Berlin – Am Ende ging es so schnell, wir hatten nicht mal Zeit, uns zu verabschieden. Die BILD-Redaktion trauert um Franz Josef Wagner, ihren vielleicht kreativsten Schreiber und Kolumnisten, der fast ein Vierteljahrhundert lang täglich Millionen Leser begeisterte.
Genau zwei Monate nach seinem 82. Geburtstag starb FJW am Montag im Kreis seiner Familie in einem Berliner Krankenhaus. Die Urnen-Beisetzung findet im engsten Familienkreis statt.
FJW hatte sich bei den BILD-Lesern am 25. September nach 5250 Kolumnen in „eine Pause“ verabschiedet. „Aber ich freue mich, schon bald wieder für Sie zu schreiben.“
Wir sind traurig, dass die „Pause“ nun eine Ewigkeit dauert. Hier lesen Sie, was Prominente und Weggefährten FJW mit auf den letzten Weg geben.
Tagesthemen-Moderator Ingo Zamperoni
„Tagesthemen“-Moderator Ingo Zamperoni (51) vor einem überlebensgroßen Bild von Franz Josef Wagner
Foto: ARD
Dienstag, 22.15 Uhr, die Tagesthemen in der ARD. Ingo Zamperoni (51) moderiert die Sendung mit den Themen des Tages: der 2. Jahrestag des Hamas-Massakers, die Drohnen-Debatte – und der Tod von BILD-Kolumnist Franz Josef Wagner.
„Er schrieb an Kanzler, Könige, ganze Generationen …“, sagt Zamperoni, Wagner sei „geliebt und gefürchtet, auf jeden Fall aber Kult“ gewesen. Im Beitrag würdigt Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (60) FJW als einen „der bekanntesten Kolumnisten Deutschlands“ und als einen „Mann mit Herz“.
Verleger Hubert Burda
Bei der Bambi-Verleihung 1994: Verleger Hubert Burda (damals 54, r.) mit Ehefrau Maria Furtwängler (damals 28) und Franz Josef Wagner (damals 51)
Foto: BRAUER
Ich habe drei Jahre mit ihm die BUNTE gemacht. Was für ein toller, kreativer Chefredakteur!
Verleger Hubert Burda (85)
Torwart-Legende Oliver Kahn
2002: Zwei Tage vor dem WM-Halbfinale gegen Südkorea interviewt FJW auf Jeju-Island Oliver Kahn (heute 56, l.) in einem DFB-Fahrzeug. Das Gespräch dauerte länger als geplant, fast wäre Kahn zu spät zum Mittagessen im Mannschaftshotel gekommen
Foto: Andreas Pohl / BILD
Franz Josef Wagner war laut, direkt, schonungslos ehrlich. Er hat mich oft beschrieben – mal als Titan, mal als Torwart mit zu viel Testosteron. Ich habe nicht immer gelächelt beim Lesen, aber in einem waren wir uns einig: ohne Kontroverse wird es langweilig.
Franz Josef Wagner war eine Stimme, die man nicht überhören konnte. Er schrieb mit Leidenschaft, immer überraschend und traf damit oft mitten ins Herz seiner Leser. Auf jeden Fall war er ein Original. Und Originale gehen nie ganz.
Ruhe in Frieden, Franz Josef Wagner. Ihr Oliver Kahn
Schauspielerin Uschi Glas
TV-Legende Uschi Glas (81) kannte FJW seit Jahrzehnten
Foto: Daniel Biskup/BILD
Lieber Franz Josef,
kennengelernt haben wir uns vor ach-wie-vielen Jahren in München. Damals hast Du hier gelebt, gearbeitet, geschrieben. Und unser Leben ein bisschen BUNTEr gemacht.
Dann verloren wir Dich an die Hauptstadt. Du bist nach Berlin gezogen. Aber natürlich bliebst Du uns erhalten. Deine morgendlichen Briefe zu lesen, wurde ein lieb gewonnenes Ritual. Für Dieter und mich. So wie für Millionen Deutsche in der ganzen Republik.
Die Post von Wagner läutete unseren Tag ein. Du hast uns oft zum Schmunzeln gebracht.
