Gina Lückenkemper im Interview
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„Ich sehe: Da geht noch was“
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Video: DER TAG | 10.10.2025 | Jonas Schützeberg | Bild: IMAGO/Beautiful Sports
Ein Zwergdackel im Spitzensport? Möglicherweise unverzichtbar. Sprinterin Gina Lückenkemper verrät im Interview, welche Bedeutung ihr Hund für sie hat, wieso sie die Staffel liebt – und warum sie weiter vom großen Einzelfinale träumt.
rbb|24: Gina Lückenkemper, Sie haben zur Athleten-Eventwoche „Club der Besten“ einen besonderen Gast mitgebracht. Können Sie uns den einmal vorstellen?
Gina Lückenkemper: Das ist mein Zwergdackel Akira. Sie ist seit vier Jahren an meiner Seite, seit den Olympischen Spielen von Tokio. Am Eröffnungstag wurde sie geboren, deswegen hat sie auch einen japanischen Namen erhalten. Akira hilft mir dabei abzuschalten, runterzufahren. Sie hat keine anderen Ansprüche an mich, als mit mir eine gute Zeit zu verbringen.
Wir durften eben ein paar von Akiras Tricks bestaunen, zum Beispiel High Fives mit der linken und rechten Pfote. Um das zu üben, braucht es sicherlich seine Zeit …
Ich bin ja nicht 24/7 auf dem Sportplatz, sondern es bleibt genug Zeit für Erholung. Dazu gehören die gemeinsamen Spaziergänge mit Akira. Es ist auch genug Zeit, um mit ihr solche Tricks zu üben, das macht uns beiden Freude. Es ist eine lustige Abwechslung.
Sie sind oft auf Achse. Begleitet Akira Sie rund um die Welt?
Sie fliegt tatsächlich regelmäßig mit mir nach Florida zum Training [dort trainiert Lückenkemper unter Coach Lance Brauman; Anm. d. Red.].
Sie ist mit fünfeinhalb Kilogramm ziemlich leicht und darf deshalb im Handgepäck mitfliegen. Akira sitzt im Flieger bei mir im Fußraum in der Tasche. Sie hat den entspannteren Flug von uns beiden: Sie schläft einfach durch. Ich bin heilfroh, dass sie mit mir unterwegs ist. Das macht die Zeit in Florida erträglicher, weil es dort auch einsam werden kann.
Und jetzt ist sie hier auch dabei, beim „Club der Besten“. Was ist für Sie das Besondere an der Veranstaltung?
Mir gefällt die Stimmung sehr. Mit den Sportlern zusammenzukommen, den Austausch zu haben, gemeinsam ein erfolgreiches Jahr zu feiern, das ist immer schön.
Sie konnten in diesem Jahr eine weitere WM-Medaille erringen, holten mit der 4×100-Meter-Staffel Bronze in Tokio. Was bedeutet Ihnen dieser Erfolg?
Es ist eine Herausforderung, in einem Nach-Olympia-Jahr zu performen. Für uns war es etwas Besonderes, noch mal mit der Staffel anzugreifen und zu zeigen, dass Bronze bei den Olympischen Spielen im Vorjahr kein Zufall gewesen ist, sondern dass wir auf Welt-Niveau mitmischen können. Es macht uns stolz.
Gina Lückenkemper über den Zieleinlauf in der Staffel
Sie gelten als eines der Gesichter der deutschen Leichtathletik. Nun waren Sie in der Staffel die Schlussläuferin. Wie groß war der Druck?
Ich habe es nicht als Druck wahrgenommen. Ich kann mich bei der Staffel immer noch mal extra pushen, weil es da um das Team geht. Ich genieße das total. In den letzten Jahren bin ich häufig auf der Drei gelaufen, dieses Jahr war es die Schlussposition. Das macht mir Spaß, weil man dann schon ziemlich gut erkennt, wo das Team im Gesamtrennen liegt. Ich liebe das Fangenspielen, ich habe das schon als Kind geliebt. Und auf der Schlussgeraden ist es nichts anderes, als Fangen zu spielen – sofern man nicht gerade vorne liegt. Und das Fliegen liegt mir, es ist eine Stärke, die ich auf der Schlussposition besonders gut ausspielen kann.
Zur Person
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Gina Lückenkemper
vom SCC Berlin ist die erfolgreichste deutsche Sprinterin der vergangenen Jahre. Die in Hamm geborene 28-Jährige gewann unter anderem die Goldmedaille über 100 Meter bei der EM in München (2022) und Silber bei der EM in Berlin (2018).
Bei den Olympischen Spielen in Tokio belegte sie gemeinsam mit der 4×100-Meter-Staffel den dritten Platz und holte so ihre erste Olympia-Medaille.
Mit einer persönlichen 100-Meter-Bestzeit von 10,93 Sekunden (Istaf 2024) war sie so schnell wie keine andere Deutsche seit 1991 (Katrin Krabbe).
Viele rücken bei großen Wettkämpfen die Einzel-Finals in den Vordergrund. Geht Ihnen das selbst auch so? Braucht man Einzel-Medaillen für große Karrieren?
Ich stehe mittlerweile bei neun internationalen Medaillen, sechs davon in der Staffel, drei im Einzel. Nichtsdestotrotz: Es ist mein persönliches Ziel, dass ich in ein großes Einzel-Finale will. [Weder bei Olympischen Spielen noch bei Weltmeisterschaften erreichte Lückenkemper bislang das Finale. Die letzte Deutsche in einem WM-Finale war Melanie Paschke im Jahr 1997; Anm. d. Red.] Ich glaube nach wie vor daran, dass ich das schaffen kann. Auch wenn es kein leichtes Unterfangen ist, darüber bin ich mir im Klaren.
Das klingt nach einem starken Willen. Woraus ziehen Sie Ihre Kraft?
Ich ziehe meine Kraft daraus, dass da noch Potenzial ist. Ich sehe teilweise, was im Training noch möglich ist. Training ist aber kein Wettkampf. Es gilt deshalb zu lernen, das auch im Wettkampf abzurufen. Die Wettkämpfe machen mir am Ende aber auch Spaß, sonst würde ich diesen ganzen Zirkus nicht mitmachen. Ich sehe: Da geht noch was. Ich bin gespannt, wo die Reise hingeht.
In der Leichtathletik gibt es in jedem Jahr einen internationalen Höhepunkt. Im kommenden Jahr sind es die Europameisterschaften in Birmingham. Da will ich natürlich wieder angreifen und um die Medaillen laufen, sowohl im Einzel als auch mit der Staffel. Ich bin gespannt, wo die Reise dann genau hingeht. Noch habe ich mich nicht allzu sehr mit der nächsten Saison beschäftigt, weil ich gerade erst das Jahr abgeschlossen habe. Aber die Europameisterschaften sind für mich im nächsten Jahr auf jeden Fall das große Highlight.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Jonas Schützeberg, rbb Sport.
Beim vorliegenden Text handelt es sich um eine gekürzte, redigierte Fassung.
Sendung: DER TAG, 10.10.2025, 19:15 Uhr