Standdatum: 12. Oktober 2025.

Autorinnen und Autoren:
Alexander Schnackenburg und
Verena Patel

Ein Arzt führt mit einem Grundschüler einen Einschulungstest durch

Ein Arzt untersucht, inwiefern ein Kind schulreif ist. Dabei spielen auch motorische Fähigkeiten eine Rolle.

Bild: Imago | Joker

Wann ist ein Kind fit für die Schule? Das soll in der Schuleingangsuntersuchung geklärt werden. Worauf es dabei ankommt – und womit Kinder seit der Pandemie mehr zu kämpfen haben.

In Bremen und Bremerhaven gehen immer mehr Kinder erst ein Jahr später zur Schule als vorgesehen – das zeigen Daten aus einer Antwort des Senats auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft. Demzufolge ist der Anteil der Kinder, die eine sogenannte Rückstellung bekommen, von 2020 bis 2024 leicht gestiegen: um etwa 0,5 Prozentpunkte in beiden Städten. In Bremen waren es im vergangenen Schuljahr insgesamt 303 Kinder, in Bremerhaven 40.

Grundsätzlich wird ein Kind, das bis zum 30. Juni eines Jahres sechs Jahre alt wird, auch in diesem Jahr schulpflichtig (Stichtag 1. August). Der Schulbeginn kann um ein Jahr verschoben werden, wenn „erhebliche gesundheitliche Gründe“ vorliegen, die dafür sprechen. Das Gesundheitsamt gibt bei der Schuleingangsuntersuchung eine Empfehlung ab, nach dessen Vorlage die Bildungsbehörde über eine mögliche Rückstellung entscheidet, teilt das Bremer Bildungsressort auf Anfrage mit. Bei Kindern, die bis zum 30. September eines Jahres sechs Jahre alt werden (sogenannte Karenzkinder), können die Eltern entscheiden, ob sie das Kind noch im aktuellen Kalenderjahr in die Schule schicken wollen oder im Jahr danach. Auf Antrag der Eltern können auch Kinder, die zwischen dem 1. Oktober eines Jahres und dem 31. Januar des Folgejahres sechs Jahre alt werden, schulpflichtig werden, wenn die Grundschule auf Basis einer schulärztlichen Einschätzung zum Ergebnis kommt, dass das Kind schon für die Schule bereit ist.

Schuleingangsuntersuchung ist verpflichtend

Um festzustellen, ob ein Kind eingeschult werden sollte oder nicht, gibt es Gespräche mit den betreuenden Erzieherinnen und Erziehern im Kindergarten, aber auch eine verpflichtende Untersuchung beim Gesundheitsamt, die Schuleingangsuntersuchung. Dort werden wesentliche Dinge geprüft, die das Kind können sollte, um in der ersten Klasse gut zurecht zu kommen. „Wir versuchen, mit unseren Untersuchungen sicherzustellen, dass das Kind zum Beispiel gut sehen kann, wir messen Größe und Gewicht, versuchen dann da zu beraten, und auch, ob man nicht vielleicht noch was machen kann“, sagt Simon Walz vom Kinder- und Jugendgesundheitsdienst im Bremer Gesundheitsamt. Daneben werden viele weitere Fähigkeiten getestet: Das Zählen, die Sprachfähigkeit oder auch die Grob- und Feinmotorik des Kindes.

Die Schulfähigkeit von Kindern ist natürlich sehr individuell. Wonach wir schauen: Sind die Kinder wirklich schulfähig und -bereit und was brauchen sie und was bringen sie im Moment mit?

Simon Walz, Gesundheitsamt Bremen

„Nicht schulfähig ist ein Kind, wenn zu viele Auffälligkeiten festgestellt werden, die eine Beschulung sehr erschweren oder zum betreffenden Zeitpunkt noch nicht ermöglichen“, teilt das Bremer Bildungsressort auf Anfrage mit.

Tendenz seit der Pandemie: Mehr Kinder sind übergewichtig

Die untersuchenden Ärzte verweisen auch auf mögliche Hilfen, falls das Kind in einigen Bereichen sich noch weiter entwickeln sollte. Auch Aspekte aus dem sozialen und emotionalen Bereich spielen eine Rolle für die Schulfähigkeit: Wie lange sich ein Kind konzentrieren kann etwa, ob es sich selbständig an- und ausziehen, sich an Regeln halten, und auch mal eine Enttäuschung verkraften kann.

Walz hat in den vergangenen Jahren beobachtet, dass der Anteil von Kindern mit Übergewicht oder Adipositas gestiegen ist: „Wir haben gesehen, dass Anfang 2020, also zum Beginn der ersten Lockdowns tatsächlich die Quote der Kinder, die übergewichtig ist oder Adipositas hat, angestiegen ist, wir waren davor etwa ein Jahrzehnt lang um 11 bis 11,5 Prozent. Dann stieg es bis 2021 auf das Maximum von über 16 Prozent an. Das sind in absoluten Zahlen etwa 250 Kinder mehr. Das würde ich schon sehr direkt auf Corona und die Lockdown-Maßnahmen zurückführen.“

Auch das Zählen bereitet mehr Kindern Schwierigkeiten: „Es gibt einen standardisierten Test, den wir einsetzen, der festlegt, bis wohin ein Kind in diesem Alter zählen können sollte und da haben wir jetzt fast eine Verdoppelung der Kinder, die nicht richtig zählen können, also einen auffälligen Befund haben. Das ist dramatisch“, sagt Walz. Auch bei der Grob- und Feinmotorik hätten immer mehr Kinder Probleme. Der Kinderarzt sieht dafür unter anderem einen hohen Medienkonsum als Ursache.

Staatsrat: Schnittstelle von Kita und Schule stärken

Torsten Klieme, Staatsrat im Bremer Bildungsressort, ist sich des Problems bewusst: „Das Problem ist real da. Wir haben deutlich mehr Kinder, die zum Schuleintritt nicht die Fähigkeiten mitbringen, die sie eigentlich brauchen, um in der Schule gut klarzukommen. Das sehen wir dann in den späteren Jahren, dass Kinder Entwicklungsverzögerungen haben, dass sie den Übergang in die weiterführende Schule nicht gut schaffen. Dass wir am Ende auch Kinder haben, die ohne Schulabschluss die Schule verlassen, hängt auch damit zusammen, dass sie schon bei Schuleintritt nicht das mitbringen, was sie tatsächlich brauchen.“

Man versuche, möglichst vielen Kindern frühkindliche Bildung zu ermöglichen. In diesem Jahr gingen erstmals keine Kinder bei der Vergabe der Kitaplätze leer aus. „Wir müssen den Impuls an der Schnittstelle von Kita und Schule deutlich stärker machen“, räumt Klieme ein.

Quelle:
buten un binnen.

Dieses Thema im Programm:
buten un binnen, 12. Oktober 2025, 19.30 Uhr