Sie provoziert gerne, scheint vor Selbstbewusstsein zu strotzen und trifft mit ihren Romanen den Nerv der Zeit. Noch vor ihrem dreißigsten Geburtstag hatte Caroline Wahl zwei Bestseller veröffentlicht. Auch ihr neues Buch „Die Assistentin“ landete auf der Bestsellerliste, seitdem wird viel diskutiert – über den Roman und die Autorin selbst. Stil und Handlung seien banal, so der Vorwurf vieler Kritiker. Auf Social Media wurde Wahl angefeindet, sie protze mit ihrem literarischen Erfolg und lege einen übertriebenen Ehrgeiz an den Tag. Auch ihre Vorgängerromane wurden plötzlich verrissen. Wie geht eine junge Autorin damit um?

Darüber sprach Wahl, die gerade auf großer Lesetour ist, beim AZ-Literaturabend in Augsburg. „Anfangs hat mich der Shitstorm verunsichert, aber dann dachte ich, geil, jetzt bin noch bekannter“, sagt Wahl in ihrer typisch selbstbewussten Manier. Kritik gehöre zum Geschäft und bei allen negativen Erfahrungen habe sie viel Rückhalt verspürt, von ihrer Familie, von Kolleginnen und Fans.

„Zu polarisieren ist immer noch besser als egal zu sein. Ich möchte nie Angst haben, etwas Falsches zu sagen“, sagt die Autorin im Gespräch mit Richard Mayr, Co-Leiter der AZ-Redaktion Kultur und Journal. Die Wucht der Anfeindungen hat sie dann aber doch überrascht. „Plötzlich haben Leute darüber diskutiert, ob ich als Arzttochter über Armut schreiben darf. Ich habe mit vielem gerechnet, aber nicht damit“, sagt Wahl. „Ich habe einiges daraus gelernt, letztlich hat es mich das alles nur gefestigt.“

Caroline Wahl mag schnelle Autos und würde gern den Deutschen Buchpreis gewinnen

Das merkt man ihr an. Wahl wirkt souverän auf der Bühne, plaudert sich locker durch den Abend und ist um plakative Sprüche nicht verlegen. Ob ihr die Aufmerksamkeit manchmal zu viel wird? „Nö, ich genieße das voll“, sagt Wahl. „Ist doch schön, dass die Leute mir gerne zuhören und lesen, was ich zu sagen habe. Das gibt meinem Dasein eine Sinnhaftigkeit.“ Schon als Kind sei sie laut und unangepasst gewesen. „Jetzt habe ich endlich die Bühne bekommen, die ich verdient habe“, sagt die 30-Jährige.

Sie repräsentiert eine junge Frau, die falsche Bescheidenheit ablehnt, Macht hat und sagt, was sie denkt. Mit ihrer selbstbewussten Haltung eckt sie an, aber ihre Fans feiern sie genau dafür. Für ein Autogramm ihrer Heldin stehen sie an diesem Abend Schlange und Wahl nimmt sich Zeit. Auch auf Instagram hält sie ihre Fans auf dem Laufenden, präsentiert neue Outfits und lässt sie wissen, wenn sie mal wieder mit ihrem hellblauen Mercedes unterwegs ist. Von ihrem „Baby“, wie sie ihr Auto liebevoll nennt, schwärmt sie auch im Gespräch mit AZ-Redakteur Richard Mayr. „Eine der besten Lebensentscheidungen“, sagt Wahl. „Ich spreche mit ihm, er begrüßt mich, schwört, dass er mich lieb hat und sagt immer wieder andere Sachen“, erklärt sie und lacht. Kleiner Seitenhieb gegen manche Dating-Partner, die mit weniger verbaler Varianz aufwarten konnten. „Wenn jemand nach zwei Wochen immer noch nicht weiß, wie viele Bücher ich geschrieben habe, kriege ich die Krise“, sagt Wahl. „Aber ein Ferrari ist für mich jetzt noch keine Red Flag.“

Dass sie schnelle Autos mag und gern mal den Deutschen Buchpreis gewinnen würde, gibt Wahl offen zu. Sie weiß zu unterhalten, und gibt sich im Gespräch mit Mayr selbstironisch. Mit rotzigem Ton liest sie aus ihrem neuen Buch, auch einen absurd banalen Dialog. Sie stockt, lacht. „Und da wundere ich mich, dass ich nicht für den deutschen Buchpreis nominiert bin.“

