Rückständigkeit holt man nicht dadurch auf, dass man die Wettbewerber kleinmacht. Insofern hat Bundesdigitalminister Karsten Wildberger (CDU) völlig recht, wenn er den Fokus der Debatte um die Marktmacht der Techkonzerne gern verschieben würde: weniger Zerschlagungsszenarien, mehr Konzentration auf eigene Exzellenz. In dieser Hinsicht erinnert Europa noch viel zu sehr an das Kaninchen, das unentwegt auf die Schlange starrt und die eigene Beweglichkeit verliert.

Natürlich ist Wildbergers Ansatz etwas schwungvoll formuliert: Das Pro­blem wäre schon längst gelöst, wenn Europa nur 50 Prozent seiner Energie in die Entwicklung von Alternativen investierte, anstatt fortwährend über die Regulierung großer Techkonzerne nachzudenken, behauptet er kühn. Dabei weiß Deutschlands oberster Staatsmodernisierer selbst am besten: Über Marktmacht und ihren Missbrauch muss Europa natürlich trotzdem nachdenken – und dabei den Fokus auf kluge, umsetzbare Regeln legen, die sich tunlichst nicht wider­sprechen.

Dass diese goldene Regel der Gesetzgebung in letzter Zeit immer wieder gebrochen wurde, lässt Un­ternehmen zunehmend verzweifeln. Das entstandene Chaos aufzulösen, wird noch jede Menge Energie kosten.

Aber Wildberger hat natürlich recht, wenn er fordert, dass Europa sich mit gleicher Verve auf eigene Lösungen stürzen sollte. Nicht zuletzt der neu aufgeflammte Handelskrieg zwischen den USA und China führt der Staatengemeinschaft einmal mehr brutal die eigene Beschränktheit vor Augen. Voll im Schussfeld, aber ohne echte Handlungsoption, so steht Europa gerade da. Das sollte ein Antreiber sein, auch digital souverän zu werden. Das gilt sowohl für den Aufbau der Infrastruktur durch leistungsfähige Rechenzentren als auch im Bereich der Künstlichen Intelligenz.

Auf diesem Feld ist Europa noch lange nicht abgehängt und sollte sich das auch nicht einreden lassen. Nur wenig entwickelt sich gerade so rasant wie die Arbeit an KI-Modellen und ihren Anwendungen. Dafür braucht es aber den Mut, sich auf unbekanntes Terrain zu wagen und viel Geld zu investieren. In dieser Hinsicht hat Europa noch viel Nachholbedarf.