Das sanierungsbedürftige Palasthotel im Herzen der Wiesbadener Innenstadt verfällt weiter und bringt damit auch das Ensemble des Künstlerhauses 43 in Schwierigkeiten. Ein defektes Heizungsrohr hat einen Wasserschaden verursacht. Weil die Heizung nicht mehr funktioniert, frieren die Schauspieler während ihrer Proben. Ihre Hoffnung ruht auf einer neuen Spielstätte an der Goldgasse, aber noch ist nichts entschieden.
Das gilt auch für das Palasthotel selbst, denn die sogenannte Markterkundung beginnt wohl erst im nächsten Jahr. „Seit dem Wasserschaden am 12. September haben wir keine Heizung mehr“, berichtet Theaterleiter Wolfgang Vielsack. „Das haben wir am Anfang erst gar nicht gemerkt, weil es im September noch recht warm war und wir keine Heizung benötigten.“ Das ist derzeit nicht mehr Fall.
Doch die Schauspieler proben laut Vielsack auch ohne funktionierende Heizung im ehemaligen Frühstücksraum des Hotels weiter – was dazu geführt hat, dass inzwischen viele von ihnen erkältet sind. Auch der Theaterchef hat sich einen Infekt zugezogen, muss aber weitermachen, denn am 16. Oktober beginnt die Saison mit Aufführungen der „Feuerzangenbowle“. Offenbar sind aber nicht nur die Schauspieler betroffen: Auch andere Mieter hätten ihm gesagt, dass sie derzeit weder Heizung noch warmes Wasser hätten, sagt Vielsack.
Feuerwehr hat nach Heizungsleck gesucht
Dass der Wasserschaden überhaupt entdeckt wurde, ist den Bewohnern zu verdanken. „Als der Wasserfall durchs Haus hinunterlief, haben wir bei der GWW angerufen und die Hotline hat uns versprochen, dass jemand geschickt wird“, berichtet der Theaterchef und fügt an: „Zwei Stunden später war immer noch nichts geschehen und dann hat es einem Nachbarn gereicht, der hat dann die Feuerwehr angerufen.“
Die Wiesbadener Retter kamen mit zwei Wagen, haben mehrere Türen aufgebrochen, bis sie die richtige Wohnung fanden. Ein zufällig anwesender Handwerker konnte die Wasserleitung abstellen. Laut Vielsack war das nicht der erste Wasserschaden, schon drei Wochen zuvor sei Wasser ins Theater gelaufen.
Nun stehen Vielsack und seine Frau Susanne Müller vor der Frage, wie das freie Theater durch den Winter kommt. „Die GWW hat uns geschrieben, dass sie dabei sind, den Schaden zu beheben, allerdings nicht wissen, wie lange das dauert“, berichtet die Theaterchefin die Situation. Die Gesellschaft habe angeboten, elektrische Heizkörper als Ersatz aufzustellen. „Das ist gar nicht möglich, denn die brauchen so viel Strom, dass wir keine Aufführung mehr durchführen können“, sagt Vielsack. Der Strom werde für die Scheinwerfer benötigt. „Wenn wir elektrisch heizen, bricht das ganze System zusammen“, warnt er.
Sanierungskosten von 40 Millionen Euro
Das ehemalige Luxushotel am Kochbrunnenplatz ist marode. Nach Angaben Eigentümergesellschaft GWG/GWW werden die Sanierungskosten aktuell auf mehr als 40 Millionen Euro geschätzt. Um das 1905 errichtete Haus zu sanieren, hatten langjährige Mieter der Sozialwohnungen andere Unterkünfte angeboten bekommen und waren ausgezogen.
Da sich eine Entscheidung über die Zukunft des Gebäudes jedoch verzögert, hat die Stadt überraschend 13 Flüchtlingsfamilien übergangsweise in dem früheren Hotel einquartiert. Dieses Vorgehen hatte in ganz Deutschland negative Schlagzeilen gemacht.
Die Stadt prüft derzeit mehrere Varianten, wie das ehemalige Luxushotel künftig genutzt werden könnte. Mit den Stimmen des Linksbündnisses wurde ein Markterkundungsverfahren initiiert. Es soll unter anderen eruiert werden, ob ein Investor auch bereit wäre, einen Erbbaurechtsvertrag zu akzeptieren.
Das Ergebnis wird allerdings erst nach der Kommunalwahl am 15. März nächsten Jahres erwartet. Eine frühere Entscheidung hätte nach Einschätzung aus Politikkreisen das Potential gehabt, das Linksbündnis zu zerbrechen.
Nach Recherchen der F.A.Z. ist es ausgeschlossen, dass die Markterkundung noch in diesem Jahr beginnt. Folglich verzögert sich auch das zu erwartende Ergebnis. Unterdessen sollen die noch im Palasthotel wohnenden Sozialmieter ausziehen. Für fünf der sechs Mieter gibt es nach Auskunft von Thomas Keller, Geschäftsführer der GWG/GWW, schon Lösungen.
Keller bestätigt den Wasserschaden und auch, dass eine Heizungsleitung abgestellt wurde. „In leerstehenden Wohnungen reparieren wir nichts mehr, das würde sich nicht lohnen“, sagt er. Nach Auskunft des Geschäftsführers werden aber alle Schäden in Wohnungen und Räumen, die noch genutzt werden, wieder behoben. Das betrifft unter anderem die 13 Familien und das Künstlerhaus sowie die anderen gewerblichen Mieter. Diese haben aber ohnehin befristete Mietverträge bis August 2026.
Hoffnung auf neue Spielstätte
Die Heizung, so Keller weiter, sei nicht ausgefallen, sondern halte aufgrund weiterer Lecks im Rohrsystem nicht die notwendige Temperatur. Die undichten Stellen würden noch gesucht.
Die Hoffnung des Künstlerhauses 43 ruht nun auf einer neuen Spielstätte an der Goldgasse. „Wir haben uns die Spielstätte angeguckt und waren seit langem zum ersten Mal richtig begeistert“, sagt Vielsack. Es ist mittlerweile der vierte Ort, der als neues Domizil diskutiert wird. Laut dem künstlerischen Leiter ist dort die notwendige Infrastruktur, wie Küche, Bar und Theater-Umkleiden vorhanden. Auch sei die Fläche ähnlich groß wie im Palasthotel.
Auf der Website des Theaters schreibt Vielsack, dass Kämmerer Hendrik Schmehl (SPD) ausreichend Geld als besonderen Bedarf vorgemerkt habe, um die neue Spielstätte anzumieten. Von den ursprünglich öffentlich genannten 200.000 Euro würden sogar nur 130.000 benötigt, weil die Eigentümer dem Theater finanziell entgegenkommen würden. „Wir hoffen, dass die Stadtverordneten der SPD-Fraktion der Empfehlung ihres Kämmerers folgen, ebenso wie auch die Mehrheit der anderen Fraktionen der regierenden Kooperation (Grüne, Volt und Linke)“, schreibt Vielsack.
Am 11. November ist die nächste Stadtverordnetenversammlung. Sollte dann die Entscheidung für die Goldgasse fallen, könnte das Künstlerhaus 43 dort nach Auskunft des Theaterleiters vom 1. Januar an einziehen.