In dieser Klasse haben die Schülerinnen und Schüler oft zum ersten Mal das Gefühl, dass sie angekommen sind – bei Kindern, die ähnlich denken und „ticken“. Sätze wie diesen hört die Schulpsychologin Karin Staffler dann immer wieder: „Endlich sind da Kinder, die ticken wie ich und die sich für Astronomie interessieren oder verrückte Ideen spinnen.“ Die Schülerinnen und Schüler, um die es dabei geht, sind hochbegabt. Das heißt, ihr Intelligenzquotient (IQ) liegt bei mindestens 130. In normalen Schulklassen tun sich hochbegabte Kinder mitunter schwer. Am Augsburger Gymnasium St. Stephan gibt es deshalb eigene Klassen für sie.
„Viele erleben sich bereits in der Grundschule als Sonderlinge“, sagt Psychologin Staffler. „Dabei können sie ihre Intelligenz nicht runterschrauben.“ Schüler könnten nicht nur überfordert, sondern auch unterfordert sein. Die Anzeichen sind oft ähnlich und äußern sich in Leistungs-, Motivations- und Konzentrationsstörungen oder Problemen im Sozialverhalten. Eine Hochbegabung kann eben nicht nur ein Vorteil sein, sondern auch anstrengend: 40 Prozent der Eltern hochbegabter Kinder berichten laut der Karg-Stiftung, die sich für die Hochbegabten-Förderung engagiert, von Problemen im Familienalltag.
Klasse für Hochbegabte an Gymnasium in Augsburg: „Lehrplan wird schneller bewältigt“
In der Modellklasse des Augsburger Gymnasiums gehen die Lehrer auf die besonderen Bedürfnisse von Hochbegabten ein. Für den Unterricht bedeutet das: „Der Lehrplan ist der gleiche, nur wird er deutlich schneller bewältigt“, sagt Schulleiter Alexander Wolf. Die so entstehenden Lücken im Schuljahr werden für kompliziertere Aufgaben genutzt. „Die Vorbereitung auf den Unterricht ist intensiv, manchmal nehmen die Stunden eine unvorhergesehene Wendung durch Fragen der Schüler“, erklärt Wolf. Als Lehrer sei er nicht der Taktgeber, sondern er ermutige die Kinder, eigene Lösungen zu finden.
Neben der Anreicherung des Unterrichts durch Projektwochen und Vertiefungskurse spielt das soziale Miteinander eine Rolle. „Besonders in der fünften und sechsten Klasse muss eine Klassengemeinschaft geformt werden“, sagt Wolf. Kontaktlehrer in der Unterstufe und regelmäßige Lerncoaching-Gespräche in den höheren Klassen treiben diesen Prozess voran. „Wir haben eine bunte Mischung an Kindern und viele haben bisher nicht gelernt, zu lernen, weil sie es nicht gebraucht haben.“ Lernstrategien zu vermitteln, um Frust zu vermeiden, sei deshalb wichtig. Damit die kleinen Genies lernen, auch mit anderen klarzukommen, gibt es auch gemeinsame Unterrichtsstunden mit den Regelklassen – zum Beispiel in Sport und Religion und ab der Oberstufe in den Wahlkursen.
Rund 40 bis 50 Schüler bewerben sich jedes Jahr für das Angebot des Augsburger Gymnasiums
Rund 40 bis 50 Schüler bewerben sich jedes Jahr nach der vierten Klasse auf die 22 bis 23 Plätze in der Modellklasse. Andere finden später als Quereinsteiger ihren Weg. Auch manches „Arbeiterkind“ sei darunter; Kinder mit Migrationshintergrund ebenso. Ein differenziertes Testverfahren zeigt, wer in die engere Auswahl kommt. Sowohl im Unterricht als auch bei einem lockeren Ausflug schauen die besonders geschulten Lehrkräfte, wie sich die Kinder verhalten. „Manche Kinder nehmen sich am ersten Tag noch zurück“, sagt Wolf. Bei einigen Kindern reiche es auch, eine Klasse zu überspringen oder Wahlkurse hinzuzuwählen, für andere sei die Modellklasse der richtige Weg. Letztlich gehe es darum, glücklich zu sein und Beziehungen zu pflegen; sich als Teil der Gemeinschaft zu erleben.
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Kristina Orth
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