Dresden – Unfassbares Justizversagen in Sachsen!
Der Überfall von Neonazis auf den EU-Parlamentarier Matthias Ecke (42, SPD) in Dresden – auch 17 Monate nach der Tat stehen die jugendlichen Schläger nicht vor Gericht. Nun verzögert sich der Prozess am Amtsgericht noch weiter. Grund: Das Ministerium zog die zuständige Richterin (39) ab.
Justiz mit Erklärungsproblemen
Kürzlich hatte die Behörde von Sachsens Justizministerin Prof. Constanze Geiert (49, CDU) angemahnt, dass im Jugendstrafrecht zwischen „Tat und der Reaktion des Rechtsstaats möglichst wenig Zeit“ vergehen soll, um die „erzieherische Wirkung“ der Strafe sicherzustellen. Doch die Wirklichkeit lässt Sachsens Justiz in keinem guten Licht dastehen.
Einer der Tatverdächtigen (Mitte). Die Polizei fasste die mutmaßlichen Prügler schnell
Foto: Dirk Sukow
Schlägertrupp verprügelt SPD-Politiker
Im Europawahlkampf im Mai 2024 hatte ein rechtsextremer Schlägertrupp EU-Politiker Ecke beim Aufhängen von SPD-Plakaten angegriffen, ihm die Augenhöhle und das Jochbein gebrochen. Der Übergriff sorgte bundesweit für Entsetzen. Aufgrund des Fahndungsdrucks hatte sich der damals 17-jährige Quentin J. im Beisein seiner Mutter gestellt. Dabei soll er die Schläge gegen den SPD-Politiker eingeräumt haben. Ihm und einem Komplizen wird gefährliche Körperverletzung vorgeworfen, einem dritten Beihilfe. Die Staatsanwaltschaft hatte schon im Januar Anklage erhoben.
Richterin geht, ohne Arbeit zu beenden
Doch nun ist die zuständige Jugendrichterin weg, ohne den Fall abgeschlossen zu haben. Der Prozess wurde bis heute nicht terminiert.
Wie BILD erfuhr, arbeitet sie seit Oktober als Referentin im Justizministerium, welches als Ersatz zwei Proberichter ans Amtsgericht schickte. Das Problem daran: Proberichter dürfen keine Jugendstrafsachen wie den Fall Ecke verhandeln. Also muss sich jetzt auch noch ein überlasteter Alt-Richter in den Fall einarbeiten.
Aus dem Ministerium heißt es dazu: „Das Sächsische Staatsministerium der Justiz kann über richterliche Einzelpersonalien grundsätzlich keine Auskunft erteilen.“
Sachsens Justizministerin Prof. Constanze Geiert (49, CDU)
Foto: Sebastian Kahnert/dpa
Ärger in Politik und Justiz
„So etwas darf nicht passieren“, sagt ein Justiz-Insider zu BILD. „Egal, um welchen Fall es sich handelt.“ In der SPD herrscht Verärgerung und auch im CDU-geführten Justizministerium ist man sauer. Der Insider: „Solch eine Abordnung wäre nicht erfolgt, hätte das Gericht rechtzeitig informiert, dass noch offene Verfahren vorhanden sind.“
Die Verantwortlichkeit für die Justizpanne will keiner übernehmen. Das Amtsgericht will konkrete BILD-Fragen nicht beantworten. U. a. weil das Verfahren „nicht öffentlich ausgestaltet“ ist, so Gerichtssprecher Wolfgang Blümbott (65).
Ermittler sicherten Spuren nach dem Überfall auf SPD-Politiker Matthias Ecke
Foto: Thomas Fischer
Blümbott betont aber: „Allein der Öffentlichkeitswirksamkeit eines Verfahrens, insbesondere wegen des Bekanntheitsgrades des Tatopfers“, kann keine „vorrangige Priorisierung“ beigemessen werden. Bei Gericht sei eine „erhebliche Zahl“ solcher Verfahren anhängig, dabei hätten u. a. Haftsachen Vorrang.
Ein Prozess wird wohl nicht vor Frühjahr 2026 stattfinden. Opfer Matthias Ecke zu BILD: „Diese dauernde Verzögerung befremdet mich. Gerade im Jugendstrafrecht ist Tempo wichtig.“