Ursachen liegen nicht in Deutschland
Die wahren Gründe für den Rückgang der Asyl-Anträge
12.10.2025 – 20:36 UhrLesedauer: 5 Min.
Geflüchteteauf dem Mittelmeer (Symbolbild): Die Zahlen sinken. (Quelle: Unai Beroiz/imago-images-bilder)
Die Zahl der Asylanträge in Deutschland geht seit zwei Jahren zurück. Mit den Maßnahmen der Bundesregierung hat das allerdings wenig zu tun. Die Gründe liegen außerhalb der EU.
Nicht weniger als eine Migrationswende versprach Friedrich Merz (CDU) Anfang des Jahres, damals noch im Wahlkampf. Nachdem er die Wahl gewonnen hatte und seine Regierung vereidigt worden war, ließ der Bundeskanzler dann Taten folgen. Die Grenzkontrollen wurden weiter hochgefahren, Menschen sollten auch dann abgewiesen werden, wenn sie um Asyl bitten.
Sein Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) erklärte nun, Deutschland sei „nicht mehr Bremser, sondern Treiber der Migrationswende in Europa“. Auch Merz hatte bereits im September festgestellt: „Wir haben die Migrationswende eingeleitet: Die Asylantragszahlen sinken.“
Damit hat er zumindest teilweise recht: Die Zahlen sinken tatsächlich, in bisher jedem Monat des Jahres waren die Zahlen niedriger als im Vorjahr. Bis zum August gab es 78.246 Erstanträge, ein Rückgang um rund 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Doch liegt das wirklich an den Maßnahmen der Regierung?
Bei genauerem Hinsehen zeigt sich ein ganz anderes Bild. Schließlich sinken die Zahlen schon seit rund zwei Jahren kontinuierlich – lange vor Merz‘ „Migrationswende“. Die Ursachen für diese Entwicklung liegen dabei größtenteils weit außerhalb der deutschen Grenzen, sogar außerhalb der EU.
Denn schaut man an die EU-Außengrenzen, zeigt sich dort eine ganz ähnliche Entwicklung wie in Deutschland. Bereits im Vorjahr ging die Zahl der illegalen Grenzübertritte um 38 Prozent zurück, im ersten Halbjahr 2025 war es noch einmal ein Rückgang um 20 Prozent. Das bedeutet: Es ist nur logisch, dass die Zahl der Asylanträge in Deutschland zurückgeht, wenn deutlich weniger Menschen in die EU kommen.
Der Migrationsexperte Franck Düvell von der Universität Osnabrück stellt deshalb im Gespräch mit t-online fest: „Die Bundesregierung hat einen sehr, sehr geringen Anteil an den sinkenden Asylzahlen.“
In der Union ist man derweil auch von einem Abschreckungseffekt überzeugt, der weit über die Landesgrenzen hinausgeht. So erklärte Christoph de Vries, Innenpolitiker der Union, kurz nach Beginn der Grenzkontrollen der Wochenzeitung „Die Zeit“: „Man wird das wenige Wochen so machen, und dann kommt keiner mehr.“
Doch auch dieser Effekt ist kaum erkennbar. Die Vermutung der Abschreckungswirkung sei zwar zunächst plausibel, lasse sich in der Forschung aber nicht nachweisen, erklärt Experte Düvell. Dafür gebe es einen guten Grund: „Die Bedingungen in den Herkunftsländern oder den Zwischenstationen sind so viel schrecklicher als in Europa, dass die Abschreckung niemals so sehr wirkt wie die Furcht vor den Bedingungen vor Ort.“ Egal, wie viel Europa also abzuschrecken versucht, erscheint es doch immer als lebenswerterer Ort als das Kriegsgebiet.