Immer zum Nachdenken. Gern mal zum Um-die-Ecke-Denken. Gelegentlich zum Grübeln (ja mei, wie meint er das denn jetzt?).
Deine Zeilen waren immer ganz nah am Puls der Zeit. Sie werden fehlen. So wie Du. Deine Uschi
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Show-Gigant und Moderator Thomas Gottschalk (75)
Foto: ©Niels Starnick/BILD
„De mortuis nil nisi bene“, über Tote soll man nur Nettes sagen – wussten schon die alten Römer.
Zu F. J. Wagner wäre mir auch dann nur Gutes eingefallen, wenn er noch leben würde!
BILD-Kolumnist Alfred Draxler
Zwei große deutsche Sport-Journalisten: Alfred Draxler (heute 72, l.) und Franz Josef Wagner 2011 in Berlin
Foto: BILD
Lieber Franz Josef,
ich weiß nicht, wo Du jetzt bist! Aber ich weiß, dass Du mir diesen Brief um die Ohren hauen würdest. „Schon der 1. Satz ist scheiße“, würdest Du sagen. „Der 1. Satz ist das Wichtigste.“ Ich werde nie mehr einen Brief schreiben können, ohne dabei an Dich zu denken!
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Wir kannten uns seit 45 Jahren. Wir fuhren gemeinsam zur Fußball-EM 1980 in Rom. Du warst nur für die Big Storys zuständig. Und natürlich sind wir Europameister geworden. Du warst 36. Du trugst teure, schneeweiße Maßhemden. Und Deinen Espresso hast Du mit Grandezza auf Italienisch bestellt. Ich, der junge Reporter aus dem Kohlenpott, habe Dich bewundert. Dieses Gefühl war für immer.
Später haben wir viele Jahre jeden Tag über Deine „Post von Wagner“ gesprochen. Du zu Hause an Deinem Schreibtisch, umnebelt von filterlosen Gitanes-Zigaretten. Ich in der BILD-Redaktion. „Arschloch“, hast Du mich beschimpft, wenn ich glaubte, etwas kritisieren zu müssen. Aber das hat mich nicht gestört. Meistens hattest Du sowieso Recht!
Jedes Wort war für Dich wie ein Kampf gegen wilde Tiere. Jeder Satz wie ein Aufstieg auf den Mount Everest. Bei der Weltmeisterschaft in Mexiko mussten wir in Deinem Hotelzimmer nachts um 3 den schweren Schreibtisch von einer Wand an die andere schieben. „Da fließt der 1. Satz besser“, hast Du gesagt.
In Deinem Buch „Brief an Deutschland“ schreibst Du in einer Widmung für mich: „Du hast mir beim ersten Satz geholfen. Journalisten küssen sich nicht, sie trinken miteinander ein, zwei …“ Seit Du nicht mehr da bist, habe ich schon mehr getrunken. Und irgendwie warst Du immer noch dabei. Es ist ein gutes Gefühl!
Herzlichst für immer, Dein Alfred
Moderator Markus Lanz
TV-Moderator Markus Lanz (56). FJW schrieb auch über ihn
Foto: Georg Wendt/dpa
Lieber FJW …
erst kürzlich haben Sie noch über mich geschrieben. Ich habe mich total darüber gefreut. Ich kannte Sie nicht, wir haben uns nie getroffen. Ich bin von Ihnen auch schon übel vermöbelt worden. Aber irgendwie berührt es mich sehr, dass Sie tot sind.
Herzlich, Markus Lanz
Robert Schneider, Chefredakteur BILD-Gruppe
FJW mit BILD-Autor Norbert Körzdörfer (71, l.) und BILD-Chefredakteur Robert Schneider (49)
Foto: Privat
„Bring Kuchen mit“, war der letzte Satz, den Du, lieber Franz Josef, im Krankenhaus zu mir sagtest. Er klingt heute wie ein Lebewohl.
Unsere Zigaretten hatten wir heimlich auf dem Klinikdach ausgedrückt – die tödlichen Geliebten, wie Du sie nanntest – und wir verabredeten uns für diese Woche als Nichtraucher.
Am Mittwochmorgen, einen Tag nach der Todesnachricht, bewirbt sich ein Mann aus Österreich (es ist nicht Walter) als Nachfolger für Deine Kolumne. Er könne es ähnlich gut, sei mal Journalist des Jahres gewesen.