Caroline Wahl: „Das Schreiben war mein Schutzraum, um im Job durchzuhalten“

Die junge Autorin mit dem markanten Pony wirkt authentisch, wenn sie sagt, dass sie sich selbst nicht allzu ernst nimmt. Aber man spürt, dass da auch eine introvertierte, selbstkritische Seite in ihr schlummert. Sagt sie auch selbst. Das Schreiben sei ihr Rückzugsort. „Es hilft mir, Gefühle und Gedanken zu ordnen und meine Umwelt besser zu verstehen.“

Geschrieben habe sie schon immer, betont Wahl. Erst, als die Arbeit in einem Züricher Verlag unerträglich wurde, fand sie darin einen echten Ausweg oder wie sie selbst sagt: „Freitag war der geilste Tag, weil ich dann bald wieder mit meinen Romanfiguren abhängen konnte. Das Schreiben war mein Schutzraum und Lichtblick, um im Job durchzuhalten.“ Nach nur drei Monaten hatte sie ihren ersten Roman „22 Bahnen“ geschrieben. Sie habe eine Dringlichkeit verspürt, wollte schnell fertig werden und wissen, ob sie mit dem Schreiben tatsächlich erfolgreich sein würde. Sie wurde nicht enttäuscht.

Schriftstellerin Caroline Wahl bei der Premiere des Films „22 Bahnen“.

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Schriftstellerin Caroline Wahl bei der Premiere des Films „22 Bahnen“.
Foto: Felix Hörhager/dpa

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Schriftstellerin Caroline Wahl bei der Premiere des Films „22 Bahnen“.
Foto: Felix Hörhager/dpa

Ihr Debüt hielt sich monatelang in den Bestsellerlisten, bis heute hat sich das Buch etwa eine Million Mal verkauft, im Sommer lief die Verfilmung im Kino. Aber Wahl ruhte sich auf ihrem Erfolg nicht aus. „Meine größte Angst war, dass mir das Schreiben wieder genommen wird“, sagt sie. „Also habe ich dafür gekämpft, dass es so bleibt und mein nächstes Buch geschrieben.“ Und auch „Windstärke 17“ war ein Erfolg. Ihr dritter Roman „Die Assistentin“ erzählt die Geschichte von Charlotte, die sich als Assistentin in einem großen Verlag in ein toxisches Arbeitsverhältnis zu ihrem Chef begibt. Es sei ihr persönlichstes Buch, sagt Wahl. Ob sie sich auf einen bestimmten Verlag beziehe, will Mayr wissen. „Patriarchale Strukturen und Machtmissbrauch gibt es überall und es gibt echt weirde Verlegerpersönlichkeiten“, sagt Wahl.

Caroline Wahl hatte eine peinliche Begegnung bei DM

Sie werkelt schon am nächsten Roman. Ob bekannte Figuren auftauchen? Zu großer Spoiler, sagt Wahl, verrät aber, dass ihre Protagonistin mit dem Auto unterwegs ist. Roadnovel also, die hätten ihr immer schon gefallen. „Man weiß nicht, wohin es geht, diese Offenheit macht beim Schreiben Spaß.“ Gerade sei ihre Protagonistin in Kärnten, aber vermutlich fahre sie weiter nach St. Moritz. Typisch Wahl, lieber Luxus statt Provinz.

Sie selbst ist inzwischen so bekannt, dass Menschen sie auf der Straße erkennen. „Erst heute war ich bei DM shoppen und zwei Frauen haben mich angesprochen“, erzählt Wahl. „Ich freue mich ja immer über nette Gespräche, aber ich hatte echt peinliche Sachen im Korb, das war mir dann doch etwas unangenehm.“ Und wie ist es sonst so, das Autorinnenleben? „Schon anstrengend, aber richtig geil“, sagt Wahl. „Ich habe mich noch nie so frei und unabhängig gefühlt, das Schreiben erfüllt mich wie nichts anderes.“

  • Felicitas Lachmayr

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