fritsch lässt in ihren Werken vieles eher unterschwellig anklingen. Die Künstlerin, Jahrgang 1956, studierte Malerei und Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf und entwickelte dann einen ganz eigenen skulpturalen Stil, mit dem sie ab den 1980er-Jahren einen Ruf erlangte. Heute stehen die Arbeiten von Fritsch in den großen Museen und Sammlungen weltweit.
„Die Wahl ist auf Katharina Fritsch gefallen“, erklärt Marion Ackermann, „weil sie eine Künstlerin ist, die international extremst rezipiert worden ist und in Deutschland vielleicht noch mehr im Mittelpunkt stehen könnte. Und eigentlich ist sie eine ganz klassische Bildhauerin, die zugleich durch die besondere Behandlung der Oberflächen ihrer Skulpturen auch Malerin ist.“
Obwohl die Künstlerin durch den renommierten Kunstpreis Kaiserring im medialen Fokus steht, lehnt sie es grundsätzlich ab, Interviews zu geben. Im Vorfeld der Kaiserringverleihung sorgte dieser Umstand durchaus für Irritationen und Unmut bei Medienvertretenden. Diese hätten natürlich gerne mit der 69-Jährigen persönlich über ihre Arbeit, die Ausstellung im Mönchehaus und ihre Reaktion auf den Kaiserring gesprochen.
Marion Ackermann wirbt jedoch für Verständnis und wagt den Versuch einer Erklärung: „Ich glaube, sie möchte sich diesem entziehen – auch den Aspekten medialer Vervielfältigung, die dann natürlich auch zu einer Festnagelung oder vielleicht auch manchmal Verkürzung führen. So würde ich das deuten. Ich habe aber keine offizielle Antwort von ihr. Sie wollte es nicht.“

Die Schweizer Künstlerin lebt mittlerweile zurückgezogen. Eine Vertraute nahm den Preis stellvertretend entgegen.

Hadfried Rinke starb mit 91 Jahren. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem auch mit dem Bundesverdienstkreuz.