Um mit der wichtigsten Nachricht zu beginnen: Das Seelentier von Benjamin von Stuckrad-Barre ist der Flamingo. Er zierte die Badehose, die der Schriftsteller trug, als er vor Jahren an der Ostsee den Kollegen Martin Suter kennenlernte. Der schien ihm eher so der „Typ Burkini“ zu sein und außerdem ziemlich betrunken, kurzum: Es war der Beginn einer, wie mittlerweile zwei Bücher dokumentieren, wunderbar erfolgreichen Freundschaft.

Wenn Stuckrad-Barre eine unverschämt witzige Pointe nach der anderen raushaut, im Gesprächs-Pingpong mit den Moderatoren Tarkan Bagci und Mona Ameziane, funktioniert dieser „Bookstock“-Abend am besten. 500 Zuschauerinnen und ein paar Zuschauer lassen sich am Freitag am ersten Abend des Festivals in den Bavaria Filmstudios in Grünwald davon live unterhalten. Sie konnten zuvor Freundschaftsarmbänder basteln, Fotos unter einem Bücherbogen schießen und sich von einer Poetin auf einer Schreibmaschine Gedichte schreiben lassen, und jetzt bejubeln sie einen Star nach dem anderen, der auf dem Sofa im Saal Platz nimmt oder remote zugeschaltet wird.

Es sind ausschließlich internationale Bestseller-Autorinnen und -Autoren, die sich hier im lockeren Late-Night-Geplauder ihren Fans präsentieren, in einer bunten Mischung von Romance bis Thriller – Hauptsache, „es soll nicht langweilig sein“, wie Stuckrad-Barre als Grundregel ausgegeben hat. Das ist ganz im Sinne von Nina Hugendubel, die als Geschäftsführerin der veranstaltenden Buchhandelskette kurz vor Beginn der Show im Getümmel anzutreffen ist. Das Festival solle „zeigen, dass Lesen Spaß macht“, sagt sie, „dass es keine langweilige Beschäftigung ist“.

Caroline Wahl plaudert auf dem Sofa über die Verfilmung ihres Bestsellers „22 Bahnen“.Caroline Wahl plaudert auf dem Sofa über die Verfilmung ihres Bestsellers „22 Bahnen“. (Foto: Krisztian Miklos)

Es ist schon ein besonderes Format, vom Münchner Unternehmen über Jahre etabliert. Bewusst biete man eine große Bandbreite, sagt Nina Hugendubel, und so sind nicht nur junge Romance-Leserinnen zu sehen, sondern auch manche Mutter, die vielleicht für Jussi Adler-Olsens Krimis schwärmt. Auch von den Medien her soll für jeden Geschmack etwas dabei sein: Caroline Wahl sitzt mit Regisseurin Mia Maariel Meyer auf dem Sofa, die ihren Bestseller „22 Bahnen“ verfilmt hat; für den Samstag ist die Pop-Sängerin Aurora angekündigt. Bei Hugendubel scheint man überhaupt ein gutes Gespür für die Bedürfnisse der Kundschaft zu haben: Nicht nur der eigene TikTok-Kanal, auch das Festival Bookstock hat eine staunenswerte Reichweite. Denn das Live-Publikum macht hier nur einen Bruchteil aus: Im vergangenen Jahr wurden die zwei Shows binnen weniger Tage 400 000 Mal auf Youtube angesehen, diesmal hofft man auf einen neuen Rekord.

Das ist durchaus möglich, addiert man die Verkaufszahlen der  diesjährigen Autorinnen und Autoren, etwa der us-amerikanischen  Top-Seller Jeffrey Deaver oder Rebecca Yarros, letztere unter anderem für die heiß begehrte Mischung aus Drachen und Sex in ihrer Reihe „Flammengeküsst“ verehrt. Die dystopische Fan-Fiction „Manacled“ ihrer Kollegin Sen Lin Yu wurde mehr als 20 Millionen Mal heruntergeladen. Und die Thriller von Jussi Adler-Olsen sind ohnehin weltweit so gefragt, dass der schwer erkrankte Autor sich nun bei den Kolleginnen Line Holm und Sine Bolther Unterstützung geholt hat, wie das aus Dänemark zugeschaltete Trio erläutert.

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Interessant ist ja schon, dass sich in den Gesprächen so manche der Top-Autoren nicht nur als nahbar erweisen, sondern auch als einstige Außenseiter. Thriller-Star Jeffery Deaver etwa bekennt, dass er in der Schule ein Nerd war, den keiner in seine Gruppe wählen wollte; er rettete sich in die Welt der Bücher. Heute scheint eine seiner größten Ängste zu sein, seine Leser zu enttäuschen. Das mag kokett klingen angesichts von weltweit bislang 50 Millionen verkauften Büchern. Doch jeder Mensch macht sich seinen Druck eben auch selbst: Keines seiner Bücher dürfe nur „interessant“ sein, sagt Deaver, immer soll es einen „Wow“-Effekt auslösen.

Darüber könnte wohl auch Bestseller-Autorin Caroline Wahl einiges erzählen, mit ihrem dritten Roman „Die Assistentin“ gefeiert, aber auch mit Häme konfrontiert. Darum geht es jedoch nicht an diesem Abend, sondern ausschließlich um die Verfilmung von „22 Bahnen“. Lustig ist auch hier manche Anekdote; so schwebte Wahl zunächst ein anderer Titel für den Roman vor: „Überfahrene Radieschen“, was nicht so platt ist, wie es zunächst klingt. Das Seelentier von Caroline Wahl erfährt man an diesem Abend leider nicht. Aber vielleicht gibt’s ja auch Seelengemüse.