Historisch hoher Wert
TK-Versicherte melden 6400 mögliche Behandlungsfehler
21.04.2025, 12:04 Uhr
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Die Techniker Krankenkasse ist mit zwölf Millionen Versicherten Deutschlands größte Krankenkasse. Auch 2024 hegen viele von ihnen einen schlimmen Zweifel: Sie melden Tausende Verdachtsfälle auf Behandlungsfehler. TK-Chef Baas macht dem Gesundheitssystem schwere Vorwürfe.
Die Zahl der Verdachtsfälle auf medizinische Behandlungsfehler verharrt auf einem sehr hohen Niveau. Im vergangenen Jahr haben sich 6431 Versicherte an die Techniker Krankenkasse gewandt, weil sie einen Behandlungsfehler vermuteten, wie aus Daten der Kasse hervorgeht. Das ist der zweithöchste Wert der vergangenen zehn Jahre. Er liegt nur geringfügig unter dem bisherigen Spitzenwert des Jahres 2023, als 6509 Versicherte einen Verdacht meldeten.
„Die Bandbreite der geschilderten Vorfälle ist groß: Sie reicht von verwechselten Medikamenten, über die Operation des falschen Körperteils hin zu Todesfällen aufgrund von Pflege- und Behandlungsfehlern“, sagte Kassen-Chef Jens Baas dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die TK ist mit zwölf Millionen Versicherten Deutschlands größte Krankenkasse. Deshalb sind die Zahlen repräsentativ für die gesamte gesetzliche Krankenversicherung.
Mit 34 Prozent der Fälle ist die Chirurgie die Fachrichtung, bei der die Versicherten die meisten Fehler vermuten. Mit Abstand folgt die Zahnmedizin/Kieferorthopädie mit einem Anteil von 18 Prozent. Auf diese beiden Fachrichtungen entfallen damit 52 Prozent der gemeldeten Behandlungsfehler. Es folgen Geburtshilfe/Gynäkologie (9), Allgemeinmedizin (7) und die Orthopädie (6).
„Fehler werden viel zu oft verschwiegen“
Der TK-Chef fordert eine Meldepflicht für Behandlungsfehler von allen medizinischen Einrichtungen. Aktuell werden ihm zufolge Fehler nur erfasst, wenn Patientinnen und Patienten sie selbst melden: „Dadurch bleiben viele Fehler unentdeckt und eine systematische Auswertung von Fehlerquellen und Verbesserungen ist unmöglich“, sagt Baas. „Fehler werden bisher noch viel zu oft verschwiegen oder bagatellisiert, statt sie als Chance für Verbesserungen zu nutzen. Wir brauchen eine offene Fehlerkultur, um die Qualität der medizinischen Versorgung zu verbessern.“
Baas kritisiert außerdem lange juristische Verfahren bei Behandlungsfehlern. „Leider nutzen Haftpflichtversicherungen immer wieder die wirtschaftlichen Nöte infolge der Behandlungsfehler aus, um für sie günstige Vergleiche mit den Geschädigten zu schließen“, sagte er. So prozessiert die TK in ihrem ältesten Behandlungsfehlerfall bereits seit 2008 vor den Gerichten. Ein Ende sei derzeit nicht absehbar.
„Die betroffene Familie kämpft bereits seit 17 Jahren um ihr Recht“, sagt Baas. Die Haftpflichtversicherungen setzten hier häufig auf Zeit und hoffen darauf, dass die Behandlungsfehler-Opfer irgendwann aufgeben. „Es wird höchste Zeit, dass der Rechtsstaat die Interessen der Opfer stärker in den Blick nimmt und die Verfahren beschleunigt.“