Abschweifende Gedanken als Schlüsselfaktor
Und tatsächlich: „Wir haben festgestellt, dass Menschen mit stärkeren ADHS-Symptomen wie Aufmerksamkeitsdefiziten, Hyperaktivität oder Impulsivität, bei den kreativen Leistungen besser abschneiden“, berichtet Fang. Alle drei Symptomkomplexe waren positiv mit Kreativität verknüpft. Die divergente Kreativität – also das kreative Denken „out of the Box“ – war zudem deutlicher ausgeprägt, wenn Testpersonen stark zum Abschweifen neigten, wie das Team feststellte.
Allerdings kommt es dabei auf die Art des Abschweifens an: „Frühere Forschungen haben zwei verschiedene Arten des Abschweifens identifiziert“, erklärt Fang. Die erste ist der Konzentrationsverlust, bei dem unsere Gedanken unwillkürlich und spontan von Thema zu Thema driften. „Die zweite Variante ist das absichtliche Abschweifen, bei denen Menschen sich bewusst gestatten, vom Thema abzuweichen“, so Fang. „Ihre Gedanken gehen dann andere Wege.“
Dieses Abschweifen der Gedanken, vor allem, wenn es bewusst zugelassen wird, scheint einer der Schlüsselfaktoren für das kreative Denken zu sein. ADHS-Patienten mit dieser Neigung schnitten auch in den Tests von Fang und seinem Team besonders gut ab. „Frühere Studien haben schon Hinweise darauf geliefert, dass ADHS und Kreativität über dieses Abschweifen miteinander verknüpft sind“, sagt Fang. „Wir haben diese Verbindung jetzt durch direkte Tests bestätigt.“
„Gewinn für unsere Gesellschaft“
Nach Ansicht der Forschenden unterstreicht dies, dass neurodiverse Menschen mit ADHS oder auch Autismus eine wichtige und positive Rolle für unsere Gesellschaft spielen. Denn ihre Neurodiversität kann diese Menschen zwar einschränken, aber auch bereichern – beispielsweise durch eine erhöhte Kreativität.
Ähnlich sieht dies auch Klaus-Peter Lesch von der Universität Würzburg: „Das Abschweifen der Gedanken ist eine der entscheidenden Ressourcen, auf denen die bemerkenswerte Kreativität von hochfunktionalen ADHS-Betroffenen beruht. Genau das macht sie zu einem unglaublich wertvollen Gewinn für unsere Gesellschaft und die Zukunft unseres Planeten“, kommentiert der nicht an der Studie beteiligte Neurowissenschaftler. (38th ECNP Congress, 2025)
Quelle: European College of Neuropsychopharmacology (ECNP)
13. Oktober 2025
– Nadja Podbregar