So viel heiße Luft. Ich rauche erst mal weiter. Den Kuchen holen wir nach.
Herzlichst, traurig und für immer, Dein Robert
Dr. Thomas Steg, Chef-Lobbyist Volkswagen AG
Anfang Juli 2025, einer der letzten gemeinsamen Fußball-Abende im Wohnzimmer von FJW: rechts Thomas Steg (65), früherer Vize-Regierungssprecher bei Schröder und Merkel
Foto: Privat
Lieber Franz Josef,
du wolltest leben. Am liebsten ewig. Natürlich in deiner großen Altbauwohnung mitten im alten West-Berlin. Vor allem aber selbstbestimmt, nicht von fremder Hilfe abhängig.
Jeden neuen Morgen hast du als ein Geschenk empfunden. Nicht nur, wenn die Sonne schien oder die Vögel fröhlich sangen. Und wenn du mal ein bisschen holprig in den Tag kamst, dann weckte ein starker, heißer Ristretto deine Lebensgeister. Deine Lebensfreude war ansteckend. Und sie hat dich stark gemacht. Aus deiner Freude am Leben wurde gerade in den letzten Jahren ein Wille zum Leben und eine Kraft zum Leben.
Du warst gern unter Menschen. Wenn du einen interessanten Menschen in ein Gespräch verwickeln oder eine Person kennenlernen konntest, indem du ihr Fragen stellst und Antworten entlockst, das waren für dich, Journalist durch und durch, Situationen, die dich glücklich machten.
Eine besondere Freude, die wir beide intensiv geteilt haben, war der Fußball. Der Fußball war für dich die perfekte Metapher für das Leben. Denn der Fußball bietet alles: Sieg und Niederlage, Freude und Enttäuschung, Disziplin im Team und Kreativität des Genies, Emotionen und Leidenschaft. Hunderte Spiele haben wir zusammen angeschaut.
In den Jahren bist du sogar zu einem BVB-Sympathisanten geworden. Jetzt wird es keine Bundesliga mehr mit dir geben. Der Fußball bleibt ein Spiel auf zwei Tore. Und doch, der Fußball ohne dich wird ein anderer sein.
Herzlichst, Dein Thomas
Walter M. Straten, Vize-Sportchef BILD
Walter M. Straten (67) ist Vize-Sportchef von BILD
Foto: BILD
Fünf Wochen unterwegs mit Franz Josef Wagner in Japan und Korea bei der Fußball-WM 2002. Nicht alles kann man erzählen. Aber z. B. die Rotwein-Versöhnung mit Winni Schäfer.
FJW hatte dem deutschen Trainer unseres Gruppengegners Kamerun in seiner Post vorgeworfen, er presse als Söldner Millionen aus Afrikas „toter, roter Erde“ raus.
Winni war auf dem Baum, durfte immerhin in BILD eine Antwort an FJW schreiben. Das empörte wiederum den Kolumnisten.
Versöhnt: Wagner mit Winni Schäfer (heute 75, r.) 2002 bei der WM in Japan. Deutschland gewann das Gruppenspiel gegen Kamerun 2:0, wurde am Ende Vize-Weltmeister
Foto: Andreas Pohl / BILD
Der Chefredakteur entschied: Franz Josef, du fliegst zur Aussprache. Einmal quer durch Japan zu Schäfers Kamerun-Camp zu Füßen des Fuji! Zwei Tage blieb FJW verschollen.
Ich traf ihn erst im Stadion kurz vor dem Spiel. Und wie begrüßte er mich? „Heute bin ich für Kamerun.“
Wieso? „Ach weißt du, Deutschland war schon so oft Weltmeister. In Afrika würden sie sich viel mehr freuen. Mit Winni habe ich eine schöne Flasche Rotwein getrunken. Guter Typ.“
Als ich nach dem Tod von Franz Josef mit Schäfer (heute Sportdirektor in Ghana) telefonierte, sagte er: „Franz Josef hatte die Größe, nicht an seiner Meinung festzukleben. Die Versöhnung werde ich nie vergessen.“
Dein Walter