Lange hatte Emmanuel Macron das Image eines politischen Wunderkinds, der einem schwer reformierbaren Land neuen Elan verpassen würde. Mehr als in Frankreich selbst, wo ihm durch seinen bourgeoisen Hintergrund und seine elitäre Laufbahn stets auch Skepsis entgegengebracht wurde, bewunderten viele im europäischen Ausland diesen smarten, redegewandten Präsidenten.
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Acht Jahre später hat sich Macron auf spektakuläre Weise selbst entzaubert. Überall in Europa herrscht Druck auf den politischen Systemen. Es gibt einen generellen Vertrauensverlust und die Rechtsextremen mit ihren einfachen Antworten verzeichnen starken Zulauf.
Die Zeit der Könige ist vorbei
Dennoch ist die Krise in Frankreich nicht nur auf diese allgemeine Entwicklung zurückzuführen, sondern vor allem auf Macron, der sich von der Bevölkerung entkoppelt hat. Er trägt die Verantwortung für das Chaos der vergangenen Woche mit dem Rücktritt von Premierminister Sébastien Lecornu, dem nervösem Verhandeln um eine Nachfolgelösung und der Wiederernennung des Mannes, der gerade hingeworfen hatte. Vielen erscheint Politik endgültig als Farce und unwürdiges Gepokere.
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Der Rückgriff auf seinen Vertrauten zeigt, dass der Präsident keine Ideen mehr hat. Seinem Mitte-Rechts-Lager fehlt eine Mehrheit in der Nationalversammlung, um wenigstens ein so grundlegendes Projekt wie den nächsten Haushalt durchzubringen. Die hohe Verschuldung, die großteils auf seine (Fehl-)Entscheidungen zurückgeht, nimmt ihm jeden Handlungsspielraum. Mit den Oppositionsparteien hat er es sich verdorben, indem er sie und das Parlament jahrelang übergangen hat. Er wollte allein regieren. Doch die Zeit der Könige ist vorbei.
Macron hat sich in eine ausweglose Lage gebracht. Er braucht zumindest einen Teil der Linken, doch deren Forderung nach einer Aussetzung der Rentenreform kann er nicht nachgeben. Er hat sie hart gegen den massiven Widerstands eines großen Teils der Bevölkerung erkämpft. Sie ist notwendig angesichts der Alterung der Gesellschaft und für den Schutz des Systems, kann aber verbessert werden. Darüber hinaus bleibt seine einzige Chance, dem links-grünen Lager, das bei den Parlamentswahlen 2024 am meisten Stimmen erzielte, entgegenzukommen – mit Maßnahmen für mehr soziale Gerechtigkeit, welche die Menschen zu Recht einfordern. Ob er sie nutzen wird?
Entgegen kommt ihm, dass auch keine andere Partei eine Mehrheit hat, die Opposition in sich zerstritten ist und neue Parlamentswahlen überwiegend ablehnt. Mit etwas Glück kann er die noch verbleibenden 18 Monate irgendwie und ohne jeden Reformehrgeiz durchkommen und trotz seiner innenpolitischen Schwäche zumindest bei internationalen Fragen ein gewisses Gewicht bewahren. Es ist ein bitteres, vorzeitig eingeläutetes Ende eines vermeintlichen Ausnahmepolitikers, der vor allem an einem gescheitert ist: seiner eigenen Hybris.